zum Inhalt springen

Gefühle statt Fakten – Wieso Menschen unterschiedlich auf Sprache reagieren

Wenn sich politische Parteien inhaltlich immer weiter voneinander entfernen, fallen gemeinsame Entscheidungen schwer. Sprache kann dabei helfen, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Das zeigen Forschungsergebnisse von Prof. Dr. Joris Lammers, Mitglied des Exzellenzclusters ECONtribute: Markets & Public Policy und Professor am Social Cognition Center Cologne (SoCCCo).

Von Lisa Oder

„Sie kennen mich“ – mit diesem Schlusssatz blieb Angela Merkel den Zuschauenden des TV-Duells vor der Bundestagswahl im Jahr 2013 in Erinnerung. Mit einem ähnlich rückwärtsgewandten Slogan traten die Republikaner um Donald Trump den Wahlkampf in den USA an: „Make America Great Again“.

Derartige Slogans konservativer Parteien sind im politischen Wahlkampf keine Seltenheit. So holte sich der ehemalige US-Präsident Trump wohl Inspiration bei seinem Vorgänger Ronald Reagan, der schon in den 1980er Jahren Amerika wieder großartig machen wollte. In Deutschland warb Konrad Adenauer in den 1950er Jahren mit dem Slogan „Keine Experimente“.

Framing: Wird eine Botschaft oder ein Sachverhalt sprachlich unterschiedlich formuliert, kann das verschiedene Reaktionen beim Empfangenden hervorrufen – auch wenn der Inhalt gleichbleibt. Dieses psychologische Phänomen wird als Framing oder Framing-Effekt bezeichnet, der Inhalt wird sprachlich unterschiedlich „gerahmt“.

Dass konservative Wähler auf derartige vergangenheitsorientierte Wahlwerbung anspringen, ist kein Zufall. Der Grund für das Phänomen ist ein Gefühl, zu dem konservative Individuen besonders neigen: Die Nostalgie. Das zeigen Studien des Sozialpsychologen Joris Lammers, der beim Exzellenzcluster ECONtribute an der Universität zu Köln forscht. Im Team mit Matt Baldwin von der University of Florida konnte der Wissenschaftler anhand mehrerer Experimente in den Vereinigten Staaten, Großbritannien und Deutschland zeigen, dass eher konservativ eingestellte Menschen nostalgischer veranlagt sind als eher links orientierte. Aus diesem Grund sprechen sie besonders Botschaften mit Bezug zur Vergangenheit an. Die Forscher konnten zeigen, dass sie sogar eigentlich liberale Forderungen eher unterstützen, wenn diese mit einem Bezug zur Vergangenheit präsentiert – also anders geframt – werden.


Wie würden Sie entscheiden?

Ein kleines Experiment: Stellen Sie sich vor, in Ihrem Land bricht eine tödliche Krankheit aus. Es wird erwartet, dass die Pandemie bis zu 600 Menschen ihr Leben kosten kann.

  1. Entweder führt die Regierung Programm A ein, das 200 Menschen rettet. Oder die Regierung entscheidet sich für Programm B, bei dem zu einer Wahrscheinlichkeit von einem Drittel 600 Menschen gerettet werden und zu einer Wahrscheinlichkeit von zwei Dritteln keiner gerettet wird. Welches der beiden Programme würden Sie präferieren?
     
  2. Nun entscheidet sich die Regierung, doch auf Programm C oder D im Kampf gegen die Pandemie zu setzen. Entweder setzt die Regierung Programm C um, bei dem 400 Menschen sterben werden. Oder sie entscheidet sich für Programm D, bei dem mit einer Wahrscheinlichkeit von einem Drittel niemand sterben wird und mit einer Wahrscheinlichkeit von zwei Dritteln alle sterben werden. Welche Option würden Sie präferieren?

Ihre Ergebnisse präsentierten die Wissenschaftler im Rahmen eines „Transatlantic Tandem Talks“ (TTT) des New Yorker Verbindungsbüros der Universität zu Köln: 

Beispiel 1: Umweltschutz

vergrößern:
Die beiden fiktiven Umweltorganisationen, an die Teilnehmende spenden konnten. Quelle: Baldwin & Lammers (2016)

Vorgehen: Für ihre Experimente zum Thema Umweltschutz rekrutierten die Forscher ihre Probanden in den Vereinigten Staaten über ein Internetportal. Das Team zeigte den Teilnehmenden zwei verschiedene Umweltorganisationen mit unterschiedlichen Slogans. Die eine Organisation warb mit einem zukunftsorientierten Werbespruch, die andere mit einem vergangenheitszentrierten (s. Bild). Die Teilnehmenden konnten entscheiden, wie sie 50 Cent auf beide Organisationen aufteilen möchten.

Ergebnis: Konservative spendeten mehr Geld an die vergangenheitsorientierte als an die zukunftsorientierte Organisation. Außerdem spendeten sie mehr Geld an die Organisation mit dem Slogan mit Bezug zur Vergangenheit als Liberale.

Beispiel 2: Migration

vergrößern:
Deutsche Konservative begrüßen eine Öffnung der Grenzen für Einwanderer aus Syrien weniger als Liberale. Aber der Effekt nimmt ab, wenn die Botschaft mit Bezug zur Vergangenheit vermittelt wird. Quelle: Baldwin & Lammers (2018)

Vorgehen: In einem weiteren Experiment teilten die Wissenschaftler 459 deutsche Probanden zufällig in zwei Gruppen auf. Die Teilnehmenden sollten einen Artikel lesen, der sich für offene Grenzen für syrische Flüchtlinge aussprach. Dabei unterschied sich die Argumentation je nach Gruppe. Der zukunftsorientierte Text beschrieb Einwanderung aus Syrien als neues Phänomen mit neuen Möglichkeiten, Brücken zwischen Deutschen und Syrern zu schlagen. Der andere Artikel betonte hingegen ein bereits seit langem bestehendes enges Verhältnis zwischen Syrien und Deutschland.  

Ergebnis: Zwar sprachen sich eher konservative Menschen beide Male gegen Zuwanderung aus. Allerdings nahm der Grad der Ablehnung ab, als die Beziehung zwischen Deutschland und Syrien als schon lange bestehend, also vergangenheitszentriert, beschrieben wurde

Beispiel 3: Diversität

Vorgehen: Das Team präsentierte Teilnehmenden aus den USA einen Comic aus dem Jahr 1949 zum Thema Diversität. Auf dem Bild ruft Superman dazu auf, für mehr Diversität einzutreten und rahmt das Verhalten als „amerikanisch“. Eine Gruppe ging davon aus, dass der Comic „alte“ Werte vermitteln soll. Die andere Gruppe sollte denken, der Comic sei mit neuer Botschaft rekonstruiert worden. Im Anschluss gaben die Probanden an, inwiefern sie der Botschaft des Comics zustimmen.

Ergebnis: Wurde der Comic als rekonstruiert mit neuer Botschaft gerahmt, waren sich Liberale und Konservative uneinig. Letztere lehnten die Botschaft eher ab. Sie stimmten eher zu, wenn der Comic als „alt“ deklariert wurde.

 „Wenn wir diese Unterschiede besser verstehen, können wir die politische Debatte verbessern“, schlussfolgert Lammers beim TTT.

 


Über Joris Lammers:

Prof. Dr. Joris Lammers ist Professor bei ECONtribute am SoCCCo an der Fakultät für Humanwissenschaften der Universität zu Köln. Er hat einen Master-Abschluss in Politikwissenschaft und in Psychologie von der Universität Leiden (2003) und promovierte an der Universität Groningen (2008) in Sozialpsychologie. Nachdem er an der Universität Tilburg und der Universität Köln als Juniorprofessor gearbeitet hatte, wurde Joris Lammers Professor an der Universität Bremen, bevor er zu ECONtribute nach Köln wechselte. Er ist Mitherausgeber der Zeitschrift Journal of Experimental Social Psychology und Mitglied der European Association of Social Psychology.

Kontakt:
Prof. Dr. Joris Lammers
ECONtribute, Fakultät für Humanwissenschaften
joris.lammersSpamProtectionuni-koeln.de
 


Über ECONtribute:

ECONtribute ist der einzige überwiegend wirtschaftswissenschaftliche von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Exzellenzcluster, getragen von den Universitäten Bonn und Köln. Der Cluster forscht zu Märkten im Spannungsfeld zwischen Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Ziel von ECONtribute ist es, Märkte besser zu verstehen und eine grundlegend neue Herangehensweise für die Analyse von Marktversagen zu finden, die den sozialen, technologischen und wirtschaftlichen Herausforderungen der heutigen Zeit, wie zunehmender Ungleichheit und politischer Polarisierung oder globalen Finanzkrisen, gerecht wird.