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Zu trocken für Malaria?

Der Klimawandel könnte die Vertreitung des Tropenfiebers stark verändern

Von Merle Hettesheimer

Malaria gehört zu den gefährlichsten Infektionskrankheiten der Welt. Jedes Jahr erkranken rund 247 Millionen Menschen weltweit, fast eine Millionen stirbt am Wechselfieber. Afrika ist am stärksten von der Krankheit betroffen: 90 Prozent aller Todesfälle ereignen sich südlich der Sahara. Hier findet die Anophelesmücke, Überträgerin des Malariaerregers, ideale Lebensbedingungen. Was passiert aber, wenn sich das Klima ändert? Eine Studie des Kölner Meteorologen Volker Ermert (Institut für Geophysik und Meteorologie) zeigt, wie sich der Klimawandel auf die Verbreitung von Malaria auswirken könnte.

Der Stich bleibt meist unbemerkt aber nicht folgenlos. Knapp 250 Millionen Menschen infizieren sich jährlich mit dem Malaria- Erreger, einem einzelligen Parasiten der Gattung Plasmodium. Dieser wird fast ausschließlich über die Anophelesmücke auf den Menschen übertragen. In vielen Teilen Afrikas herrschen ideale Lebensbedingungen für Erreger und Wirt. Afrika ist deshalb mit 90 Prozent aller Todesfälle am stärksten von der Malaria betroffen. Malaria lässt sich medikamentös behandeln, einen wirksamen Schutz gibt es aber nicht. Vor allem die ärmere Bevölkerung in den Risikogebieten hat keinen ausreichenden Zugang zu ärztlicher Versorgung, geeigneten Medikamenten oder Moskitonetzen. Malaria bleibt daher eines der dringlichsten Probleme in Afrika.

Der erwartete Klimawandel könnte nun die Ausbreitung von Malaria verändern.
Bisher weiß man, dass der Malaria-Erreger sehr empfindlich auf kalte Temperaturen reagiert. Er kann sich erst ab einer Temperatur von etwa 16 Grad Celsius, der sogenannten sporogonischen Temperaturschwelle, entwickeln. Unterhalb dieses Werts kommt die Entwicklung des Erregers zum Stillstand. Bei Temperaturen von 18 bis 20 Grad verbreitet sich der Erreger dauerhaft. Für die Mücke selbst sind stehende Gewässer, die sich während der Regenzeit bilden, ideale Brutstätten. Bisher sind der Malaria in Afrika klimatische Grenzen gesetzt. Würde aber die Temperatur um ein bis zwei Grad steigen, könnte sich die Krankheit in neuen Gegenden ausbreiten. Beispielsweise in den Hochländern Ostafrikas. Hier fällt die Temperatur derzeit noch häufig unter die entscheidende Grenze von 18 bis 20 Grad. Würde die durchschnittliche Temperatur jedoch um zwei bis drei Grad steigen, wäre die Verbreitung des Malaria-Parasiten auch in dieser Region möglich – mit dramatischen Folgen für die dortige Bevölkerung.

Stichraten geben Auskunft über die Verbreitung des Erregers

Mithilfe von Malariamodellen versucht man einzuschätzen, in welchen Regionen die Gefahr sich zu infizieren besonders groß ist. Die Verbreitung des Malariaerregers wird anhand sogenannter Stichraten gemessen. Stichraten sagen aus, wie häufig ein Mensch von einer Anophelesmücke gestochen wird und wie häufig ein Stich dann auch infektiös ist. In der Regel erhebt man solche Daten bei Kindern. Die Daten sind verlässlicher, da Kinder noch keine Immunität gegen den Erreger aufgebaut haben. Der Stich einer infizierten Mücke führt bei Kindern deshalb in der Regel auch zum Ausbruch der Krankheit. Kombiniert man die Stichraten mit meteorologischen Daten, lassen sich Aussagen darüber treffen, wie sich die Verbreitung des Erregers abhängig vom Klima verändern könnte. Solche Prognosen ergeben sich etwa im Liverpool Malaria Model (LMM), einem von der Universität Liverpool entwickelten Computermodell, das sich mit verschiedenen Modellparametern unterschiedlich einstellen lässt. Dieses Modell diente dem Kölner Wissenschaftler Volker Ermert als Grundlage seiner Arbeit. „Allerdings“, so Ermert, „gibt das Modell die Vorgänge in der Natur nicht genau genug wieder“. Das LMM arbeitet mit der durchschnittlichen Tagestemperatur und einer Niederschlagsmenge, die über zehn Tage aufgerechnet wird. Damit soll die Verbreitung von Malaria auf einer Tagesbasis vorhergesagt werden. „Das LMM simuliert aber zu hohe Stichraten im Süden, wo es viel regnet“, erläutert Ermert die Probleme des Modells. „Es prognostiziert dort bis zu 600.000 Stiche. In Wirklichkeit sind es aber nicht mehr als 1000.“

Auch zuviel Regen nimmt der Mücke Lebensraum

Das Klima, und damit die Überlebenswahrscheinlichkeit des Malariaerregers,
hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab, die in einem Modell möglichst genau wiedergegeben werden müssen. Wachstum und Größe der Mückenpopulation werden im Modell in der Regel anhand des Niederschlags berechnet. Dabei geht das Liverpool Malaria Model davon aus, dass sich die Mücken umso stärker verbreiten, je mehr Niederschlag fällt. Für die Mücke entstehen aber auch dort Brutgelegenheiten, wo sich Pfützen ohne Niederschlag gebildet haben, etwa wenn ein Fluss austrocknet. Erhöht sich die Strömung eines Flusses, weil zuviel Regen gefallen  ist, nimmt das der Mücke wiederum Lebensraum. Außerdem können starke Regenfälle Brutstätten auswaschen „Das Grundproblem im LMM liegt darin, dass man davon ausgeht, dass sich viel Regen günstig und wenig Regen ungünstig auf die Mückenpopulation auswirkt. Während der Trockenzeit stirbt die Moskitopopulation im Modell quasi aus. In der Realität gibt es aber Feuchtigkeitsnischen; zum Beispiel Tümpel, die der Mücke sehr wohl ein Überleben ermöglichen“, weiß Volker Ermert. Ermert veränderte das Modell so, dass sich zuviel Niederschlag ebenfalls ungünstig auf die Mückenpopulation auswirkt. „Das ursprüngliche Modell postuliert: je mehr Niederschlag, desto besser die Brutbedingungen. Die Realität zeigt aber, dass sich zuviel Niederschlag ungünstig auswirkt.“ Zur Überprüfung seiner Annahmen verwendete der Kölner Meteorologe zahlreiche Malariabeobachtungen aus Westafrika. Durch die systematische Veränderung verschiedener Modellparameter konnte Ermert schließlich das Liverpooler Modell besser an die gemessenen Verhältnisse anpassen. „Die neue Version des LMM liefert nun realistische Stichraten in der trockenen mnSahelzone als auch an der regenreichen Guineaküste“, so der Wissenschaftler. Ermert zog noch zwei weitere Modelle heran, um seine Ergebnisse abzusichern: Das GARKI-Modell berücksichtigt auch den Immunstatus der Bevölkerung und die Infektiosität des Erregers. Außerdem fließen Altersfaktoren in das Modell ein: Kinder stecken sich viel leichter mit der Malaria an, weil sie noch keine Immunität gegen den Erreger ausgebildet haben. „Dieser „Faktor Mensch“ wird im Liverpool Malaria Model nicht abgebildet“, so Ermert. Mit dem MARA Seasonality Model soll die Saisonabhängigkeit von Malaria in Afrika simuliert werden. „MARA“ zeigt über einen Zeitraum von 30 Jahren auf der Basis von Niederschlägen und Temperaturwerten an, ob das Klima in einem bestimmten Monat günstig für die Ausbreitung von Malaria ist.

Regionale Klimamodelle bilden den afrikanischen Kontinent genau ab

Das korrigierte Liverpool Malaria Model speiste Ermert mit meteorologischen Daten aus einem regionalen Klimamodell, dem REgional climate MOdel (REMO). Das Modell simuliert alle möglichen meteorologischen Variablen, wie Temperatur, Windgeschwindigkeit, Sonneneinstrahlung oder Feuchtigkeitsgrößen. Im Vergleich zu globalen Klimamodellen verfügen regionale Modelle über eine feinere räumliche Auflösung. „Die Strukturen auf dem Kontinent lassen sich mit einem regionalen Klimamodell sehr viel genauer abbilden“, erzählt Volker Ermert. Korrekturen beim Niederschlag und bei der Temperatur musste der Wissenschaftler trotzdem vornehmen: „REMO hat in Ostafrika zu starke saisonale Schwankungen simuliert; im Winter war es zu kalt und im Sommer zu warm.“ Gerade hier muss das Modell sehr genaue Daten liefern. In den ostafrikanischen Hochländern fällt die Temperatur normalerweise unter die magische Grenze von 18 bis 20 Grad Celsius. Um Aussagen darüber treffen zu können, wie sich die Malaria hier ausbreitet, muss die Temperatur möglichst exakt bestimmt werden.

In Westafrika könnte der Niederschlag um 30 Prozent sinken

Um die Stichraten für die Zukunft unter veränderten Klimabedingungen zu simulieren, bildete der Meteorologe zwei Zeiträume: die aktuelle Situation von den sechziger Jahren bis zum Jahr 2000 und einen Zeitraum in der Zukunft (2001 bis 2050). Das Zukunftsszenario hat Ermert auf der Basis zweier unterschiedlicher Klimaszenarien berechnet. Sie beschreiben, wie sich das Klima verändern wird, je nachdem, ob der Mensch Ressourcen schonend lebt oder nicht. Optimistische Szenarien wie das Szenarium B1 des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) gehen von einem nachhaltigen Wirtschaftswachstum und dem Einsatz erneuerbarer Energien aus. Entsprechend würde dieses Szenario zu einem geringeren Temperaturanstieg und weniger starken Veränderungen der Umwelt führen. Im Klimaszenario A1B vermutet man einen konservativen Umgang mit der Umwelt. Berücksichtigt hat der Wissenschaftler auch Veränderungen der Landoberfläche; Gebiete, auf denen Wälder abgeholzt werden oder wo sich die Wüste weiter ausbreiten wird. Dazu verwendete er sogenannte Landnutzungsszenarien der Food and Agriculture Organisation. Sie zeigen, dass sich die Waldoberfläche bis zum Jahr 2050 um bis zu 50 Prozent verringern wird. Das wird die durchschnittliche Niederschlagsmenge vor allem in West- und Zentralafrika beeinflussen. Volker Ermerts Ergebnisse zeigen, dass der Niederschlag hier um bis zu 200 Millimeter im Jahr sinken wird. „Das sind 20 bis 30 Prozent weniger Niederschlag“, befürchtet er. Das wird sich auch auf die Verbreitung der Malaria auswirken. Denn für eine Ausbreitung der Malaria in der nördlichen Sahelzone ist es dann zu trocken. „Das klingt erst einmal positiv“, erläutert Ermert die Ergebnisse.
„Es kann aber auch bedeuten, dass in bestimmten Gebieten häufiger Epidemien
auftreten. Das wäre dann der Fall, wenn in einigen Jahren mehr Niederschlag fällt.“ Der Erreger kann sich dann schlagartig verbreiten, aber den Menschen fehlt die Immunität gegen den Erreger. Letztendlich könnten dann mehr Menschen an der Malaria sterben als vorher. „Das könnte zum Beispiel im Süden des Niger der Fall sein“, so Ermert.

Epidemien in Ostafrika?

Weiter südlich in Benin, Ghana oder an der Elfenbeinküste wird sich nicht viel verändern. Hier fällt noch immer genügend Niederschlag. „Möglicherweise verändert sich die Malariasaison“, glaubt Ermert. Besonders kritisch aber sieht der Wissenschaftler die Prognose für die ostafrikanischen Hochländer: Hier ist nicht der Niederschlag sondern die Temperatur der entscheidende Faktor. Steigt sie – wie in der Projektion – in Afrika insgesamt um zwei bis drei Grad an, wird dem Malaria- Erreger ein Überleben auch in dieser Region möglich. „In den Hochländern wird die Malaria dann regelmäßig auftreten und sich irgendwann stabilisieren. Die Menschen können eine Immunität gegen den Erreger aufbauen“, erklärt Ermert. „Für die höher gelegenen Gebiete ist das aber eine kritische Prognose: Hier könnte es erstmals zu Epidemien kommen.“

Der Klimawandel wird die Malariaübertragung stark verändern, falls der Mensch
die Verbreitung der Krankheit nicht merklich beeinflusst. Dazu muss mehr Geld in die Forschung fließen, beispielsweise in die Entwicklung eines Impfstoffes. Der Klimawandel kann dramatische Veränderungen für Afrika bedeuten: Wenn weniger Niederschlag in der Sahelzone fällt, werden die Menschen Richtung Süden abwandern. Dort aber werden sie wieder in eine Malariazone kommen. Letztendlich werden in Zukunft wohl mehr Menschen von der Malaria betroffen sein.

Merle Hettesheimer ist stellvertretende Leiterin der Stabsstelle Presse- und Kommunikation der Universität zu Köln