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Qualitätsmanagement ? Schmiere und Kraftwerke

Forschungsansätze unter dem Dach des Exzellenzclusters CECAD

Von Christoph Wanko

Seit rund vierzig Jahren beschäftigen sich Wissenschaftler mit dem Phänomen des Alterns. Wichtig hierbei: Es geht den Wissenschaftlern nicht um das Alter, sondern um das Altern, also um den Prozess des Alterns und die zu Grunde liegenden Mechanismen. Seit Anfang Februar 2008 gibt es ein neues Exzellenzcluster an der Universität zu Köln, CECAD (Cellular Stress Responses in Aging-Associated Diseases), das sich mit Fragen des Alterns auf zellulärer Ebene beschäftigt. Bisher wurden die Fragen rund um das Altern aus den unterschiedlichsten Disziplinen beleuchtet. Die Disziplin Alternsforschung ist erst im Entstehen.

 

?Es gibt keine klassischen Alternsforscher?, sagt Professor Jens Brüning, Koordinator des neuen Exzellenzclusters CECAD. ?Das sind alles Wissenschaftler, die aus unterschiedlichen Richtungen stammen und jetzt hier gelandet sind.? Der Einzelne ist nicht unbedingt ein Alternsforscher ? nach wie vor wird jeder auch sein Fachgebiet weiter betreiben ? aber gemeinsam gehen sie der Alternsforschung nach. Forscher der Universität zu Köln, Wissenschaftler der Uniklinik Köln sowie die Forscher des neuen Max-Planck-Instituts für die Biologie des Alterns werden unter dem Dach des CECAD zusammenarbeiten.

Eine einheitliche Theorie des Alterns gibt es bisher nicht. Es gibt nicht den einen Grund dafür, dass wir im Lauf der Jahre kränker werden, unsere Kräfte nachlassen und auch unser Kopf nicht mehr so funktioniert wie in der Jugend. Für das Phänomen Altern gibt es unzählige Ursachen. Ein Grund, den verschiedene Wissenschaftler bereits bearbeitet haben, sind sogenannte Freie Radikale. Sie stehen im Verdacht, unsere noch verbleibende Lebenszeit erheblich zu verkürzen. Sie entstehen vor allem bei der Energiegewinnung in den Mitochondrien ? den Kraftwerken der Zellen.

Alterndes Qualitätsmanagement ? Mitochondrien

?Es gibt keine lebende, wachsende Zelle, die keine Mitochondrien hat?, so drückt Professor Thomas Langer, Projektleiter des Projektbereichs ?Zelluläre Stressantworten und deren Dysregulation (Funktionsstörung) während des Alterns?, die herausgehobene Stellung dieser Zellorganelle aus. Ohne Mitochondrien geht nichts in einer Zelle. Sie wandeln den eingeatmeten Sauerstoff in Energie um. Ein ganz geringer Teil jedoch ? momentan geht man von etwa zwei Prozent aus ? wird beim Umwandlungsprozess nicht verbraucht. Diese Sauerstoffatome werden leicht verändert und sind dadurch äußerst reaktionsfreudig. Sie werden als reaktive Sauerstoffspezies (ROS) bezeichnet. Wenn diese ROS auf andere Proteine, Membranen oder Chromosomen treffen, können diese erheblich beschädigt oder im schlimmsten Fall sogar zerstört werden. Dieser Vorgang allerdings ist noch nicht spezifisch für alternde Zellen. ?Diese reaktive Sauerstoffspezies entsteht immer, auch im gesunden, jungen Organismus?, betont Langer.

?Aber die junge, gesunde Zelle hat Abwehrmechanismen, durch welche die Schädigung in Grenzen gehalten werden kann. Mit der abnehmenden Funktionalität der Mitochondrien nimmt gleichzeitig aber auch die Produktion der unerwünschten Sauerstoffspezies zu?, erklärt Professor Thomas Langer. Die Effizienz der Mitochondrien nimmt ab ? es entstehen immer mehr der unerwünschten Sauerstoffspezies. Das stellt erhöhte Anforderungen an die Abwehrmechanismen in der Zelle, die vermutlich in einer alternden Zelle überlastet sind. ?Eine gewisse Zeit kommt die Zelle mit der Anhäufung der geschädigten Proteine klar, aber ab einer bestimmten Menge kommt es zu zunehmenden Schädigungen von anderen Funktionsträgern in der Zelle. Und der Ursprung für diesen ganzen Prozess sind die Mitochondrien?, so Langer.

Eine weitere Frage, welche die Forscher um Professor Thomas Langer beschäftigen wird, ist die Entstehung von neurodegenerativen Erkrankungen, die typisch für das Alter sind und oft durch eine Anhäufung von fehlgeformten Proteinen gekennzeichnet sind. Die Wissenschaftler vermuten, dass auch hier überlastete Abwehrmechanismen eine Rolle spielen: ?Es gibt so etwas, was oft als Müllabfuhr in der Zelle bezeichnet wird. Das sind bestimmte Enzyme, so genannte Proteasen, die in der Lage sind, verbrauchte oder missgebildete Proteine zu beseitigen. Da es aber auch darum geht, diese Proteine erst einmal zu erkennen und quasi zu selektieren, ist mir die Bezeichnung Qualitätsmanagement für die Proteasen lieber?, differenziert Langer.

Wenn das Qualitätsmanagement nicht mehr funktioniert, verkleben die herumliegenden unnützen Proteine miteinander ? Proteinklumpen entstehen. Eine Störung dieser Qualitätskontrolle und eine Anhäufung von unerwünschten Proteinen in der Zelle tritt vor allem im fortgeschrittenen Alter auf und ist die Ursache vieler neurodegenerativer Erkrankungen des Menschen, wie beispielsweise dem Parkinson-Syndrom, der Alzheimer-Krankheit und der Chorea Huntington. Gemeinsam ist allen Krankheiten die Entstehung von typischen Teilchen aus zusammengeklumpten Proteinen in den Nervenzellen der Patienten. Eine Unterdrückung dieser Ansammlung von ?Müll-Proteinen? und eine Reparatur der Qualitätskontrolle könnte daher Ansätze für eine Behandlung dieser bisher als unheilbar geltenden Krankheiten liefern.

Ein bisschen Diabetes ist vielleicht nützlich ? Insulin und Altern

Geringe Nahrungsaufnahme auf lange Zeit kann die Lebensspanne erheblich verlängern. Das konnten Forscher an unterschiedlichen Organismen zeigen. Eine hohe Nahrungsaufnahme führt umgekehrt zu einer kürzeren Lebensspanne. Forscher, die im Fadenwurm ein Gen namens daf-2 ausschalten konnten, verlängerten damit sein Leben um ein Vielfaches. Der Wurm lebte statt 20 Tagen 124 Tage in einem künstlich herbeigeführten Hungerzustand. Das ausgeschaltete Gen gehört zum Signalweg des Hormons Insulin.

An diesem Weg, der zentral für die Steuerung des Alterns sein könnte, forschen Professor Jens Brüning und sein Team im Projektbereich ?Metabolische (stoffwechselbezogene) Signalwege und alters-assoziierte Erkrankungen?. Wird dieser Insulinsignalweg ein wenig eingeschränkt, leben die Tiere länger. ?Das ist erstaunlich?, bemerkt Brüning, ?wenn man den Insulinweg beim Tier einschränkt, lebt es länger. Tun wir dasselbe beim Menschen, bekommt er Diabetes.? Es kann also nicht um eine totale Einschränkung des Signalweges gehen. Das wissen die Wissenschaftler bereits durch ihre Experimente mit Mäusen: ?Wenn Sie den Insulinweg ganz einschränken, kriegen die Mäuse einen Zuckerwert von 600 Milligramm pro Deziliter und fallen innerhalb kürzester Zeit tot um. Aber, wenn man das Ganze ein bisschen reduziert ? sagen wir um die Hälfte ? dann scheint es so zu sein, dass die Mäuse anfangs zwar ein bisschen Diabetes bekommen, aber später auch älter werden können als ihre normalen Artgenossen.? Außerdem sind gerade die Mäuse mit einem leicht eingeschränkten Insulinsignalweg gerade im Alter vor dem Auftreten von Diabetes II besser geschützt.

Die Forscher versuchen jetzt, dieses System in unterschiedlichen Modellorganismen, beim Wurm, bei der Fruchtfliege und bei der Maus zu verstehen, um dann letztendlich zu schauen, ob die Ergebnisse auch auf den Menschen übertragen werden können. ?Unsere Frage muss hier also lauten: Welcher Grad der Beeinflussung oder Einschränkung des Insulinsignalwegs könnte positiv sein, um zu einem gesünderen Alterungsprozess zu führen?, so Professor Brüning. 

Zwischen Schmalz  und Öl ? Alternde Zellmembranen

Um seine Wirkung zu entfalten, muss beispielsweise das Insulin in der Lage sein, seine Signale über die Zellmembran hinweg ans Zellinnere zu vermitteln. So eine Membran ist nicht nur eine passive Trennwand, die eine Zelle nach außen hin abschließt. Sie spielt auch eine aktive Rolle beim Transport von Molekülen und Informationen von der Zellaußen- zur Zellinnenseite. Für diesen Aspekt der Signalübermittlung durch die Zellmembran interessiert sich der Projektbereich ?Alterung von Membranen und alterungsabhängige Defekte der Abwehr von Erregern? unter der Leitung von Professor Martin Krönke.

Klar ist: wenn zum Beispiel ein Hormon an eine Zelle an einem Rezeptor andockt, müssen die Rezeptoren in irgendeiner Weise verändert werden, damit die Zelle weiß, was zu tun ist. Das heißt, mehrere Proteine müssen mit den Hormonrezeptoren an der Plasmamembran größere Signal-Komplexe formieren können. Zellmembranen bestehen zum größten Teil aus wasserabweisenden Fettmolekülen, sogenannten Lipiden. Auch für die Kommunikation durch die Zellmembran hindurch sind diese Lipide verantwortlich. Die Eigenschaften der Lipide beschreibt Martin Krönke folgendermaßen: ?Die Lipide sind quasi wie Schmiere in einem Getriebe. Sie sorgen dafür, dass die Proteine in der Zellmembran nach rechts und links miteinander interagieren ? also kommunizieren können. Die Proteine in der Zellmembran schwimmen gewissermaßen wie in einem See von Lipiden.? Das heißt, man muss sich die Zellmembranen nicht statisch, sondern eher dynamisch vorstellen. Während einige Proteine fest verankert sind, flotieren andere Proteine freier in der Membran. Aber: ihre Bewegungsfähigkeit hängt eben von der Mobilität der Lipide in der direkten ?Nachbarschaft? ab.

Diese Mobilität ist ans Alter gekoppelt: ?Wir stellen uns das so vor, dass die Lipide beim jungen Organismus so beweglich sind wie Öl. Dementsprechend geschmeidig laufen auch die Kommunikationsprozesse rund um die Zellmembran. Im Lauf der Zeit kann diese Agilität aber mehr und mehr verlorengehen und die Prozesse geraten immer mehr ins Stocken, so dass wir nicht mehr von Öl sprechen können, sondern eher von Schmalz.? Herauszufinden, wo dieser Bewegungsverlust herrührt, ist ein Ziel des Projektbereiches. Ein interessanter Aspekt in diesem Zusammenhang: Dadurch, dass die Lipide ihre Bewegungsfähigkeit mehr und mehr einbüßen, könnte es sein, dass die Zelle weniger angreifbar von außen wird. Sie wird rigider und verschafft sich eventuell dadurch einen Schutz gegen infektiöse Eindringlinge wie Viren oder Bakterien. ?Aber das?, so betont Professor Martin Krönke, ?ist bisher nur eine Hypothese?

Dynamische Entwicklung ? Ausblick in die Zukunft

Um letztlich ein Teil der Ergebnisse auch auf die Übertragbarkeit auf den Menschen überprüfen zu können, wird im Rahmen von CECAD eine Patientendatenbank aufgebaut. ?Diabetiker ist nicht gleich Diabetiker. Da gibt es unwahrscheinlich viele Subtypen, für die wahrscheinlich unterschiedliche Gene verantwortlich sind. Von einer gut sortierten Patientendatenbank erhoffen wir uns, jeder Subgruppe bestimmte Gendefekte zuordnen zu können?, erklärt Professor Jens Brüning.

Nach einer Zukunftsperspektive befragt, antwortet der Koordinator des CECAD zuversichtlich: ?Was wir in den letzten 30 Jahren im Bereich der genetischen Forschung erlebt haben, ist so dynamisch, dass es schwierig ist, für das, was wir jetzt in Köln starten, eine eindeutige Zukunftsprognose abzugeben. Klar ist: unsere Voraussetzungen sind optimal. Wir haben jetzt Menschen mit unterschiedlichen Kenntnissen und Fähigkeiten vor Ort und auch sehr gute technische Möglichkeiten, so dass wir jede Methode optimal nutzen können. Bei der Vielzahl von Fragestellungen und Modellen an denen wir forschen, gehe ich davon aus, dass wir Jahr für Jahr auf mehr Überschneidungen zwischen den verschiedenen Projektbereichen kommen werden. Es würde mich nicht wundern, wenn die unterschiedlichen Ansätze, die wir bezogen auf das Altern verfolgen, viel enger miteinander verwoben sind, als wir momentan glauben.?