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Vorurteile über Bestechlichkeit anderer Nationen befördern Korruption

Studie zeigt, dass die Erwartung, dass Bestechungsgelder angenommen werden, zu mehr Bestechungsversuchen führen. Die tatsächliche Bestechlichkeit von Beamt*innen einer bestimmten Nationalität entsprechen im Experiment jedoch nicht den Erwartungen der Bestechenden. Forschende regen zur Reduzierung von Korruption die Bekämpfung von Vorurteilen an / Veröffentlichung in PNAS

Ob Menschen andere bestechen oder versuchen, sie zu bestechen, hängt davon ab, aus welchem Land das Gegenüber kommt. Die eigene Nationalität spielt hingegen nur eine nachgelagerte Rolle. Das zeigt eine Studie unter Beteiligung dreier Kölner Forschenden: Professor Dr. Bernd Irlenbusch, Mitglied des Exzellenzclusters ECONtribute und des Zentrums für Soziales und Ökonomisches Verhalten (C-SEB), Professor Dr. Andreas Glöckner und Dr. Angela Rachael Dorrough, ebenfalls Mitglieder des C-SEB, sowie Wissenschaftler*innen der Universität Amsterdam und des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung in Berlin. Die Studie ist in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) erschienen.

Mit zunehmender Globalisierung interagieren immer mehr Menschen über Ländergrenzen hinweg. Bisher konzentrierte sich die Verhaltensforschung jedoch vor allem auf die Korruption innerhalb einzelner Länder. Irlenbusch und sein Team untersuchten Korruption nun einer hochkontrollierten, internationalen Umgebung in einem groß angelegten Experiment. Im Rahmen der Studie nahmen rund 6500 Menschen aus 18 Ländern online an einem Bestechungsspiel teil. Sie schlüpften mit ihrer jeweiligen Nationalität in die Rollen von Bürger*innen und Beamt*innen. Die Bürger*innen mussten entscheiden, ob sie eine Lizenz teuer auf offiziellem Wege kauften oder die zuständigen Beamt*innen bestachen, um die Lizenz günstiger zu erhalten und am Ende des Experiments mehr Geld ausgezahlt zu bekommen. Die Beamt*innen konnten das Bestechungsgeld entweder annehmen oder ablehnen.

Insgesamt mussten die Bürger*innen 18 Mal entscheiden, ob sie bestechen – einmal für jede Nation in der Stichprobe. Anschließend sollten sie schätzen, wie wahrscheinlich es ist, dass die Beamt*innen das Bestechungsgeld annehmen. Bei einer weitgehend zutreffenden Einschätzung bekamen sie einen Bonus ausgezahlt. In einem weiteren Schritt tauschten die Teilnehmenden die Rollen. Insgesamt ging es auch darum, dass es der Gesellschaft schadet, Bestechungsgeld anzubieten oder anzunehmen: Für jede erfolgreiche Bestechung spendeten die Forschenden real weniger Geld an eine Nichtregierungsorganisation, die sich für den Kampf gegen den Klimawandel einsetzt.

Das Ergebnis: Bürger*innen aller Nationen boten Beamt*innen aus Ländern mit einem Ruf für Korruption überdurchschnittlich mehr Bestechungsgelder an. Indische Beamt*innen bekamen zum Beispiel fast doppelt so oft Bestechungsgelder angeboten als kanadische. „Unsere Studie zeigt, dass die Nationalität der Interaktionspartner und die damit verbundenen Erwartungen einen größeren Einfluss auf das Anbieten von Bestechungsgeldern haben als die eigene Nationalität“, sagt Bernd Irlenbusch. Allerdings über-, beziehungsweise unterschätzten die Teilnehmenden die Annahmequoten: Beamt*innen aus Ländern mit dem Ruf, korrupt zu sein, ließen sich seltener auf die Bestechungsversuche ein, als die Bürger*innen erwarteten. Gleichzeitig unterschätzten sie, wie häufig sich Beamt*innen aus Ländern, die keinen korrupten Ruf haben, das Geld annahmen. So erwarteten die Teilnehmenden im Schnitt zum Beispiel, dass 42 Prozent der US-Amerikaner*innen in ihrer Rolle als Beamt*innen Bestechungsgelder annehmen würden, während diese tatsächlich in 56 Prozent der Fälle bestechlich waren. Unter russischen Beamt*innen im Spiel lag die Annahmequote mit 33 Prozent deutlich unter dem geschätzten Wert von 47 Prozent.

Die Ergebnisse zeigen ein grundsätzliches Muster menschlichen Verhaltens: „Menschen machen ihr Verhalten häufig davon abhängig, wie sie erwarten, dass es bei anderen üblich ist“, sagt Irlenbusch. Um Korruption international zu bekämpfen, sei es sinnvoll, Vorurteile über die Bestechlichkeit bestimmter Nationen abzubauen.

ECONtribute: Markets & Public Policy

ECONtribute ist der einzige von der DFG geförderte Exzellenzcluster in den Wirtschaftswissenschaften, getragen von den Universitäten in Bonn und Köln. Der Cluster forscht zu Märkten im Spannungsfeld zwischen Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Ziel ist es, Märkte besser zu verstehen und Marktversagen in Zeiten sozialer, technologischer und wirtschaftlicher Herausforderungen – wie zunehmender Ungleichheit, globalen Finanzkrisen und Digitalisierung – mit einer neuen Herangehensweise zu analysieren.

 

Inhaltlicher Kontakt:

Professor Dr. Bernd Irlenbusch

Universität zu Köln, Exzellenzcluster ECONtribute, C-SEB

+49 221 470 1848

bernd.irlenbuschSpamProtectionuni-koeln.de

Presse und Kommunikation:
Carolin Jackermeier
Exzellenzcluster ECONtribute
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Jennifer Mayer
Center for Social and Economic Behavior (C-SEB)
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jennifer.mayerSpamProtectionuni-koeln.de

Veröffentlichung:
https://www.pnas.org/doi/10.1073/pnas.2209731120