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Globale Ernährungssicherheit: Struktur von Weizen-Immunprotein entschlüsselt

Forscher*innen des Max-Planck-Instituts für Pflanzenzüchtungsforschung, der Universität zu Köln und der Chinesischen Akademie der Wissenschaften haben entschlüsselt wie Weizen sich vor einem tödlichen Krankheitserreger schützt / Publikation in „Nature“

Copyright: Alexander Förderer

Das Gen Sr35 schützt den Weizen-Urahnen Einkorn vor Getreideschwarzrost. Das Forschungsteam unter der Leitung von Alexander von Humboldt-Professor Jijie Chai und Professor Dr. Paul Schulze-Lefert von der Universität Köln und des Max-Planck-Instituts für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln sowie Yuhang Chen von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften hat nun die räumliche Struktur des Weizenproteins Sr35 entschlüsselt und entdeckt, dass es einen riesigen Proteinkomplex bei der Abwehr bildet. Dadurch gelang es ihnen zu erklären, wie das Gen Sr35 dem Einkorn die Resistenz gegen den Getreideschwarzrost verleiht. Es ist das erste Mal, dass die Struktur eines Resistoms, also der abwehrende Verbund von bestimmten Proteinen, in einer Nutzpflanze aufgedeckt wurde. Die Studie „A wheat resistosome defines common principles of immune receptor channels“ wurde in Nature veröffentlicht.

Weizen ist eine der wichtigsten Grundlagen für die weltweite Ernährungssicherheit. Er stellt für 40 Prozent der Weltbevölkerung ein Grundnahrungsmittel dar. Der Getreideschwarzrost plagte den Weizenanbau schon seit Jahrtausenden. In den letzten fünfzig Jahren des 20. Jahrhunderts gelang es Landwirt*innen, Züchter*innen und Pflanzenpatholog*innen mit ihrer Arbeit jedoch, dynamische Epidemien in den global wichtigsten Weizenanbauregionen zu verhindern. Leider wurden diese positiven Aussichten 1998 durch das Auftreten einer neuen, hochvirulenten Variante des Getreideschwarzrosts in Uganda erschüttert. Die neue Variante des Getreideschwarzrosts, die Ug99 genannt wird, kann bis zu 80 Prozent der bekannten Weizensorten befallen. Dadurch können vollständige Ernteverluste auf infizierten Feldern entstehen.

Auf der Suche nach Resistenzen gegen neue Krankheitserreger durchforsten Pflanzenwissenschaftler*innen und -züchter*innen häufig das Erbgut von Wildsorten unserer Grundnahrungsmittel nach Genen, die eine wirksame Immunität verleihen. Das Auftreten von Ug99 verlieh solchen Bemühungen besondere Dringlichkeit und führte zur Identifizierung des Gens Sr35. Es schützt den Weizen-Urahnen Einkorn vor Ug99.

Sr35 gehört zu den nucleotide-binding leucine-rich repeat receptors (NLRs) in Pflanzenzellen, die die Anwesenheit von Krankheitserregern aufdecken. Die Immunantwort in der Pflanze wird ausgelöst indem NLRs sogenannte Pathogen-„Effektoren“ erkennen. Effektoren sind kleine Proteine, die von eindringenden Mikroorganismen in die Zellen eingebracht werden, um die Pflanze zu schwächen. Typischerweise erkennt jeder NLR nur einen bestimmten Effektor. 

Wird der Sr35-Rezeptor aktiviert, lagern sich fünf Rezeptoren aneinander. Sie bilden einen großen Proteinkomplex, den die Forscher*innen das „Sr35-Resistosom“ nennen. Solche Resistosomen haben die Fähigkeit als Kanal in der Pflanzenzellmembran zu fungieren, wodurch die Aktivierung starker Immunreaktionen in Gang gesetzt wird. Letztendlich führt dies zum Absterben von Pflanzenzellen am Ort der Infektion – eine Art lokale Selbstaufopferung zum Schutz der restlichen Pflanze.

Die Forschenden synthetisierten sowohl das Protein Sr35 als auch den entsprechenden Ug99-Effektor in Insektenzellen – eine Strategie, die es ihnen ermöglichte, große Mengen von Sr35-Resistosomen zu isolieren. Mit Hilfe der kryogenen Elektronenmikroskopie, einer Technik, bei der die Proben blitzschnell auf extreme Temperaturen abgekühlt werden, lässt sich die räumliche Struktur von riesigen Biomolekülen wie dem Resistosom mit atomarer Auflösung entschlüsseln. „In der räumlichen Struktur des Sr35-Resistosoms konnten wir die Teile des Proteins identifizieren, die für die Erkennung des Ug99-Effektors wichtig sind. Mit diesen Erkenntnissen konnten wir neue NLRs entwickeln“, sagt Dr. Alexander Förderer, der die Studie initiierte und anleitete. „Ich hoffe, eines Tages können solche neuen NLRs Anwendung auf dem Feld finden um Weizensorten gegen Ug99 zu schützen. Unsere Forschung könnte so einen wichtigen Beitrag zur Ernährungssicherheit auf dem Planeten leisten.“

Paul Schulze-Lefert erläutert: „Diese Studie zeigt auch, wie die Natur ein gemeinsames Konstruktionsprinzip verwendet hat, um Immunrezeptoren zu entwickeln. Zugleich evolvierten solche Rezeptoren auf eine Weise, dass sie die Flexibilität beibehalten haben, neue Rezeptor-Varianten zu generieren, welche gegen andere mikrobielle Krankheitserreger wie Viren, Bakterien oder Nematoden immun machen.“

Professor Jijie Chai weist darauf hin, dass die in dieser Studie gewonnenen Erkenntnisse die Möglichkeit eröffnen, die Resistenz von Nutzpflanzen zu verbessern, indem pflanzliche Resistenzproteine entwickelt werden, die eine Reihe verschiedener Pathogeneffektoren erkennen.

Inhaltlicher Kontakt:      
Dr. Alexander Förderer
Postdoc bei AvH Professor Jijie Chai
Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung
foerdererSpamProtectionmpipz.mpg.de

Presse und Kommunikation:
Jan Voelkel
+49 221 470-2356
j.voelkelSpamProtectionverw.uni-koeln.de

Veröffentlichung:
https://www.nature.com/articles/s41586-022-05231-w


Verantwortlich: Dr. Elisabeth Hoffmann – e.hoffmann@verw.uni-koeln.de