Ein Forschungsteam der Universitäten Köln und Potsdam sowie des Max-Planck-Instituts für Züchtungsforschung hat herausgefunden, dass sich die regionalen Linien der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana), einer kleinen Schuttpflanze, die die Straßen Kölns bevölkert, in typischen Merkmalen des Lebenszyklus, wie z. B. der Regulation von Blüte und Keimung, stark unterscheiden. Dadurch können sie ihre Fortpflanzung an lokale Umweltbedingungen wie Temperatur und menschliche Störungen gezielt anpassen. Die Wissenschaftler*innen des Sonderforschungsbereichs / Transregio 341 "Pflanzenökologische Genetik" analysierten unterschiedlicher Pflanzenlinien, die an Standorten in einem relativ kleinen Umkreis im Kölner Süden wuchsen. Dabei fanden sie heraus, dass diese Pflanzen sich in der Regulation von wesentlichen Reaktionen auf die Umwelt stark unterschieden. Weil ungeeignete Linien herausgefiltert werden und nur solche mit für die jeweiligen Umweltbedingungen geeigneten Merkmalen überleben, finden sich so jeweils genetisch angepasste Pflanzen.
"Dieser Prozess, der als "Umweltfilterung" bezeichnet wird, war schon bekannt: Er bestimmt, welche Pflanzenarten sich an spezifischen Standorten etablieren und dort fortbestehen. Es ist faszinierend zu sehen, dass genau derselbe Prozess auch für verschiedene Linien innerhalb einer Art funktioniert", sagt Professorin Dr. Anja Linstädter, die vor kurzem Köln verlassen hat, um Professorin für Biodiversitätsforschung an der Universität Potsdam zu werden. Die Studie wurde unter dem Titet "Environmental filtering of life-history trait diversity in urban populations of Arabidopsis thaliana" im Journal of Ecology veröffentlicht.
Die Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) ist der gängige Modellorganismus in der Pflanzenforschung, an dem die meisten Erkenntnisse der modernen Botanik gewonnen wurden. Die meisten Forschungsarbeiten zu A. thaliana konzentrieren sich auf die Nachkommen eines einzigen Individuums, einer Col-0 genannten Linie. Natürlich kommt die Ackerschmalwand in fast ganz Europa, großen Teilen Asiens und Afrikas vor und Forscher haben gezeigt, dass es eine Vielzahl unterschiedlicher Linien gibt, die regional an die Umweltbedingungen angepasst sind. Aber auch in einem eng begrenzten Raum der Region Köln fand die Forschergruppe von der Universität Köln eine Vielzahl unterschiedlicher Linien. "In unserem Forschungskonsortium arbeiten wir daran zu verstehen, wie sich die im Labor gewonnenen Erkenntnisse in der Natur in den genetisch unterschiedlichen Linien manifestieren", erklärt Professorin Dr. Juliette de Meaux, Sprecherin des SFB TRR 341. "Am Anfang haben wir uns gefragt, ob die Laborlinie Col-0 den in Köln natürlich vorkommenden Linien ähnelt. Aber dann wurde uns klar, wie groß die ökologische Vielfalt in unseren Straßen ist."
Die in dieser Studie untersuchten Pflanzen wurden von Dr. Gregor Schmitz, dem Erstautor der Studie, auf dem Weg zur Arbeit gesammelt. Ihm fiel auf, dass A. thaliana in der Natur an Orten mit sehr unterschiedlichen Umweltbedingungen wuchs. Dazu gehörten Stellen mit geringer Wasser- und Nährstoffversorgung, wie z. B. kleine Pflasterritzen, aber auch stark gestörte Lebensräume, wie häufig gemähte Wiesen an stark befahrenen Straßen. Als die Wissenschaftler*innen die Pflanzengenome sequenzierten, stellten sie fest, dass die städtischen Linien nicht enger miteinander verwandt waren als mit Linien aus einer größeren Region. Innerstädtisch herrscht also eine große genetische Vielfalt.
Zu ihrer Überraschung stellten die Biolog*innen fest, dass es zwischen den A. thaliana-Populationen in Köln große Unterschiede in Bezug auf ihre Lebenszyklusmerkmale gibt, was bisher nur für Linien zwischen weiter entfernten Regionen beschrieben worden war. Diese Unterschiede tragen dazu bei, dass die Pflanzen in Lebensräumen überleben, die sich vor allem darin unterscheiden, wie stark und wie oft sie durch menschliche Aktivitäten wie Unkrautjäten oder Mähen gestört werden. "Mit anderen Worten: Die genetische Vielfalt, die wir in der Stadt vorfinden, ist nicht zufällig verteilt, sondern entspricht den spezifischen Unterschieden in der städtischen Umwelt", sagt Schmitz.
Wie viele andere Pflanzen nutzen die meisten Linien der Ackerschmalwand Kälte, um den Zeitpunkt der Blüte zu regulieren. Auf diese Weise stellt sie sicher, dass die Blüte nicht mitten im Winter stattfindet. In den Straßen von Köln fanden die Wissenschaftler*innen sowohl A. thaliana-Linien, die Kälte zur Regulierung des Blühzeitpunkts nutzen, aber auch solche, die dies nicht tun: Sie blühen sehr schnell nach der Keimung. Außerdem entdeckte das Team einige Linien, deren Samen ihre Keimfähigkeit vorübergehend verlieren, wenn sie ein paar Tage lang hohen Temperaturen ausgesetzt sind, sowie Linien, deren Samen bei Hitze nicht ruhen. "Die verschiedenen Linien können also sehr unterschiedliche Lebenszyklen aufweisen", so de Meaux. "Einige sind sehr schnell, brauchen keine Keimruhe und keine Kälte vor der Blüte, andere sind langsamer, haben eine hohe Fähigkeit zur Keimruhe und Kälte ist eine Voraussetzung für die Blüte. Eine solche Vielfalt auf einer so kleinen Fläche war überraschend, aber am bewundernswertesten war es, zu sehen, dass sie mit dem Gradienten der Umweltstörungen in unseren Straßen übereinstimmt."
Die Wissenschaftler*innen werden weiter untersuchen, wie die Umweltheterogenität bestimmte genetische Varianten von städtischen Arabidopsis thaliana-Pflanzen in Köln selektiert.
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Professor Dr Juliette de Meaux
Institut für Pflanzenforschung, Universität zu Köln
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Veröffentlichung:
https://besjournals.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/1365-2745.14211