Glücksspieler verlassen sich bei ihrem Streben nach maximaler Belohnung weniger auf die Erkundung neuer, aber potentiell besserer Strategien, und mehr auf bewährte Handlungsoptionen, die schon in der Vergangenheit zum Erfolg geführt haben. Eine wichtige Rolle könnte hierbei der Neurotransmitter Dopamin im Gehirn spielen. Das hat eine Studie aus der Biologischen Psychologie an der Humanwissenschaftlichen Fakultät von Professor Dr. Jan Peters und Dr. Antonius Wiehler gezeigt. Die Studie ist unter dem Titel „Attenuated directed exploration during reinforcement learning in gambling disorder“ in der Fachzeitschrift Journal of Neuroscience der Society for Neuroscience erschienen.
Die Glücksspielstörung betrifft etwas weniger als ein Prozent der Bevölkerung – häufig Männer – und weist Ähnlichkeiten zu Substanzgebrauchsstörungen auf. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vermuten, dass diese Störung, wie andere Abhängigkeitserkrankungen, mit einer Veränderung im Dopaminsystem einhergeht. Das Belohnungssystem des Gehirns schüttet während des Glücksspiels den Botenstoff Dopamin aus. Da Dopamin unter anderem für Handlungsplanung und -kontrolle wichtig ist, könnte sich dies auch auf strategische Lernprozesse auswirken.
„Die Glücksspielstörung ist unter anderem deshalb von großem wissenschaftlichen Interesse, da hier eine Abhängigkeitserkrankung vorliegt, die nicht mit einer bestimmten Substanz verbunden ist“, sagt Professor Dr. Jan Peters, einer der Leiter der Studie. Die Psychologen untersuchten, wie Glücksspieler ihre Handlungen planen, um Belohnungen zu maximieren – wie ihr Belohnungslernen („reinforcement learning“) funktioniert. In der Studie mussten die Studienteilnehmer abwägen, ob sie eher bereits erprobte oder neue Optionen wählen, um so viel wie möglich zu gewinnen. Gleichzeitig maßen die Wissenschaftler mittels der funktionellen Magnetresonanztomographie die Aktivität in Gehirnregionen, die für die Verarbeitung von Belohnungsreizen und für die Handlungsplanung wichtig sind.
Dreiundzwanzig regelmäßige Glücksspieler und dreiundzwanzig Kontrollpersonen (alle männlich) führten eine sogenannte „four-armed bandit task“ durch. Die Bezeichnung dieser Art von Aufgabe zur Untersuchung der Entscheidungsfindung bezieht sich auf Münzspielautomaten, die umgangssprachlich auch als „einarmiger Bandit“ (one-armed bandit) bekannt sind. Probanden entscheiden sich hier in jedem Durchgang zwischen vier Optionen („four-armed bandit“, in diesem Fall vier farbige Vierecke), deren Gewinne sich langsam verändern. Hierbei können verschiedene Strategien eine Rolle spielen. Zu Beispiel kann diejenige Option gewählt werden, die zuletzt den höchsten Gewinn erbracht hat. Es kann aber auch diejenige Option gewählt werden, deren Gewinnaussicht am unsichersten ist. Hier ist der Informationsgewinn maximal. Letzteres wird auch als zielgerichtete Exploration bezeichnet.
Beide Gruppen gewannen etwa gleich hohe Geldbeträge und zeigten zielgerichtete Exploration. Diese war jedoch in der Gruppe der Glücksspieler deutlich geringer ausgeprägt als in der Gruppe der Kontrollprobanden. Diese Ergebnisse zeigen, dass Glücksspieler sich beim Belohnungslernen weniger an sich verändernde Umgebungen anpassen. Auf neuronaler Ebene zeigten Glücksspieler Veränderungen in einem Netzwerk aus Hirnregionen, das schon in früheren Studien mit zielgerichteter Exploration in Verbindung gebracht wurde.
In einer früheren Studie der Kölner Wissenschaftler hatte eine pharmakologische Steigerung des Dopaminspiegels bei gesunden Probanden einen sehr ähnlichen Effekt auf das Verhalten. „Obwohl dies darauf hindeutet, dass Dopamin auch bei der Reduktion in der zielgerichteten Exploration bei Glücksspielern eine Rolle spielen könnte, muss dieser Zusammenhang in zukünftigen Studien noch direkt untersucht werden“, erläutert Dr. Antonius Wiehler.
Weitere Forschung muss auch klären, ob die beobachteten Veränderungen im Entscheidungsverhalten bei Glücksspielern ein Risikofaktor für, oder aber eine Konsequenz von regelmäßigem Glücksspiel sind.
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