Eine neue Studie zeigt zum ersten Mal einen Zusammenhang zwischen einem mitochondrialen Stoffwechselprodukt und dem Beginn einer Entzündung auf. Mitochondrien sind Funktionseinheiten unserer Zellen, die wichtige Aufgaben für das reibungslose Funktionieren der Zelle erfüllen. Eine dieser Aufgaben ist die Bereitstellung von Bausteinen, die für das Wachstum und die Vermehrung der Zelle erforderlich sind. Wenn bestimmte chemischen Reaktionen, die im Mitochondrium stattfinden, nicht ordnungsgemäß ablaufen, kommt es zu Krankheiten. So verursachen beispielsweise Defekte der Fumarat-Hydratase (FH) im Krebszyklus, einem der wichtigsten Stoffwechselreaktionen im Mitochondrium, beim Menschen eine aggressive Form von Nierenkrebs. Der Verlust der FH führt zur Anhäufung des Moleküls Fumarat, das zur Krebsentstehung beiträgt. Aus diesem Grund wird Fumarat als onkogenes Metabolit, oder kurz "Onkometabolit" bezeichnet.
Die Forschungsgruppe von Alexander von Humboldt Professor Dr. Christian Frezza, die früher an der Universität Cambridge (Vereinigtes Königreich) und jetzt am Exzellenzcluster für Alternsforschung CECAD der Universität zu Köln tätig ist, hat nun zusammen mit der Arbeitsgruppe um Dr. Julien Prudent von der Universität Cambridge ein neues Maus- und Zellmodell entwickelt, um das Verständnis vom aggressiven Nierenkrebs zu vertiefen. In den Modellen kann das Abschalten des Fumarat-Hydratase-Gens von Forschenden zeitlich kontrolliert werden. Mit Hilfe einer Kombination von hochauflösenden Bildgebungsverfahren und präzisen biochemischen Experimenten haben die Wissenschaftler*innen gezeigt, dass Fumarat die Mitochondrien schädigt. Das setzt wiederum deren genetisches Material in kleinen Bläschen, den so genannten mitochondrialen-derived vesicles, frei. Diese Bläschen gefüllt mit mitochondrialer DNA (mtDNA) und RNA (mtRNA) lösen eine Immunreaktion aus, die schließlich zu einer Entzündung führt. Die Studie mit dem Titel „Fumarate induces vesicular release of mtDNA to drive innate immunity“ wurde in Nature veröffentlicht.
„Unsere Studie zeigt zum ersten Mal einen Zusammenhang zwischen einem mitochondrialen Stoffwechselprodukt und dem Beginn einer Entzündung auf, die die Grundlage für Krebs und verschiedene Autoimmunkrankheiten sein könnte“, so Frezza. „Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse können wir nun neue Ansätze zur Behandlung der Patienten erarbeiten, die hoffentlich in Zukunft zur Entwicklung neuer therapeutischer Strategien zur Behandlung der Krebspatienten führen werden.“
Zusätzlich hat eine Gruppe am Trinity Biomedical Sciences Institute in Dublin unter der Leitung von Prof. Luke O'Neill in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe um Christian Frezza einen ähnlichen Mechanismus in Makrophagen beschrieben. Makrophagen sind Zellen des Körpers, die für die Beseitigung von schädlichen Mikroben zuständig sind. Hier fanden die Forschenden heraus, dass die von den Mitochondrien der Makrophagen freigesetzte mitochondriale RNA und nicht die DNA der Hauptauslöser der Entzündung ist. Die Studie "Macrophage fumarate hydratase restrains mtRNA-mediated interferon production" wurde ebenfalls in der Zeitschrift Nature veröffentlicht.
Die Forschungsarbeiten wurden an der University of Cambridge sowie am CECAD-Exzellenzcluster für Alternsforschung der Universität zu Köln durchgeführt. Sie wurde von Cancer Research UK, dem European Research Council, der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), der Alexander von Humboldt-Stiftung sowie dem Medical Research Council finanziert. Die gemeinschaftliche Forschung wurde im Labor von Luke O'Neill am Trinity Biomedical Sciences Institute in Dublin, Irland, durchgeführt.
Inhaltlicher Kontakt:
Professor Dr. Christian Frezza
Exzellenzcluster für Alternsforschung CECAD der Universität zu Köln
+49 221 478 84308
christian.frezza@uni-koeln.de
Presse und Kommunikation:
Dr. Anna Euteneuer
+49 221 470 1700
a.euteneuerverw.uni-koeln.de
Veröffentlichung:
Fumarate induces vesicular release of mtDNA to drive innate immunity
https://www.nature.com/articles/s41586-023-05770-w
Macrophage fumarate hydratase restrains mtRNA-mediated interferon production
https://www.nature.com/articles/s41586-023-05720-6