Unter Federführung der Universität zu Köln haben Geologen Hinweise dafür gefunden, dass ein Großteil der für die Entstehung von Ozeanen und dem Leben wichtigen Elemente wie Wasser, Kohlenstoff und Stickstoff dem Planeten Erde in seiner Geschichte erst sehr spät hinzugefügt wurden. Dies widerlegt die häufige Annahme, dass diese Elemente bereits zu Beginn des Wachstums der Erde vorhanden waren. Das meiste Wasser kam vielmehr erst auf die Erde, als diese sich schon fast komplett gebildet hatte. Das gemeinsam mit Kollegen aus Dänemark, England, Australien und Japan hervorgebrachte Ergebnis wurde unter dem Titel „Ruthenium isotope vestige of Earth’s pre-late veneer mantle preserved in Archean rocks“ in Nature veröffentlicht.
Dass flüchtige Elemente wie Wasser von wasserhaltigen Planetenbausteinen, sogenannten Asteroiden, abstammen, die sich im äußeren Sonnensystem gebildet haben, ist allgemein anerkannt. Der genaue Zeitpunkt, an dem sie auf die Erde gelangten, wird jedoch unter Fachexperten kontrovers diskutiert. „Wir konnten diese zeitliche Frage jetzt genauer eingrenzen“, sagt Erstautor Dr. Mario Fischer-Gödde vom Institut für Geologie und Mineralogie der Universität zu Köln. „Dafür haben wir die Zusammensetzung der ältesten, ca. 3,8 Milliarden Jahre alten Erdmantelgesteine, – aus dem Erdzeitalter des Archaikums –, mit der Zusammensetzung der Asteroiden, aus denen er entstanden ist, und mit der Zusammensetzung des heutigen Erdmantels verglichen.“
Um den zeitlichen Prozess nachvollziehen zu können, bestimmten die Forscher die Isotopenhäufigkeiten des im archaischen Erdmantel enthaltenen, sehr seltenen Platinmetalls namens Ruthenium. Ruthenium eignete sich für Fischer-Gödde und das Team deshalb als Referenz, weil das seltene Platinmetall wie ein genetischer Fingerabdruck einen geeigneten Indikator für die späte Wachstumsphase der Erde darstellt. „Platinmetalle wie Ruthenium haben eine extrem hohe Tendenz, sich mit Eisen zu verbinden. Bei der Bildung der Erde muss Ruthenium daher vollständig in den metallischen Erdkern abgeführt worden sein“, sagt Fischer-Gödde. Professor Dr. Carsten Münker ergänzt: „Wenn wir im Erdmantel noch Spuren der seltenen Platinmetalle finden, zeigt das, dass sie dem Erdmantel erst nach Abschluss der Kernbildung zugeführt wurden – also durch spätere Kollisionen der Erde mit Asteroiden oder kleineren Planetesimalen.“
Diese mit den Kollisionen hinzugefügten sehr späten Bausteine der Erde bezeichnen die Wissenschaftler als „Late Veneer“. Wurde Ruthenium in dieser Phase zugeführt, so liegt es verteilt und gut vermischt im heutigen Erdmantel vor. Der alte archaische Erdmantel weist dagegen noch nahezu die Ursprungszusammensetzung auf, wie etwa an den Probenahmestellen des Forschungsteams in Grönland. „Die bis zu 3,8 Milliarden Jahre alten Gesteine aus Grönland sind die ältesten erhaltenen Mantelgesteine. Sie erlauben uns, wie durch ein Fenster in die Frühgeschichte der Erde zu sehen“, berichtet Fischer-Gödde. Der älteste Erdmantel liegt im Südwesten Grönlands offen an der Oberfläche, sodass dort Gestein direkt entnommen werden konnte.
Das hier untersuchte Ruthenium stamme höchstwahrscheinlich aus dem inneren Teil des Sonnensystems, berichten die beiden Kölner Geologen. Es sei vermutlich dasselbe Material, aus dem Merkur und Venus überwiegend gebildet wurden. Die Ruthenium-Vergleichswerte der Asteroiden stammten von auf der Erde gefundenen Meteoriten.
„Unsere neuen Ergebnisse legen insbesondere nahe, dass Wasser und andere flüchtige Elemente wie Kohlenstoff und Stickstoff in der Tat erst sehr spät mit der Phase des ‚Late Veneer‘ auf die Erde gelangt sind“, so das Fazit von Fischer-Gödde. Dieses Ergebnis sei überraschend, weil die Fachgemeinde bisher davon ausgegangen war, dass wasserhaltige Planetenbausteine der Erde bereits während der Frühzeit ihrer Entstehung zugeführt wurden.
Im Rahmen des DFG-geförderten und in Köln koordinierten Schwerpunktprogramms 1833 „Building a Habitable Earth“ sind für weitere Gesteinsuntersuchungen bereits Geländeaufenthalte in Indien und Grönland geplant. Die an der Uni Köln durchgeführten Forschungsarbeiten wurden zudem durch den ERC-Grant von Professor Münker, „Infant Earth“, gefördert.
Inhaltlicher Kontakt:
Dr. Mario Fischer-Gödde
Institut für Geologie und Mineralogie
+49 221 470-89830
mfisch48uni-koeln.de
Prof. Dr. Carsten Münker
Institut für Geologie und Mineralogie
+49 221 470-3198
c.muenkeruni-koeln.de
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Jan Voelkel
+49 221 470-2356
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Zur Veröffentlichung:
https://www.nature.com/articles/s41586-020-2069-3