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Tiefe Einblicke in die Arktis von morgen

Interdisziplinäre Ergebnisse der MOSAiC-Expedition veröffentlicht / Institut für Geophysik und Meteorologie der Universität zu Köln mit neuartigem Millimeterwellen-Radiometer (MiRAC-P) an Bord der Polarstern beteiligt, um neue Referenzdaten zu gewinnen

Hunderte von internationalen Forscher:innen analysieren derzeit die Beobachtungen der einjährigen MOSAiC-Expedition, während der Hunderte von Umweltparametern mit bisher unerreichter Genauigkeit und Häufigkeit über einen vollen Jahreszyklus im zentralen Arktischen Ozean aufgezeichnet wurden. In der Fachzeitschrift Elementa wurden nun drei Übersichtsartikel über die MOSAiC-Programme für Atmosphäre, Schnee und Meereis sowie Ozean veröffentlicht, in denen die Bedeutung einer gemeinsamen Betrachtung aller Komponenten des Klimasystems hervorgehoben wird. Diese Ergebnisse liefern das erste vollständige Bild der Klimaprozesse in der zentralen Arktis, die sich mehr als doppelt so schnell erwärmt wie der Rest des Planeten – Prozesse, die Wetter und Klima weltweit beeinflussen.

Der Rückgang des Meereises ist ein Symbol für die anhaltende globale Erwärmung: In der Arktis hat sich seine Ausdehnung im Sommer seit Beginn der Satellitenaufzeichnungen in den 1980er Jahren fast halbiert. Weniger gut untersucht, aber ebenso relevant sind die Dicke und andere Eigenschaften des Eises. Die Frage, was dies für die zukünftige Arktis bedeutet und wie sich diese Veränderungen auf das globale Klima auswirken werden, war der Anstoß für die historische MOSAiC-Expedition mit dem deutschen Forschungseisbrecher Polarstern von September 2019 bis Oktober 2020. Mit den nun vorliegenden Ergebnissen erstellen die Forschenden das vollständigste beobachtungsbasierte Bild der Klimaprozesse in der Arktis, wo die Oberflächentemperatur der Luft seit den 1970er Jahren mehr als doppelt so schnell ansteigt wie auf dem Rest der Erde.

Um die relevanten Prozesse ein ganzes Jahr lang zu untersuchen, war ein besonderes Konzept erforderlich, auch weil der zentrale Arktische Ozean im Winter noch eisbedeckt und daher schwer zugänglich ist. Während der Expedition fror der Eisbrecher an einer großen Eisscholle fest und driftete mit der natürlichen transpolaren Drift über den Arktischen Ozean. Und hier gab es die ersten Überraschungen. „Wir fanden dynamischeres und schneller driftendes Packeis vor als erwartet. Das forderte nicht nur die Teams vor Ort in ihrer täglichen Arbeit heraus, sondern führte vor allem zu veränderten Meereiseigenschaften und Meereisdickenverteilungen“, berichtet Dr. Marcel Nicolaus, Meereisphysiker am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) und Co-Leiter des Team Ice im MOSAiC-Projekt.

Warum sich die Arktis so viel schneller erwärmt als der Rest des Globus ist noch nicht vollständig geklärt – ein möglicher Grund könnte die Rolle des Wasserdampfs sein. „Leider können wir den Wasserdampf in der zentralen Arktis vom Satelliten aus nicht mit ausreichender Genauigkeit messen, um seinen Einfluss zu beurteilen“, sagt Dr. Kerstin Ebell von der Universität zu Köln. Deshalb hat die Universität zu Köln ein neuartiges Millimeterwellen-Radiometer (MiRAC-P) an Bord der Polarstern betrieben, um neue Referenzdaten zu gewinnen. „Unsere Messungen zeigen die enorme Variabilität des Wasserdampfes in der Arktis und insbesondere die sehr geringen Mengen während der Polarnacht. Dies wird dazu beitragen, die Satellitenschätzungen zu verbessern“, sagt Ebell.

Eine weitere wichtige Komponente des arktischen atmosphärischen Systems sind lang anhaltende Mischphasenwolken. „Was die arktischen Mischphasenwolken über mehrere Tage am Leben erhält und wie viel Niederschlag mit ihnen verbunden ist, ist noch immer nicht vollständig geklärt“, sagt Dr. Mario Mech von der Universität Köln, der an der Flugzeugkampagne MOSAiC-ACA beteiligt war. Im Rahmen dieser Kampagne wurde das Forschungsflugzeug Polar 5 in der Abflussregion des MOSAiC-Arktischen Ozeans nordwestlich von Spitzbergen eingesetzt und mit verschiedenen Fernerkundungs- und Messinstrumenten ausgestattet, darunter das MiRAC-A-Radar und das HATPRO-Radiometer des Instituts für Geophysik und Meteorologie der Universität zu Köln.

Die drei Übersichtsartikel dienen als Referenz für eine Vielzahl von zukünftigen wissenschaftlichen Arbeiten. „Die physikalischen Beobachtungen sind die Grundlage für die Interpretation von biogeochemischen Kreisläufen und Ökosystemprozessen sowie für die Unterstützung von gekoppelten Modellen, die wir nutzen, um noch mehr über Klima-Rückkopplungen und die globalen Auswirkungen des arktischen Wandels zu erfahren. Diese Veränderungen können Wetter und Klima weltweit beeinflussen“, sagt Professor Dr. Markus Rex, Leiter von MOSAiC und Atmosphärenforscher am AWI. „Es ist faszinierend, wie genau wir einzelne Prozesse abbilden und in Beziehung zueinander setzen können. Es freut mich zu sehen, wie mehrere hundert MOSAiC-Teilnehmer an diesen Publikationen mitgewirkt haben. Die internationale Zusammenarbeit mit Expeditionsteilnehmern aus so vielen Ländern läuft auch nach mehr als einem Jahr produktiv und gut koordiniert weiter. Auf diese Weise können wir immer mehr wichtige Erkenntnisse über den Klimawandel liefern, die eine Wissensbasis für einen gesellschaftlichen Wandel hin zu einem nachhaltigen Umgang mit dem Planeten Erde darstellen.“


Inhaltlicher Kontakt:
Dr. Kerstin Ebell
Institut für Geophysik und Meteorologie der Universität zu Köln
+49 221 470-3691
kebellSpamProtectionmeteo.uni-koeln.de

Presse und Kommunikation:
Eva Schissler
+49 221 470 4030
e.schisslerSpamProtectionverw.uni-koeln.de

Publikationen:
https://doi.org/10.1525/elementa.2021.000046  
https://doi.org/10.1525/elementa.2021.00060
https://doi.org/10.1525/elementa.2021.00062