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Seltene Gänsekresse-Arten schützen sich in den Rheinauen womöglich selbst vor dem Aussterben

Wissenschaftler:innen haben in den Rheinauen eine Gänsekresseart gefunden, die sich mit einer anderen, eng verwandten Art kreuzt und dadurch vor dem Aussterben bewahrt werden könnte / Veröffentlichung in „Molecular Biology and Evolution“

In den Rheinauen in der Nähe von Mainz kreuzen sich zwei verschiedene Gänsekressenarten. Dies führt zu einer Mischpopulation mit höherer genetischer Vielfalt, in der sich aus einem Patchwork der beiden Populationen eine Art „Super-Genotyp“ herausbilden könnte, der das Überleben der beiden Arten sichert. Das ist das Ergebnis einer Rekonstruktion der Entwicklungsgeschichte der Gänsekressepopulation der Kölner Biolog:innen Professorin Dr. Juliette de Meaux und Dr. Hannes Dittberner, zusammen mit ihrem Kollegen Professor Dr. Aurélien Tellier von der Technischen Universität München. Die Ergebnisse ihrer Forschung sind in dem Artikel „Approximate Bayesian computation untangles signatures of contemporary and historical hybridization between two endangered species“ in der Fachzeitschrift Molecular Biology and Evolution veröffentlicht.

Die Wissenschaftler:innen untersuchten zunächst in den Rheinauen bei Riedstadt (Hessen) die genetischen Merkmale einer Restpopulation der gefährdeten Gänsekresse-Art Arabis nemorensis, die auf Auenwiesen wächst, aber aufgrund von Landwirtschaft und Flussbewirtschaftung fast verschwunden ist. „Unser Ziel war es herauszufinden, wie vielfältig die Art in ihren Genen ist, um die Chancen abschätzen zu können, ob die verlorenen Populationen wieder aufgebaut werden können“, erläutert Juliette de Meaux vom Institut für Pflanzenwissenschaften der Universität zu Köln. „Dabei haben wir entdeckt, dass es in dieser Restpopulation am Rhein nicht nur eine Art gibt, sondern noch eine damit eng verwandte weitere Art, Arabis sagittata, die üblicherweise gar nicht in Flussauen wächst.“ Die Forschenden fanden weiter heraus, dass die beiden Arten nicht nur lokal gemeinsam vorkommen, sondern dass sie sich sogar untereinander kreuzen. Die genetische Vielfalt der Hybride könnte das Überleben von Arabis nemorensis sichern.

Die Kölner Wissenschaftler:innen rekonstruierten die Geschichte der Gänsekresse-Population mithilfe von Populationsmodellen und Methoden des maschinellen Lernens in Zusammenarbeit mit Aurélien Tellier in München. Dabei verglichen Sie die genetischen Merkmale der heute vorgefundenen Pflanzen mit der in verschiedenen Modellen erwarteten Vielfalt. Sie fanden bei ihrer Untersuchung Belege dafür, dass sich die beiden Gänsekresse-Arten bereits in der fernen Vergangenheit gekreuzt hatten. Vor etwa 10.000 Jahren gab es dann allerdings einen Zeitraum, in dem keine Kreuzung stattgefunden hat. „Der Ansatz des maschinellen Lernens hat außerdem gezeigt, dass es nur einen einzigen Ort gibt, an dem sich die beiden Gänsekresse-Arten kreuzen: die Rheinauen bei Riedstadt. Die Population wächst auf einer Fläche, die nur so groß ist wie ein paar Basketballfelder. An diesem Standort könnte sich etwas Einzigartiges entwickeln. Daher beobachten wir die Entwicklung jetzt sehr genau“, sagt de Meaux abschließend und fügt hinzu: „Der Grundstein für diese Arbeit wurde von einem Team von Ökologen um Professor Dr. Norbert Hölzel gelegt, einem Kollegen von der Universität Münster. Ich schätze mich glücklich, dass er uns in dieses faszinierende Ökosystem eingeführt hat.“


Inhaltlicher Kontakt:
Professorin Dr. Juliette de Meaux
Institut für Pflanzenwissenschaften
+49 221 470-8213
jdemeauxSpamProtectionuni-koeln.de

Presse und Kommunikation:
Mathias Martin
+49 221 470-1705
m.martinSpamProtectionverw.uni-koeln.de

Publikation:
https://academic.oup.com/mbe/advance-article/doi/10.1093/molbev/msac015/6516021