Ein Team von Biologen hat gezeigt, dass Verticillium dahliae, ein pathogener Pilz verschiedener Pflanzen, ein Effektormolekül absondert um das Mikrobiom seines Wirts anzugreifen und so den Befall zu begünstigen. Die Arbeit wurde von der Arbeitsgruppe um Alexander von Humboldt-Professor Dr. Bart Thomma an der Universität zu Köln (UzK) im Rahmen des Exzellenzclusters für Pflanzenforschung CEPLAS durchgeführt. Dabei kooperierten die Kölner Forscher mit dem Team um Dr. Michael Seidl von der Theoretical Biology & Bioinformatics group der Universität Utrecht in den Niederlanden. Die Studie „An ancient antimicrobial protein co-opted by a fungal plant pathogen for in planta mycobiome manipulation“ ist in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) erschienen.
Mittlerweile ist wissenschaftlich erwiesen, dass das Mikrobiom eines Organismus – die Gesamtheit der in und auf ihm lebenden Bakterien und weiteren Mikroben – eine wichtige Komponente seiner Gesundheit ist. Bei Menschen und anderen Tieren haben bestimmte Mikroben, die den Darm und die Haut besiedeln, positive Auswirkungen. Dies gilt in ähnlicher Weise auch für Pflanzen. Weiterhin ist bekannt, dass Pflanzen nützliche Mikroben aus ihrer Umgebung – zum Beispiel aus dem Boden rund um die Wurzeln – „rekrutieren“ können damit sie ihnen helfen, Krankheiten zu widerstehen.
An der UzK stellten Dr. Nick Snelders und Erstautor der Studie Professor Dr. Bart Thomma zunächst eine Hypothese auf: Wenn Pflanzen in der Lage sind, „Helfer“ zu rekrutieren, haben einige Krankheitserreger vielleicht „gelernt“, diesen Hilferuf zu unterbinden und das Mikrobiom der Pflanze anzugreifen, um die Besiedelung zu begünstigen. Neben der direkten Unterdrückung der Immunreaktionen des Pflanzenwirts können diese Krankheitserreger also auch indirekt dessen Abwehrkräfte angreifen, indem sie das gesunde Mikrobiom der Pflanze stören.
Der Pilz Verticillium dahliae ist ein bekannter Schädling vieler Pflanzen, darunter Gewächshauskulturen wie Tomaten und Salat, aber auch von Olivenbäumen, Zierbäumen und -blumen, Baumwolle und Kartoffeln. Die aktuelle Studie zeigt, dass der Pilz das antimikrobielle Protein VdAMP3 ausschüttet, das als „Effektor“ das Mikrobiom der Pflanze manipuliert.
Im Allgemeinen richten sich Effektormoleküle gegen Teile des Immunsystems eines Wirts, um sie zu unterdrücken. Die Autoren beobachteten diesen Prozess nun beim Mikrobiom der Modellpflanze: Während der Besiedlung des Wirts durch Verticillium dahliae unterdrückt das VdAMP3-Molekül nützliche Organismen im Mikrobiom der Pflanze, was zu einer Störung des Mikrobioms, oder „Dysbiose“, führt. So kann der Pilz seinen Lebenszyklus vollenden und Nachkommen produzieren, die sich ausbreiten und neue Infektionen auslösen.
„Das abgesonderte Molekül ist evolutionär gesehen sehr alt. Homologe kommen auch in Organismen vor, die nicht pathogen für Pflanzen sind“, sagte Thomma. „Es sieht so aus, als ob Verticillium dahliae das Molekül ‚benutzt‘ hat, um es während des Prozesses der Krankheitsentwicklung auf dem Wirt ‚auszunutzen‘. Interessanterweise wirkt das Molekül aber nicht wie ein Breitband-Antibiotikum, das sich gegen jede Mikrobe richtet, sondern speziell gegen ‚konkurrierende‘ Pilze, die Verticillium dahliae bei der Ausbreitung stören können.
Zunächst wollten die Forscher herausfinden, ob Verticillium dahliae über Effektoren in seinem Arsenal verfügt, die antimikrobielle Wirkung haben. Sie testeten verschiedene Kandidaten im Labor auf ihre Fähigkeit, das Wachstum von ausgewählten Mikroben zu hemmen. VdAMP3 war ein Molekül unter diesen potentiellen Kandidaten. Spätere Experimente zeigten, dass sich ohne den Effektor andere Pilzarten – oder Antagonisten – vermehren konnten und Verticillium daran hinderten, seine Reproduktionsstrukturen auszubilden. VdAMP3 ist hauptsächlich in den späteren Phasen der Krankheit aktiv, wenn Verticillium neue Reproduktionsstrukturen bilden muss, um neue Wirte zu befallen. Doch es ist nicht das erste Molekül dieser Art, das die Wissenschaftler identifiziert haben: Vor einem Jahr entdeckten sie ein Molekül, das nicht wie VdAMP3 konkurrierende Pilze angreift, sondern Bakterien.
Thomma führt aus: „Zusammengenommen zeigen diese Ergebnisse, dass Erreger in verschiedenen Krankheitsstadien unterschiedliche Moleküle nutzen, um das gesunde Mikrobiom eines Wirts zu manipulieren und die Besiedelung zu begünstigen. Daher ist es wichtig, über die ‚binäre Interaktion‘ zwischen Krankheitserreger und Wirt hinauszublicken, wenn wir Krankheiten verstehen wollen. Vielmehr müssen wir das gesamte Mikrobiom des Wirts berücksichtigen und ihn als ‚Holobionten‘ verstehen – als ökologische Einheit aus Wirt und allen in und auf ihm lebenden Organismen.“
Langfristig soll ein besseres Verständnis dieser Mechanismen dazu beitragen, widerstandsfähigere Pflanzen und bessere Strategien für den Pflanzenschutz zu entwickeln. Angesichts einer wachsenden Weltbevölkerung, begrenzter Anbauflächen und der Notwendigkeit, die Umweltbelastung und -verschmutzung zu reduzieren, wollen die Pflanzenwissenschaften langfristig landwirtschaftliche Erträge steigern und gleichzeitig die Umweltbelastung minimieren. „Das Wissen über die Effektormoleküle, mit deren Hilfe pathogene Pilze Nutzpflanzen infizieren, könnte neue Möglichkeiten des Schutzes vor ihnen eröffnen“, sagt Dr. Snelders.
In zukünftigen Studien wollen die Autoren weitere Effektorproteine mit selektiver antimikrobieller Aktivität finden – von Verticillium, aber auch von anderen Krankheitserregern, die andere Infektionsstrategien verfolgen. „Zu entschlüsseln, wie diese Moleküle funktionieren und wie sie die eine Mikrobe hemmen, während sie die andere nicht beeinträchtigen, ist wichtig. Dadurch könnten neue Mechanismen zur gezielten Bekämpfung von Mikroben entdeckt werden, was letztendlich sogar zur Entwicklung neuartiger Antibiotika führen könnte“, schließt Snelders.
Im Exzellenzcluster für Pflanzenforschung CEPLAS forschen Wissenschaftler:innen der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, der Universität zu Köln, des Max-Planck-Instituts für Pflanzenzüchtungsforschung Köln und des Forschungszentrums Jülich. CEPLAS-Arbeitsgruppen entwickeln innovative Strategien für eine nachhaltige Pflanzenproduktion. Mit großzügiger Finanzierung durch die Alexander von Humboldt-Stiftung im Rahmen seiner Humboldt-Professur konzentriert sich Bart Thommas Arbeitsgruppe, die kürzlich von der Universität Wageningen in den Niederlanden an die Universität zu Köln gewechselt ist, auf die Identifizierung von Mechanismen, die der Pathogenität von Pilzen auf Pflanzenwirten zugrunde liegen.
Die Arbeitsgruppe Theoretische Biologie & Bioinformatik der Universität Utrecht nutzt computergestützte Biologie, Bioinformatik, Modellierung und Big Data, um sowohl grundlegende als auch angewandte Fragen in den Biowissenschaften zu beantworten. Dr. Seidls Gruppe „Fungal Evolutionary Genomics“ konzentriert sich auf Genomevolution und -funktion um zu verstehen, wie sich Pilze entwickeln und sowohl auf kurzen als auch auf langen evolutionären Zeitskalen an neue oder veränderte Umgebungen anpassen.
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