Wissenschaftler:innen der Kölner Sozial- und Medienpsychologie haben erforscht, in welchen Online-Kontexten Menschen zu einer idealisierten Selbstdarstellung neigen. Die Ergebnisse zeigen, dass es gerade bei psychologischen Eigenschaften eine deutliche Neigung gibt, dem eigenen virtuellen Abbild idealisierte Attribute zuzuweisen. Die Arbeit „Self-representation through avatars in digital environments“, wurde in der Fachzeitschrift Current Psychology veröffentlicht.
Das Internet ermöglicht es, dass Menschen ihre physischen und psychologischen Eigenschaften in einem Ausmaß präsentieren, welches nicht mit der Realität übereinstimmt. Eine Forschungsgruppe um den Kölner Psychologen Professor Dr. Dr. Kai Kaspar stellte sich die Frage, ob und in welchen Handlungskontexten Menschen zu einer idealisierten Selbstdarstellung neigen. Für die vorliegende Studie wurden 568 Personen in einem Online-Experiment zufällig einem von sechs Online-Handlungskontexten zugewiesen: Online-Dating Plattform, kompetitives Online-Gaming, kooperatives Online-Gaming, Social Network mit Freunden, Social Network mit Fremden, Social Network mit Job-Kontakten.
Die Personen mussten physische und demografische sowie psychologische Attribute angeben, und zwar einmal für ihr tatsächliches Selbstbild (also wie sie sich tatsächlich einschätzten), das ideale Selbstbild (wie sie gerne wären) und für den Online-Avatar (über den sie sich virtuell darstellen möchten). Die Hauptfrage, der die Forscher:innen nachgingen, war: Gestaltet man den Avatar eher so, wie man wirklich ist (reale Darstellung) oder eher so, wie man gerne wäre (idealisierte Darstellung)?
Es zeigte sich, dass bei den meisten Internetnutzer:innen Körpergröße, Körpergewicht, Alter und Geschlecht zwischen tatsächlichem Selbst, idealisiertem Selbst und Avatar übereinstimmten. „Es gab in den verschiedenen Handlungskontexten nur eine geringe Tendenz, sich als Avatar anders darzustellen als man tatsächlich ist, oder als man gerne wäre“, so Kaspar, der die Studie leitete.
Bei den psychologischen Eigenschaften gab es hingegen eine deutliche Neigung, dem Avatar idealisierte Attribute zuzuweisen. Personen gaben sich online als extrovertierter, sozial verträglicher, gewissenhafter und weniger neurotisch aus, als sie sich tatsächlich einschätzen. Zwischen den sechs Handlungskontexten sahen die Forschenden dabei kaum einen Unterschied. „Die idealisierte Selbstdarstellung via Avatar scheint ein generelles Internet-Phänomen zu sein und mehr auf psychologische Eigenschaften als auf Äußerlichkeiten zu beziehen. Dies ist durch die zunehmende Bedeutung der Selbstpräsentation im Internet spannend“, so Daniel Zimmermann, Mitautor der aktuellen Studie. „Vor allem die besonders starke Idealisierung von neurotischen Tendenzen fällt direkt ins Auge“.
Zudem zeigte sich im Hinblick auf die zugeschriebenen psychologischen Charakteristika, dass die tatsächliche Unterschiedlichkeit zwischen den Personen größer ist, als die Unterschiedlichkeit, die zwischen ihren Avataren zu beobachten ist. Das bedeutet, dass Internetnutzer:innen zumeist nicht die volle Bandbreite möglicher Avatargestaltungen ausnutzen. Vielmehr scheint es eine Orientierung an sozialen Normen zu geben, weshalb sich die Avatare ähnlicher sind als die Personen im realen Leben.
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Publikation:
Zimmermann, D., Wehler, A., & Kaspar, K. (2022). Self-representation through avatars in digital environments. Current Psychology. https://doi.org/10.1007/s12144-022-03232-6