Der Europäische Forschungsrat (ERC) hat die beiden Kölner Wissenschaftler Professor Dr. Michael Bollig und Professor Dr. Stephan Schlemmer mit dem ERC Advanced Grant ausgezeichnet. Bollig wird für sein Projekt REWILDING mit knapp 2,5 Millionen Euro gefördert. Schlemmer erhält für sein Projekt „MissIons“ ebenfalls Fördergelder in Höhe von 2,5 Millionen Euro. Der ERC Advanced Grant gilt als der wichtigste Förderpreis der europäischen Forschungslandschaft.
ERC Advanced Grants werden an herausragende Wissenschaftler:innen für Projekte vergeben, die aufgrund ihres innovativen Ansatzes mit Unsicherheiten verbunden sind, aber bahnbrechende neue Wege in ihrem jeweiligen Forschungsfeld eröffnen können. Gefördert werden Forscher:innen, die über Jahre konstant erfolgreich auf höchstem Niveau arbeiten.
Professor Dr. Michael Bollig / Projekt: REWILDING
Michael Bollig ist Professor am Institut für Ethnologie und Sprecher des Global South Studies Center (GSSC). Ein Schwerpunkt seiner Forschung sind Mensch-Umwelt-Beziehungen. Mit seinem Projekt REWILDING möchte Bollig einen Beitrag für das immer bedeutender werdende Gebiet der Umweltanthropologie im Allgemeinen leisten und sich dabei insbesondere den komplexen und ständig ändernden Verflechtungen zwischen Mensch, Flora und Fauna in dem im südlichen Afrika gelegenen Kavango-Zambezi-Schutzgebiet (KAZA TFCA, unter Beteiligung der Staaten Angola, Botswana, Namibia, Zambia, Zimbabwe) widmen. Das 2011 gegründete KAZA TFCA ist das größte grenzüberschreitende Natur- und Landschaftsschutzgebiet der Welt. Das Gebiet, das für seinen zukunftsweisenden Naturschutz weltweit bekannt ist, trägt Spuren kolonialer und postkolonialer Vergangenheit. Repressive koloniale Naturschutzmaßnahmen, die großflächige (erfolgreiche) Bekämpfung insektenübertragener Krankheiten und die umfassende Umsiedlung von Menschen strukturieren gegenwärtige Mensch-Umweltbeziehungen und auch Naturschutzbemühungen.
REWILDING ist ein einzigartiger Versuch, die sich verändernden sozio-ökologischen Beziehungen zwischen Menschen und anderen Arten in einem der größten und umfassendsten Naturschutz-Experimente der Welt zu erfassen. REWILDING besteht aus sechs Feldstudien. Hier werden z.B. Elefanten, verschiedene Karnivoren aber auch Mikroben-übertragene Krankheitserreger in ihren dynamischen Beziehungen zu menschengemachten Umweltinfrastrukturen und –technologien, Organisationen und auch wissenschaftlichen Aktivitäten vor dem Hintergrund umfassender Naturschutzmaßnahmen thematisiert.
REWILDING ist eng verzahnt mit dem Sonderforschungsbereich TR228 Future Rural Africa, der zu den Auswirkungen von Landnutzungswandel, ökologischen Dynamiken und sich verändernden Gesellschaften im östlichen und südlichen Afrika arbeitet. Gemeinsam mit den Projekten des Sonderforschungsbereiches interessiert sich REWILDING für die sozioökonomischen Auswirkungen der raschen Kommerzialisierung der vielfältigen Flora und Fauna und für die gesellschaftlichen Konsequenzen des rasch zunehmenden Tourismus. REWILDING ist einzigartig positioniert und zielgerichtet konzipiert, um dadurch neue empirische Erkenntnisse für die zukünftige Begleitung und Planung großflächiger Naturschutzzmaßnahmen zu liefern.
Die Förderung durch den Europäischen Forschungsrat (ERC) leistet einen Beitrag zur weiteren Konsolidierung des Fakultätsschwerpunktes in den Environmental Humanities, der kultur- und geisteswissenschaftlichen Mensch-Umweltforschung; hier hat die Fakultät mit der Entscheidung für eine Schnittstellenprofessur in diesem Bereich im Januar 2021 einen wichtigen Schritt getan.
Michael Bollig hat von 1981 bis 1986 an den Universitäten Bonn und Köln Ethnologie, Geschichte, Afrikanistik und Agrarsoziologie studiert und 1991 am Institut für Ethnologie der Universität Tübingen promoviert. Anschließend wechselte er an die Universität zu Köln, wo er sich 1999 habilitierte. Seit 2000 ist er dort Professor für Ethnologie, seit 2018 stellvertretender Sprecher des SFB TR Future Rural Africa und seit 2020 Sprecher des Cologne Global South Studies Center (GSSC). 2017 wurde Bollig mit dem Leo Spitzer Preis ausgezeichnet, mit dem die Universität zu Köln exzellente Spitzenforscher würdigt.
Professor Dr. Stephan Schlemmer / Projekt: MissIons
Stephan Schlemmer ist Professor am Institut für Astrophysik der Universität zu Köln. In seinen Labors in Köln werden die Farbspektren von Molekülen in Hochpräzisionsmessungen aufgenommen. Diese Spektren sind so eindeutig mit den Molekülen verbunden wie die Fingerabdrücke eindeutig einem Menschen zugeordnet werden können. Auf diese Weise sind bereits zahlreiche Moleküle im Weltall erstmals durch die Laboruntersuchungen in Köln gefunden worden. Mit dem ERC Advanced Grant für das Projekt "MissIons" (= missing ions) wird nach ionischen Molekülen gesucht. Diese Ionen sind fehlende Schlüssel zum Verständnis der Entwicklung des Weltalls zwischen den Sternen. So ist es denkbar, dass Bausteine des Lebens aus genau diesen Ionen im interstellaren Raum gebildet werden.
Das Team um Schlemmer entwickelt experimentelle und theoretische Methoden, die diese Untersuchungen überhaupt erst ermöglichen. Eine Herausforderung besteht darin, diese sehr flüchtigen Stoffe in ausreichender Menge für die Farbanalyse zur Verfügung zu stellen. Hier hat die Arbeitsgruppe bereits in der Vergangenheit einige große Durchbrüche erzielt. Zum anderen bestehen die spektralen Fingerabdrücke bei diesen speziellen Ionen aus tausenden Schnipseln, die erst zu einem Bild zusammengesetzt werden müssen. Aus dieser Fleißarbeit entsteht nicht nur die Vorlage für die Beobachtung mit Teleskopen. Vielmehr kann aus den Fingerabdrücken auch auf den Aufbau der Moleküle geschlossen werden. Dies war bisher für die hier interessierenden Moleküle unmöglich, soll aber durch das MissIons-Projekt erstmals gelingen. Das Projekt verbindet also die Welt des Kleinsten (Moleküle) mit der Welt des Größten (Weltall), die beide noch große Rätsel aufgeben.
Stephan Schlemmer studierte Physik an den Universitäten Wuppertal und Göttingen, wo er am Max-Planck-Institut für Strömungsforschung promovierte, wofür er mit der Otto-Hahn-Medaille ausgezeichnet wurde. Anschließend arbeitete er als Postdoc an der Università degli Studi di Perugia (Italien) und an der University of California at Berkeley (USA). An der TU Chemnitz wurde er 2001 habilitiert. 2003 wurde er zum Professor an die Sternwarte der Universiteit Leiden (NL) berufen und kam 2004 an die Universität zu Köln. Am Institut für Astrophysik ist er Sprecher des Sonderforschungsbereichs SFB956. Er leitet den Fachverband Molekülphysik der Deutschen Physikalischen Gesellschaft. In den Jahren 2009 und 2011 war er zudem Gastprofessor an der Université Paul Sabatier in Toulouse (Frankreich) und erhielt 2016 vom französischen Forschungsministerium den Gay-Lussac-Humboldt Preis für seine Forschungen.
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Professor Dr. Stephan Schlemmer
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