Veröffentlichung in „Nature Communications“
Kipppunkten des Klimasystems kann eine langsame, aber linearen Entwicklung vorausgehen. Sie können aber ebenso von einem „Flackern“ begleitet werden, bei dem zwei stabile klimatische Zustände einander abwechseln, ehe es endgültig zu einem Übergang kommt und das Klima dauerhaft kippt. Dies belegt die Studie eines Forschungsteams der Universitäten Potsdam und Köln in Deutschland, Aberystwyth in Wales, Addis Abeba in Äthiopien und weiterer Universitäten für das Ende der Afrikanischen Feuchtperiode und den Übergang zur heute für die Region typischen ausgeprägten Trockenheit. Dafür werteten die Forschenden mehrere, bis zu 280 Meter lange Sedimentkerne aus dem Chew-Bahir-Becken in Südäthiopien aus, an denen sich 620.000 Jahre ost- und nordafrikanischer Klimageschichte „ablesen“ lassen. Die Ergebnisse der in Nature Communications veröffentlichten Studie zeigen, dass sich zum Ende der Afrikanischen Feuchtperiode über einen Zeitraum von rund 1.000 Jahren hinweg intensive Trocken- und Feuchtereignisse regelmäßig abwechselten, bevor sich das trockene Klima vor rund 5.000 Jahren durchsetzte.
Ein besseres Verständnis solcher Kipppunkt-Dynamiken – und vor allem der für sie typischen Frühwarnsignale – kann dazu dienen, den derzeitigen Klimawandel besser zu verstehen und die Modelle zu verbessern. In dem Übergang von der Afrikanischen Feuchtperiode (African Humid Period – AHP) zu trockenen Bedingungen in Nordafrika sieht das Forschungsteam das deutlichste Beispiel für einen Klimakipppunkt der jüngeren Erdgeschichte. Diese Dynamiken treten auf, wenn kleine Störungen eine große, nichtlineare Reaktion des Systems auslösen und das Klima in einen anderen Zustand versetzen. Sie gehen mit dramatischen Folgen für die Biosphäre einher. In Nordafrika verschwanden die von Menschen bevorzugten Gras- und Waldlandschaften sowie die Seen. Das zwang sie, sich ins Gebirge, in Oasen und das Nildelta zurückzuziehen.
Langsamer oder dramatischer Übergang?
In der Klimaforschung sind zwei Haupttypen von Kipppunkten bekannt: Beim ersten Typ werden Prozesse zunehmend langsamer und das Klima kann sich von Störungen schlechter erholen. Schließlich kommt es zu einem Übergang. Beim zweiten Typ ist der Übergang von einem Flackern zwischen stabil feuchtem und trockenem Klima begleitet. „Die beiden Arten von Kipppunkten unterscheiden sich hinsichtlich der Frühwarnsignale, mit deren Hilfe sie zu erkennen sind. Diese zu erforschen und besser zu verstehen ist wichtig, um mögliche zukünftige, vom Menschen verursachte Klimakipppunkte vorhersagen zu können“, erklärt Professor Dr. Martin Trauth vom Institut für Geowissenschaften der Universität Potsdam. „Während die Verlangsamung beim ersten Typ zu einer Abnahme der Variabilität, Autokorrelation und Schiefe führt, sorgt das Flackern beim zweiten Typ zu genau dem Gegenteil – und im Zweifelsfall dazu, dass der bevorstehende Kipppunkt nicht erkannt wird.“
Das großangelegte Projekt wird von Trauth gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen der Partneruniversitäten geleitet und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert. Die Forschenden analysieren Seesedimente, die mittels wissenschaftlicher Tiefbohrungen im Chew-Bahir-Becken, einem ehemaligen Süßwassersee, im östlichen Afrika gewonnen wurden. „Für die aktuelle Studie wurden sechs kürzere (9 bis 18 Meter) und zwei lange (280 Meter) Bohrkerne ausgewertet, mit denen sich die zurückliegenden 620.000 Jahre Klimageschichte der Region rekonstruieren lassen“, sagt Dr. Verena Foerster-Indenhuck vom Institut für Geographiedidaktik der Universität zu Köln.
In den kurzen Bohrkernen aus Chew Bahir beobachtet das Team am Ende der AHP mindestens 14 Trockenereignisse, die jeweils zwanzig bis achtzig Jahre dauerten und im Abstand von 160 Jahren (±40 Jahre) wiederkehrten. Später in der Übergangsphase, ab 6.000 Jahren vor unserer Zeit, traten zusätzlich zu den trockenen Ereignissen sieben feuchte Ereignisse auf, die ähnlich lang und häufig waren. „Diese hochfrequenten Nass-Trocken-Extremereignisse stellen ein ausgeprägtes ‚Klima-Flackern‘ dar, das in Klimamodellen simuliert werden kann und auch bei früheren Klimaübergängen in der Umweltaufzeichnung von Chew Bahir zu beobachten sind. Das deutet darauf hin, dass Übergänge mit Flackern für diese Region charakteristisch sind“, sagt Trauth.
Sehr ähnliche Übergänge sind auch in den älteren Abschnitten der Sedimentkerne zu finden. Vor allem der Wechsel von feuchtem zu trockenem Klima vor etwa 379.000 Jahren sieht wie eine perfekte Kopie des Übergangs am Ende der Afrikanischen Feuchtperiode aus. „Das ist interessant, weil dieser Übergang quasi ‚naturbelassen‘ ist: Er tritt zu einer Zeit auf, als der Einfluss des Menschen auf die Umwelt vernachlässigbar war“, sagt Koautorin Professorin Dr. Stefanie Kaboth-Bahr vom Institut für Geologische Wissenschaften der Freien Universität Berlin. „Diese und andere Beobachtungen sprechen gegen eine Beschleunigung des Endes der AHP durch menschliche Aktivitäten, wie sie von amerikanischen Kollegen vorgeschlagen wurde.“ In zukünftigen Arbeiten an der hochauflösenden Klimadaten aus den Sedimentbohrkernen wollen die Wissenschaftler*innen weiter das Verhalten des sensiblen Klimasystems an Übergängen untersuchen und die Unterschiede zwischen graduellen und flackernden Klimakipp-Dynamiken noch genauer herauszuarbeiten um ähnliche „Frühwarnsignale“ für das bessere Verständnis des Klimawandels nutzen zu können.
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Veröffentlichung:
https://doi.org/10.1038/s41467-024-47921-1