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Corona-Wissen: Distanzregeln werden eher akzeptiert, wenn Verständnis für exponentielles Wachstum besteht

Studie an der US-Bevölkerung / Verständnis der exponentiellen Zunahme von Infektionen schafft eine größere Akzeptanz für Social Distancing-Maßnahmen

Wer sich mit dem exponentiellen Wachstum des Infektionsgeschehens beschäftigt hat, ist eher dazu geneigt, aktiv zur Eindämmung von Covid-19 beizutragen. Das hat eine Studie des Social Cognition Center Cologne der Universität zu Köln und der Universität Bremen gezeigt. Das Team um den Sozialpsychologen Dr. Joris Lammers aus Köln berichtet, dass die Studienteilnehmenden, die tendenziell von einem linearen Zuwachs der COVID-19-Fälle ausgingen, das tatsächliche Viruswachstum unterschätzt hatten. Als ihnen daraufhin das Prinzip einer exponentiell steigenden Kurve an Infektionsfällen erklärt wurde, führte dieses neue Verständnis zu einer stärkeren Unterstützung für Social Distancing-Maßnahmen im Vergleich zu den Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die keine solchen Erklärinhalte über exponentielles Wachstum erhielten. Die Studie ist unter dem Titel „Correcting misperceptions of exponential coronavirus growth increases support for social distancing” in Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) erschienen.

Als wirksamer Weg, die Ausbreitung einer Pandemie wie COVID-19 einzudämmen, gilt das Social Distancing. Die Einführung solcher Distanzregeln werde jedoch durch die Tatsache behindert, dass ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung ihre Notwendigkeit nicht erkennt, so Lammers: „Viele Sozialwissenschaftler sehen die Wurzel dieser falschen Wahrnehmung in dem, was wir die ‚exponentielle Wachstumsverzerrung‘ nennen. Menschen haben generell Schwierigkeiten, exponentielles Wachstum zu verstehen – und sie interpretieren Wachstumsvorgänge fälschlicherweise linear", erklärt Lammers. Die Studie mit über 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmern in den USA zielte darauf ab, die Rolle der exponentiellen Wachstumsverzerrung in der öffentlichen Meinung über Social Distancing zu überprüfen.

Im Zuge der Ausbreitung des Virus in den Vereinigten Staaten gegen Ende März 2020 führten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Bremen und Köln insgesamt drei Studien durch. Die erste Studie konzentrierte sich auf das Verständnis von linearem Wachstum und zeigte, dass viele Amerikanerinnen und Amerikaner das exponentielle Wachstum des Virus fälschlicherweise als linear wahrnahmen. Lammers: „Interessanterweise spielte bei unseren Ergebnissen auch die politische Orientierung eine Rolle: Konservative waren anfälliger für dieses Missverständnis als Liberale.“ Die zweite und dritte Studie zeigten, dass die Erklärungen zum exponentiellen Wachstum  die korrekte Wahrnehmung und damit die Unterstützung für Social Distancing deutlich erhöhen konnte.

Die gewonnenen Ergebnisse stehen im Gegensatz zu früherer Studien, die gezeigt hatten, dass die „exponentielle Wachstumsverzerrung“ schwer zu überwinden ist. Dass es hier jedoch gelungen ist, erklärt Lammers mit der großen persönlichen Relevanz und Medienpräsenz von Covid-19: „Die Omnipräsenz von Corona erhöht für jede und jeden Einzelnen viel mehr als in vorherigen Pandemien die subjektiv eingeschätzte Wahrscheinlichkeit, sich ebenfalls infizieren zu können.“

Zusammengefasst zeigten diese Ergebnisse, wie wichtig statistische Kenntnisse sind, um Unterstützung für die Bekämpfung von Pandemien wie dem Coronavirus zu gewinnen, resümiert Studienleiter Dr. Joris Lammers: „Da statistisches Wissen offenbar mit über Leben und Tod entscheidet, wollen wir mit dieser Studie auch ganz deutlich machen, dass statistische Grundlagen noch viel besser in der Öffentlichkeit vermittelt und in die Breite getragen werden sollten.“

Inhaltlicher Kontakt:      
Dr. Joris Lammers
Social Cognition Center Cologne, Universität zu Köln
+49 221 470-6126
joris.lammersSpamProtectionuni-koeln.de

Presse und Kommunikation:
Frieda Berg
+49 221 470-1704
f.bergSpamProtectionverw.uni-koeln.de

Zur Veröffentlichung:
https://www.pnas.org/content/early/2020/06/23/2006048117