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Antiferromagnete bieten Möglichkeit für effizientere Datenspeicherung

Internationales Forschungsteam entdeckt Magnon-Phonon-Fermi-Resonanz in einem Antiferromagneten / Veröffentlichung im Fachjournal Nature Communications

Künstlerische Illustration der Magnon-Phonon-Fermi-Resonanz in einem Antiferromagneten. Bild: Martina Markus | Universität zu Köln

Ein Team von experimentellen und theoretischen Festkörperphysiker*innen der Universität zu Köln, des Institute for Molecules and Materials (IMM) der Radboud-Universität in Nijmegen (NL), des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR) und des Joffe-Instituts in Sankt Petersburg (RU) hat in einem Antiferromagneten einen neuartigen Energieübertragungskanal zwischen Magnonen und Phononen unter den Bedingungen der Fermi-Resonanz entdeckt. Durch die Entdeckung des Teams könnte in Zukunft eine Kontrolle der Spin-Gitter-Kopplung in antiferromagnetischen Materialien realisierbar werden, was für die Entwicklung schnellerer und energieeffizienterer Datenspeicherungstechnologien von großer Bedeutung ist. An dem Forschungsteam waren Dr. Evgeny Mashkovich, der das Projekt konzipiert und koordiniert hat, Professor Dr. Paul H. M. van Loosdrecht sowie der Doktorand Cris Reinhoffer vom II. Physikalischen Institut der Universität zu Köln beteiligt. Die Forschungsergebnisse wurden kürzlich unter dem Titel „Magnon-phonon Fermi resonance in antiferromagnetic CoF2“ im Fachjournal Nature Communications veröffentlicht.

Zu langsame und zu energiehungrige Datenspeicher begrenzen die Effizienz und Nachhaltigkeit heutiger Datenverarbeitungstechnologien. Rechenzentren werden schon bald voraussichtlich rund 10 Prozent der weltweiten Energieerzeugung für sich benötigen. Dieser Anstieg ist unter anderem auf die Eigenschaften der verwendeten Speichermaterialien – Ferromagnete – zurückzuführen. Forscher*innen weltweit suchen deshalb nach schnelleren und energiesparenden Materialien. Zu den vielversprechendsten Kandidaten zählen Antiferromagnete – Materialien, die nicht nur robustere und tausendfach schnellere Lese- und Schreiboperationen verheißen, sondern auch häufiger in der Natur vorkommen als ihre ferromagnetischen Gegenstücke. Das Verständnis und die Kontrolle dieser Quantenmaterialien sind der Schlüssel zur Weiterentwicklung zukünftiger Technologien.

Die Wechselwirkung zwischen Spins und dem Kristallgitter eines Materials ist für spintronische Anwendungen von wesentlicher Bedeutung, da sie den Spin – das magnetische Moment des Elektrons – nutzen, um Informationen in magnetische Bits zu schreiben. In ferromagnetischen Materialien treten diese Spins stark in Wechselwirkung und erzeugen einen als Spinwelle bekannten Welleneffekt, der sich durch das Material ausbreiten kann. Spinwellen sind interessant, weil sie Informationen transportieren können, ohne dabei Elektronen zu bewegen – anders als die elektrischen Ströme in heutigen Computerchips. Das bedeutet, dass weniger Energieverluste durch Wärme auftreten. Und ebenso wie sich Licht als quantisierte Teilchen, sogenannte Photonen, beschreiben lässt, haben auch Spinwellen ihre eigenen Quasiteilchen, die Magnonen. Schwingen die Atome im Gitter eines Materials gleichmäßig, wird diese Bewegung wiederum durch weitere Quasiteilchen, die als Phononen bezeichnet werden, beschrieben. 

Die Forschungsarbeiten des Teams konzentrierten sich auf das antiferromagnetische Material Kobaltdifluorid (CoF2), in dem ebenfalls Magnonen und Phononen vorhanden sind, nur dass die Spins antiparallel ausgerichtet sind. Das ermöglicht eine tausendmal schnellere Spindynamik als bei herkömmlichen ferromagnetischen Materialien, wodurch ein schnelleres und energieeffizienteres Lesen und Schreiben von Datenbits erreicht werden kann. 

Vor fast einem Jahrhundert erstmalig bei Kohlendioxid beschrieben, tritt auf atomarer und molekularer Ebene darüber hinaus die sogenannte Fermi-Resonanz auf. Dazu müssen zwei durch die Aufnahme von Wärmeenergie hervorgerufene Schwingungsmoden interagieren, wobei eine die doppelte Frequenz der anderen aufweist. Das Prinzip der Fermi-Resonanz wurde bisher getrennt entweder auf magnonische oder phononische Systeme ausgeweitet. In dieser Arbeit erreichte das Team jedoch zum ersten Mal eine starke Kopplung zwischen dem Spin und dem Kristallgitter, die eine gegenseitige Energieübertragung zwischen diesen Teilsystemen eines antiferromagnetisch geordneten Materials darstellt.

Um die antiferromagnetische Spinresonanz gezielt anzuregen, nutzten die Wissenschaftler*innen den intensiven beschleunigerbasierten Terahertz-Laser am ELBE-Zentrum für Hochleistungs-Strahlungsquellen des HZDR. Mit einem mehrere Tesla starken externen Magnetfeld konnten sie die Resonanzfrequenz gezielt verändern. Diese Konfiguration ermöglichte es ihnen, die Spinresonanz- mit den Gitterschwingungsfrequenzen unter der Bedingung der Fermi-Resonanz abzustimmen. 

Bei der Auswertung ihrer Messungen stieß das Forschungsteam auf ein neues Regime der gekoppelten Magnon-Phonon-Dynamik, das einen Energieaustausch zwischen diesen beiden Teilsystemen unter den Bedingungen der Fermi-Resonanz ermöglicht. Durch Abstimmung der Frequenzen der Magnonen lässt sich dieser Prozess kontrollieren und insbesondere die Magnon-Phonon-Kopplung verstärken. Dieses neue Regime ist als Verbreiterung der Phononenspektren und einer asymmetrischen Umverteilung des spektralen Gewichts der Phononen beobachtbar. Letztlich deuten die Ergebnisse auf einen hybridisierten Zwei-Magnonen-ein-Phonon-Zustand hin. Die Arbeit könnte sich für jene Bereiche der Magnonik und Phononik als wichtig erweisen, wo kohärente Energiekontrolle eine zentrale Rolle spielt. 

Die Forschungsergebnisse zeigen einen Weg auf, wie die Spin-Gitter-Kopplung antiferromagnetischer Materialien gezielt beeinflusst werden kann. Das ermöglicht erstens eine beträchtliche Ausweitung der herkömmlichen Betriebsfrequenzen ferromagnetischer Materialien vom Gigahertz- bis in den Terahertz-Bereich. Zweitens könnte dies in Speichertechnologien die Effizienz des magnetischen Schreibvorgangs erheblich verbessern und den Gesamtenergieverbrauch stark senken. Die Forschungsergebnisse können somit dazu beitragen, innovative Technologien zur Datenspeicherung auf der Grundlage antiferromagnetischer Materialien zu entwickeln. In zukünftigen Studien will das Forschungsteam untersuchen, ob die Bedingung der Fermi-Resonanz auf die Kontrolle anderer neuartiger Quantenmaterialien ausgeweitet werden kann, was zu Fortschritten in der Materialwissenschaft und Quantentechnologie führen könnte.
 

Inhaltlicher Kontakt:

Dr. Evgeny Mashkovich
II. Physikalisches Institut
+49 1520 6589889
mashkovichSpamProtectionph2.uni-koeln.de

Dr. Jan-Christoph Deinert
Institut für Strahlenphysik am HZDR
+49 3512 603626 
j.deinertSpamProtectionhzdr.de

Thomas Metzger
Institute for Molecules and Materials (IMM) | Radboud University 
thomas.metzgerSpamProtectionru.nl

Presse und Kommunikation:
Mathias Martin
+49 221 470 1705
m.martinSpamProtectionverw.uni-koeln.de

Zur Publikation:
https://www.nature.com/articles/s41467-024-49716-w
 

Verantwortlich: Dr. Elisabeth Hoffmann – e.hoffmann@verw.uni-koeln.de