Welche schwerwiegenden Lebenserfahrungen bringen uns aus dem Gleichgewicht? Und wie schnell schaffen wir es, wieder glücklich zu werden? Stimmt es, dass man dem Glück nicht hinterherlaufen sollte? Juniorprofessorin Dr. Maike Luhmann vom Department für Psychologie untersucht das Phänomen Glück. Ein Gespräch über Ehe, Scheidung, Kinder und Haustiere – und warum man sein Geld lieber für andere ausgeben sollte.
Frau Dr. Luhmann: Sind Sie glücklich?
Ja, zum Glück! In der Psychologie sprechen wir aber nicht von Glück, sondern lieber von subjektivem Wohlbefinden. Das setzt sich zum einen zusammen aus der kognitiven Komponente Lebenszufriedenheit – kognitiv deshalb, weil man sein eigenes Leben oder bestimmte Bereiche wie Arbeit oder Ehe reflektiert und bewusst bewertet. Zum anderen ist da das affektive Wohlbefinden. Das ist die Frage: Ist man gut drauf? Fühlt man sich gerade glücklich?
Was interessiert Sie dabei?
Ich möchte verstehen, wann und warum sich Wohlbefinden ändert. Dazu habe ich mir besonders den Einfluss großer Lebensereignisse angeschaut. In der psychologischen Glücksforschung gab es lange Zeit die Idee, dass man eigentlich nicht glücklicher werden kann, egal wie sehr man es versucht. Das nennt man auch die hedonistische Tretmühle: Man rennt dem Glück hinterher und bleibt doch auf der Stelle, selbst wenn man alles bekommen hat, was man wollte. In den letzten 10 Jahren gab es allerdings Studien, die gezeigt haben, dass es schon Ereignisse gibt, die gravierende und langfristig anhaltende Einflüsse auf das Wohlbefinden haben können – besonders negative. Sind es solche Lebensereignisse, die bestimmen, ob wir glücklich oder unglücklich sind? Generell wird unser Wohlbefinden durch drei Faktoren beeinflusst. Erstens dadurch, welche Persönlichkeit wir haben. Menschen, die von Natur aus wenig neurotisch und emotional stabil sind, sind meist glücklicher. Auch Menschen, die extravertiert sind, haben es ein bisschen leichter. Zweitens die objektiven Lebensumstände, etwa ob man einen Partner oder Geld hat. Darunter fallen auch die Lebensereignisse. Solche Dinge machen auch etwas aus – aber die Persönlichkeit zählt mehr für das Wohlbefinden. Deshalb hat man früher geschlussfolgert, dass die Lebensumstände nicht so wichtig für das Wohlbefinden seien. Als drittes zählen noch die Dinge, die man selber tut. Wir haben also alle selbst erhebliche Einflussmöglichkeiten auf unser Wohlbefinden.
Worauf legen Sie den Schwerpunkt bei Ihren Forschungen?
Ich konzentriere mich in meiner Forschung auf die objektiven Lebensbedingungen und wie sie sich auf das Wohlbefinden auswirken, ob also Veränderungen in den Lebensbedingungen auch Veränderungen im Wohlbefinden hervorrufen können. Interessant finde ich auch die Adaptationsprozesse der Menschen, wie schnell und warum man also nach einem Ereignis wieder auf das Glücksniveau von vor dem Ereignis zurückkommt.
In einer großen Metaanalyse habe ich Längsschnittstudien zu acht verschiedenen Lebensereignissen zusammengesucht: Familiäre Ereignisse wie Heirat, Scheidung, Geburt eines Kindes, Verwitwung, und berufliche Ereignisse wie Arbeitslosigkeit, Wiedereinstellung nach einer Arbeitslosigkeit, wenn man in Rente geht oder umzieht. Dazu haben wir mehrere hundert Studien zusammengesucht und haben analysiert, wie sich das Wohlbefinden nach dem Ereignis im Vergleich zu vor dem Ereignis unterscheidet, abhängig davon wie viel Zeit vergangen ist. Dabei haben wir zwischen dem affektiven Wohlbefinden und der Lebenszufriedenheit unterschieden.
Was haben Sie festgestellt?
Nach den meisten einschneidenden Ereignissen geht es nach einer gewissen Zeit im Mittel wieder zum Ausgangspunkt zurück. Es gibt definitiv den Trend, dass man sich wieder erholt. Das geht allerdings nicht ganz so schnell, wie man das früher glaubte, da sprach man von zwei oder drei Monaten.
Gehen wir mal in die Einzelheiten: Eine Scheidung geht sicherlich an die Nieren? Wie sah es dabei aus?
Ereignisse wie Heirat oder Scheidung haben gar nicht so lang anhaltende Effekte. Bei der Scheidung sind es eher die Monate davor, die die schlimmsten sind. Danach geht das Wohlbefinden relativ schnell wieder hoch. Eine absolute Ausnahme ist das Thema Arbeitslosigkeit: Auch wenn es den Betroffenen gelingt, eine neue Arbeit zu finden, kann man kaum eine Erholung beobachten. Obwohl objektiv wieder alles wie vorher ist. Eine neue Studie von mir hat sogar ergeben, dass nicht nur die betroffene Person darunter leidet, sondern langfristig auch der Partner. Nicht ganz so stark, aber auch signifikant. Allerdings erholt sich der Partner dann schneller.
Das verblüfft mich jetzt ein wenig. Wieso verhält sich die Arbeitslosigkeit so anders als Scheidung oder Heirat?
Das ist noch nicht ganz klar. Vermutlich wird Arbeitslosigkeit als weniger kontrollierbar wahrgenommen und wirkt sich deswegen stärker auf das Wohlbefinden aus. Auch erleben Menschen mit Arbeit mehr Sinn in ihrem Leben, der den Arbeitslosen dann fehlt. Je länger die Arbeitslosigkeit anhält, desto schlimmer werden die Auswirkungen auf das Wohlbefinden – im Gegensatz zu den meisten anderen Ereignissen, über die man nach einiger Zeit hinwegkommt.
Jetzt haben wir aber viel vom Unglücklichsein gesprochen. Unser Thema sollte ja das Glück sein. Wie sieht es mit der Geburt eines Kindes aus? Das muss doch glücklicher machen?
Bei der Geburt eines Kindes haben wir festgestellt, dass das affektive Wohlbefinden nach der Geburt etwas positiver ist, allerdings nicht sehr viel. Die Lebenszufriedenheit aber und vor allem die Zufriedenheit mit der Partnerbeziehung gehen klar runter. Das sind klar gegenläufige Entwicklungen.
Wenn die Geburt eines Kindes nicht glücklicher macht, dann sind Kinder doch sicher langfristig Glücklichmacher?
Im Mittel über lange Zeit hinweg nicht, weil Kinder Dinge mit sich bringen, die sehr glücklich machen und Dinge, die sehr unglücklich machen. Das gleicht sich wieder aus.
Insgesamt sind aber gute Beziehungen für das Wohlbefinden wichtig, zum Beispiel die Beziehung zum Partner. Verheiratete Menschen sind glücklicher als unverheiratete Menschen. Gute Freunde sind wichtig, insgesamt gute soziale Beziehungen.
Ich gebe nicht auf. Wie sieht es denn mit Haustieren aus? Machen die glücklicher?
Eine meine Masterstudentinnen hat sich in ihrer Masterarbeit mit dem Thema Haustiere und Wohlbefinden beschäftigt. Dort wurde das Wohlbefinden von Hunde-, Katzen- und Pferdebesitzern verglichen. Heraus kam: Die Pferdebesitzer sind am zufriedensten. Aber wenn man das Einkommen kontrolliert, dann verschwindet der Unterschied. Das heißt: Pferdebesitzer sind wahrscheinlicher zufriedener weil sie über mehr Geld verfügen und nicht, weil sie ein Pferd besitzen.
Also mal wieder das liebe Geld. Ja: Geld macht glücklich. Die sehr Reichen sind im Mittel glücklicher als die weniger Reichen und die sind glücklicher als die ganz Armen.
Was sollten denn diejenigen von uns machen, deren Einkommen beschränkt ist? Gibt es Aktivitäten, die glücklicher machen?
Da gibt es sehr spannende Befunde, wie man sein Geld ausgeben kann. Wer sein Geld für Erfahrungen ausgibt, wird glücklicher als derjenige, der sein Geld nur für den Erwerb von Gegenständen ausgibt. Von der Erfahrung kann man nämlich sehr lange zehren, gerade wenn man etwas mit anderen Personen macht. Die Erinnerung bleibt. An ein neu erworbenes Handy gewöhnt man sich sehr schnell. Die Effekte von materiellen Dingen lassen sehr schnell nach. Auch macht schenken glücklicher als das Geld für sich selber auszugeben.
Kann man eigentlich wirklich selber beeinflussen, wie glücklich man ist?
Eine aktuelle Studie hat ergeben: Wenn Menschen das Glücklichsein sehr wertschätzen, dann sind sie am Ende unglücklicher als die, die Glücklichsein nicht so wertschätzen. Das ist schon eine alte Idee der Philosophie: Wenn man dem Glück hinterherläuft, dann fängt man es nicht. Das heißt, man sollte nicht versuchen, glücklich zu werden, weil es unglücklich macht. Man kann nur vom Glück gefunden werden. Das widerspricht allerdings einigen anderen Befunden, denn es gibt bestimmte Dinge, die jeder von uns im Alltag tun kann, die uns glücklicher machen. Und die Menschen, die das tun, wissen auch, dass diese Dinge sie glücklicher machen sollen und trotzdem funktionieren sie. Nach der alten Idee sollten die dann gerade nicht funktionieren. Wir haben deshalb die genannte Studie überprüft und methodische Mängel gefunden. Wenn man die herausrechnet, kommt man zu einem anderen Ergebnis, nämlich dass das Wertschätzen von Glück nicht systematisch mit dem Wohlbefinden zusammenhängt.
Beherzigen Sie selber solche Erkenntnisse?
Teilweise schon. Ein wissenschaftlicher Befund ist, dass Menschen, die länger als dreißig Minuten zur Arbeit pendeln, unglücklicher werden und sich eher scheiden lassen. Ich habe mich mit meiner Familie immer für die kleinere Wohnung in der Nähe der Arbeit entschieden als für die größere, von der wir länger pendeln mussten.