Es antwortet Professorin Dr. Gudrun Hentges, Lehrstuhl für Politikwissenschaft, Bildungspolitik und Politische Bildung an der Humanwissenschaftlichen Fakultät.
Seit dem Geheimtreffen von Anhänger*innen der populistischen und extremen Rechten im Landhaus Adlon in der Nähe von Potsdam im November 2023 scheint Deutschland das Ausmaß der Bedrohung durch rechte Kräfte klarer zu erkennen. Wie wir nun wissen, propagierte Martin Sellner, bis 2023 Chef der Identitaren Bewegung Osterreich, in der Hauptrede des Treffens unter dem Titel ≫Masterplan Remigration≪ einen rassistischen Plan zur Deportation und Vertreibung von Millionen von Menschen: Im Bundesgebiet lebende Menschen sollten in eine zu schaffende Musterstadt deportiert werden; diese konnte als »Sonderwirtschaftszone« in Nordafrika gepachtet und organisiert werden. In den Berichten des Recherchenetzwerks Correctiv wurde deutlich, dass die Vorstellung des sogenannten Masterplans unter den Teilnehmer*innen aus Wirtschaft und Politik auf Wohlwollen und Zustimmung stieß.
Rassistische oder antisemitische Deportationspläne sind nicht neu. Kurz nach Beginn des Zweiten Weltkriegs,
nach der Niederlage Frankreichs im Juni 1940, gewann der »Madagaskarplan« an Bedeutung: Das NS-Regime zog damals in Erwägung, vier Millionen Jüdinnen und Juden in die französische Kolonie Madagaskar zu deportieren. Das neurechte Konzept der »Remigration« ist spätestens seit 2011in der Forschung hinlänglich bekannt. Renaud Camus, einer der Vordenker des französischen Rassemblement National, forderte in diesem Jahr in seinem Werk »Le grand remplacement« (Der große Austausch) explizit eine zwangsweise Remigration. Der Begriff wurde als Waffe im Kampf gegen angebliche Masseneinwanderung und Islamisierung eingesetzt.
Seitdem wurde der Begriff auch in Deutschland von verschiedenen Akteur*innen der populistischen und extremen Rechten immer wieder aufgegriffen. Etwa von der Identitären Bewegung, die 2017 unter dem Slogan »Defend Europe« eine Kampagne startete und mit dem Schiff C-Star im Mittelmeer unterwegs war, um dort die zivilgesellschaftliche Seenotrettung zu verhindern. Auch die AfD im Bundestag fordert in den Plenardebatten immer wieder Remigration beziehungsweise Rückführung oder Abschiebung. Nicht zuletzt schlägt die Werteunion einen ähnlichen Ton an.
Die Gefahr von rechts besteht nicht in erster Linie darin, dass die von den Vordenkern der »Nouvelle Droite « erfundenen Begriffe mit einer neuen Bedeutung belegt werden. Sie besteht vielmehr darin, dass Pläne der zwangsweisen Remigration und Deportation über die Identitäre Bewegung und die AfD Eingang gefunden haben in den Deutschen Bundestag. Über Plenardebatten und Bundestagsdrucksachen werden solche Begriffe und Konzepte verbreitet und durchziehen den öffentlichen Raum. Verdeutlicht hat das Geheimtreffen auch, dass es nicht mehr nur um Begriffe und Konzepte geht, sondern dass diese Pläne an Konkretion gewonnen haben. Der sogenannte Masterplan zur Ausweisung von Menschen, darunter auch Menschen mit einem deutschen Pass, ist ein Versuch, Grundrechte zu unterminieren, und er ist verfassungswidrig. Es bleibt zu hoffen, dass die großen Demonstrationen als Reaktion auf das Geheimtreffen dafür sorgen werden, dass die Gefahr von rechts nicht verharmlost wird.