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Wenn alles im Sand versinkt

Kölner Meteorolog:innen untersuchen, ob Sandstürme wie in den USA auch in Europa möglich sind

Sandstürme verwüsteten einst ganze Landstriche der USA. Sie entstanden durch intensive Landwirtschaft, Trockenheit und fehlende Bodenpflege. Kölner Meteorologinnen untersuchen, ob solche Dust Bowl-Szenarien auch in Europa möglich werden könnten.

Von Mathias Martin

1935: Ein Sand- und Staubsturm nähert sich dem Ort Stratford in Texas. Die Farmer hatten durch ihre wenig nachhaltigen Methoden selbst die Bedingungen für die verheerenden Stürme geschaffen

Wie eine dunkle Wand kommt das Unheil näher. Der Tag wird zur Nacht. Riesige Staubwolken, die »Black Blizzards«, nähern sich den Farmen und überrollen sie. Der Sandsturm begräbt alles unter sich – Farmgebäude, Maschinen, Autos und Tiere. Menschen fliehen von ihren Farmen, ihre Gesichter eingehüllt in Tücher, wohl wissend, dass die Kraft des Sandsturms Augen und Lungen schädigen kann. Eine ganze Region im Herzen der Vereinigten Staaten wird zu einer einzigen, großen »Staubschüssel« – einer »Dust Bowl«.

Dieses Schicksal ereilte Farmerfamilien in den 1930er Jahren in den Great Plains, den Hochebenen östlich der Rocky Mountains, die sich von Kanada bis in den Süden der USA erstrecken. Vor allem die Bundesstaaten Oklahoma, Texas, Kansas und New Mexico waren betroffen. Doch die Farmer hatten ihr Schicksal selbst mit verursacht: Um Ackerland für den Weizenanbau zu gewinnen, hatten sie ausgedehnte Flächen an Präriegras gerodet. Dieses Gras hatte durch seine Wurzeln die obere Bodenschicht zusammengehalten. Hinzu kamen in den 1930er Jahren sehr hohe Temperaturen und eine extrem lange Dürreperiode. Erst trocknete der Boden aus, dann trugen ihn starke Winde mit sich. Mehrere verheerende Stürme bedeckten ganze Landstriche über Jahre hinweg mit einer staubigen Erdschicht.


Die Landnutzung ist entscheidend

Weltweit steigen die Temperaturen. Verschiedene Wissenschaftszweige erforschen die Risiken des Klimawandels für Mensch und Natur und was wir tun können, um ihnen entgegenzuwirken. Wenig erforscht ist in diesem Zusammenhang, unter welchen genauen Umständen die katastrophalen Staubstürme entstehen, die einst Teile der USA verwüsteten. Dass Dust Bowls ein Ereignis der Vergangenheit bleiben, ist aber keinesfalls sicher. Auch nicht, dass sie sich nur auf dem amerikanischen Kontinent ereignen können. Professorin Dr. Stephanie Fiedler erforscht am Institut für Geophysik und Meteorologie, ob Dust Bowls in Zukunft auch in Europa auftreten könnten. Dabei untersucht sie vor allem die Bedingungen, unter denen Dust Bowl-Szenarien überhaupt erst möglich werden. Besonders interessiert die Meteorologin, wie sich die Landnutzung und die Bewässerung der Böden auf das Klima auswirken. Zusammen mit ihrem Team geht sie der Frage nach, was mit dem regionalen Klima passiert, wenn Landwirte ihre Äcker bewässern – oder aber brachliegen lassen.

Das Projekt ist Teil des neuen Sonderforschungsbereichs 1502 »Regionaler Klimawandel: Die Rolle von Landnutzung und Wassermanagement«. Fiedlers Projekt im Rahmen des SFB geht davon aus, dass einerseits der Strahlungsantrieb einen Einfluss auf die Bodenfeuchte in Europa hat.
 

Strahlungsantrieb – Die Änderung der Strahlungsbilanz durch anthropogene Treibhausgase und Aerosole sowie menschliche Eingriffe in die Erdoberfläche. »Antrieb« meint dabei die Änderung des »Strahlungsbudgets« unseres Planeten, der mit einer Temperaturänderung einhergeht. Solch ein Strahlungsantrieb entsteht zum Beispiel, wenn durch die Treibhausgase und Aerosole das Gleichgewicht zwischen einfallender Sonnenstrahlung und von der Erde abgestrahlter Wärmestrahlung gestört ist. Der Strahlungsantrieb der einzelnen Treibhausgase und Aerosole und somit ihr Einfluss auf das Strahlungsbudget hängen von ihrer Konzentration und Verweildauer in der Atmosphäre ab.


Dieser wird verursacht durch Treibhausgasemissionen, Staub-Aerosole sowie Aerosole aus anthropogenen – also menschengemachten – Quellen wie der Biomasseverbrennung oder industrieller Produktion. Andererseits beeinflusst die Bewirtschaftung der Landflächen ihrerseits die Emission von Staub-Aerosolen, die nicht wie in Wüsten natürlich entstehen.
 

Aerosole – Diese kleinsten festen oder flüssigen Teilchen bestehen unter anderem aus Schwefel- oder Rußpartikeln, Mineralstaub, Pollen oder Meersalz. Anders als Treibhausgase, die sich viele Jahre in der Atmosphäre halten können und global das Klima beeinflussen, wirken die meisten Aerosole nur wenige Stunden bis zu einigen Monaten in der Atmosphäre und beeinflussen das Klima dadurch eher regional

Mehr Emissionen, steigende Temperaturen?

In den 1930er Jahren verwüsteten Sandstürme die Great Plains der USA. Viele Bewohner zogen daraufhin westwärts nach Kalifornien

Neben den Emissionen menschlichen Ursprungs gibt es auch Emissionen natürlichen Ursprungs, etwa durch Vulkanausbrüche oder Waldbrände verursacht. Alle Gase und Kleinstpartikel wirken sich in der Atmosphäre auf die Strahlungsbilanz aus, also zum Beispiel darauf, wie viel Sonnenstrahlung auf der Erdoberfläche ankommt und wie viel in Form von thermischer Strahlung von der Erde ins Weltall gelangt. Von diesen Prozessen hängt ab, ob sich die Erdoberfläche weiter erwärmt oder abkühlt.

Das Zusammenspiel der verschiedenen Emissionen und Prozesse ist dabei sehr komplex. Treibhausgase absorbieren einen Teil der vom Boden emittierten Wärmestrahlung und reflektieren ihn zurück zur Erdoberfläche. So bewirken sie, dass sich die Erdoberfläche erwärmt – der bekannte Treibhauseffekt. Aerosole haben demgegenüber eine gegenteilige Wirkung: Sie führen zur Abkühlung der Erdoberfläche, indem sie einfallende Sonnenstrahlung streuen und einen Teil der Energie zurück ins Weltall senden, noch bevor sie auf dem Erdboden ankommt. Damit wirken Aerosole der erwärmenden Wirkung der Treibhausgase etwas entgegen.

 

Treibhausgase – Das wohl bekannteste Treibhausgas ist Kohlendioxid (CO2), das entsteht, wenn fossile Energieträger wie Kohle und Öl verbrannt werden. Weitere Treibhausgase sind Methan (CH4) und Lachgas (N2O), die in geringeren Mengen als CO2 in der Atmosphäre vorkommen, dafür aber, gemessen an der gleichen Menge, noch klimawirksamer sind. Methan kann beispielsweise bei der Gewinnung von Erdgas entweichen. Lachgas entwickelt sich bei der Düngung von Feldern.


Aber nicht nur Treibhausgase und Aerosole beeinflussen die Erderwärmung, sondern auch der unmittelbare Eingriff des Menschen in die Natur – durch Besiedlung und Waldrodungen für Ackerbau und Viehzucht: Die Struktur der Erdoberfläche bestimmt, wie viel Sonnenstrahlung sie in die Atmosphäre zurück reflektiert. Wälder tragen etwa dazu bei, Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu binden. Doch eine Waldrodung im Amazonasgebiet wirkt sich anders auf das Klima aus, als wenn Wälder in Sibirien abgeholzt werden. Im Amazonas fällt das kühlende Blätterdach weg, wenn gerodet wird, der Boden heizt sich auf. In Sibirien hingegen reflektieren die schneebedeckten Rodungsgebiete die Sonnenstrahlung und kühlen so die Erde. Auch das macht es so schwierig, den Effekt menschlicher Eingriffe wie der Waldrodung klar zu beziffern.
 

Brachliegende Flächen können die Trockenheit verstärken

Dieses komplexe Zusammenspiel der Treibhausgase und Aerosole – und seine Wirkung auf das Klima – nimmt Stephanie Fiedler unter der Lupe: »Insbesondere die Rolle der Wechselwirkungen zwischen Aerosolen und Wolken in einer sich erwärmenden Welt verstehen wir heute noch nicht vollständig«, sagt die Forscherin.

Professorin Dr. Stephanie Fielder lässt beim Deutschen Wetterdienst in Lindenberg bei Berlin eine Radiosonde aufsteigen. Solche Sonden übermitteln Messwerte wie Lufttemperatur und Luftfeuchtigkeit an die Bodenstation

Einige Aerosole entstehen erst in der Atmosphäre durch chemische Umwandlung von gasförmigen Stoffen, wie zum Beispiel Schwefeldioxid. Aerosole können zudem als Kondensationskerne dienen und so zur Wolkenbildung beitragen. Je mehr Aerosole als Kondensationskerne dienen, desto kleiner sind die Wolkentröpfchen – angenommen der Wassergehalt ist gleich. Kleinere Wolkentröpfchen reflektieren mehr einfallende Sonnenstrahlung. Der Einfluss der Aerosole auf Wolken kann somit bewirken, dass sich die Erdoberfläche abkühlt.

Fiedler und ihr Team testen in ihren Simulationen zudem, ob auf trockenen, landwirtschaftlich nicht bepflanzten Flächen Bodenpartikel aufgewirbelt werden und als Aerosole in der Atmosphäre transportiert werden. »Bodentrockenheit ist eine Voraussetzung für die Emission von Staub-Aerosolen. Des Weiteren braucht man starke Winde, die die Bodenpartikel in die Atmosphäre eintragen «, erläutert Fiedler.

Bislang gehen die Forscherinnen davon aus, dass an gewissen Orten ein Rückkopplungsmechanismus entstehen könnte: Staub- Aerosole in der Atmosphäre lassen den Boden austrocknen, wodurch wiederum mehr Staub in die Luft gelangt. Wenn dann noch der Grundwasserspiegel absinkt und sich das Klima weiter erwärmt, könnten ähnliche Verhältnisse in Teilen Europas herrschen wie damals in den USA.

Fiedler und ihr Team wollen durch ihre Grundlagenforschung dazu beitragen, solch ein Schreckensszenario zu verhindern. Welche Faktoren wirken sich in welcher Weise auf das lokale Klima aus? Wenn wir das besser verstehen, können wir Menschen womöglich noch rechtzeitig gegensteuern und es erst gar nicht zu lokalen Klimakatastrophen wie Dust Bowls kommen lassen.


 

Der Sonderforschungsbereich 1502 »Regionaler Klimawandel: Die Rolle von Landnutzung und Wassermanagement« wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft in einer ersten vierjährigen Förderphase mit insgesamt knapp 10 Millionen Euro gefördert. Die Forschenden untersuchen, wie die Land- und Wasserbewirtschaftung durch den Menschen das regionale Klima beeinflusst und wie dies wiederum zu unbeabsichtigten Veränderungen im regionalen Wasserkreislauf führt. Sprecher ist Professor Dr. Jürgen Kusche von der Universität Bonn. Beteiligt sind neben den Universitäten Bonn und Köln das Forschungszentrum Jülich, der Deutsche Wetterdienst und die Universität Göttingen