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Weggerannt

Warum Vierbeiner uns Zweibeiner stehen lassen.

Warum Vierbeiner uns Zweibeinern stehen lassen.

Manchmal ist Geschwindigkeit schlichtweg eine Frage der richtigen Motivation. Wenn ein Gepard mit knurrendem Magen bei der Jagd in der afrikanischen Steppe eine Fährte aufnimmt, beschleunigt er auf bis zu 100 km/h. Dann ist man gut beraten, auch ziemlich schnell zu Fuß zu sein. Wie eine Gazelle zum Beispiel – das Tier, nicht das gemütliche Hollandrad. Die Gazelle hat mit ihren bis zu 90 km/h immerhin eine Chance, dem Jäger zu entkommen, wenn sie früh genug von dessen Angriff Wind bekommt. Der macht nämlich nach ca. 38 Sekunden Höchstgeschwindigkeit schon schlapp. Danach ist er so erschöpft, dass er sich erst mal eine Weile ausruhen muss, bevor er weitere Versuche startet, sich sein Abendbrot zu erlaufen.

Für Menschen erwacht die Motivation für läuferische Höchstleistungen – zum Glück – seltener aus einer solch existentiellen Bedrohungslage, ganz im Gegensatz zu diversen Katastrophen- und Abenteuerfilmen à la Jurassic Park. Sie wollen vielmehr bei sportlichen Wettkämpfen Edelmetalle erringen, Volk und Vaterland zu Ruhme verhelfen und vielleicht auch das eine oder andere Preisgeld einsacken. Beim 100-Meter- Lauf erreichen menschliche Kometen wie der ehemalige jamaikanische Sprinter Usain Bolt eine Spitzengeschwindigkeit von 44,72 km/h. Die US-Amerikanerin Florence Griffith-Joyner, die 1988 den bis heute gültigen Frauenweltrekord aufstellte, erreichte in der Spitze ungefähr 40 km/h. Verglichen mit einem Gepard ist das eine eher schmale Leistung. Mit einer Hauskatze können sie aber allemal das Rennen aufnehmen.

Könnten unsere Top-Geschwindigkeiten durch einen kleinen Motivationsschub erhöht werden? Etwa in der Sportarena freigelassene Raubkatzen? Oder Steuerfahnder:innen? Die alten Römer hätte es erfreut, aber Dr. Tom Weihmann sagt ganz klar: »Nein.« Der Biologe vom Zoologischen Institut hat gemeinsam mit Kollegen aus Koblenz, Tübingen und Stuttgart ein Modell entwickelt, das die Spitzengeschwindigkeit unterschiedlicher Tiere als Funktion ihres Körperbaus und Gewichts berechnet. Kurzer Spoiler: Menschen sind hier von vornherein im Nachteil, denn Geparden und Gazellen haben zunächst einmal den Vorteil, dass sie Vierbeiner sind. Hinzu kommt eine schlanke Körperform, lange Beine und eine besonders bewegliche Wirbelsäule.

»Das Modell beruht auf dem physikalischen Gleichgewicht von vorwärtstreibender Beinkraft und zu überwindendem Luftwiderstand sowie der Massenträgheit der antreibenden Muskulatur«, sagt Weihmann. Alles klar? Entscheidend ist, dass Vierbeiner im Gegensatz zu Zweibeinern galoppieren können. Dabei nutzen sie ihre Rumpfmuskulatur für den Vortrieb. Werden die Tiere zu schwer, helfen allerdings auch kräftigere Muskeln nicht mehr weiter. Größere Muskeln benötigen mehr Zeit, bis sie ihre höchste Kontraktionsgeschwindigkeit erreichen, sodass der Schritt schon vorher beendet ist. Bei Elefanten oder Giraffen begrenzen die schweren Knochen, die graden Beine und die kräftigen Muskeln daher die Höchstgeschwindigkeit, obwohl ihre Beine viel länger sind als die der Speed-Champions.

Das optimale Gewicht für den Geschwindigkeitsrausch liegt bei circa 50 kg. Das entspricht recht genau dem mittleren Gewicht von Geparden. Wird diese Grenze überschritten, nimmt auch die Sprintgeschwindigkeiten wieder ab.

Ein möglichst genaues Verständnis unterschiedlichster Bewegungsapparate ist Voraussetzung für die Entwicklung von Servicerobotern. Sie sollen in der Lage sein, sich in Umgebungen zu bewegen, die für uns Menschen optimiert sind. Diese »Helfer der Zukunft« müssen also lernen, Treppen zu steigen, ohne Opas Tee und Tabletten in hohem Bogen an die Tapete zu klatschen.

Laufroboter auf dem Mond oder Mars hingegen müssen sich über unebenes Terrain bewegen können. Denn dort oben wird im Zweifelsfall kein laufgeschwindigkeitsminderbemittelter Zweibeiner kommen, um sie aus einer – Krabbelkäfer lässt grüßen – misslichen Lage zu befreien. Zumindest lauert da kein großes gefräßiges Raubtier hinter dem nächsten Kraterrand, vor dem man weglaufen müsste. Jedenfalls wurden noch keine extraterrestrischen Exemplare gefunden…