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Was Pluto über das Erdklima sagt

Kölner Geophysiker untersucht Sandbewegungen auf dem Zwergplaneten

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Multiskalensimulationen – Als Skalen bezeichnet man in der Geomorphologie die Größenordnungen des Untersuchungsgegenstandes. So betrifft die Makroskala die morphologische Region, die Mesoskala die Land- oder Reliefformen und die Mikroskala Oberflächenoder Materialstrukturen, so wie hier zum Beispiel die Körner.

Klimamodelle gehen von einer festen Oberfläche unseres Planeten aus. Das ist falsch, sagt Dr. Eric Parteli. Denn Sanddünen sind immer in Bewegung und verändern ständig das Gesicht der Erde. Dass Sand und Staub das Klima beeinflussen, ist unstrittig. Doch wie genau sie das tun, will der Kölner Geophysiker verstehen – mithilfe der Sandbewegungen auf dem Zwergplaneten Pluto.

 Der Platz eines Physikers ist dort, wo die Gesetze der Physik gelten – also überall. Das Arbeitsgebiet von Dr. Eric Parteli vom Department Geowissenschaften spannt sich von einem einfachen Rohr mit Körnern über die eiskalten Dünen des Pluto bis hin zum heißen Sand der Sahara. Denn all diese Orte haben eines gemeinsam: Sie bestehen aus Granulaten – Partelis Fachgebiet. Dass Wüsten und ihr Sand das Erdklima beeinflussen, ist bekannt. Doch was genau dahinter steckt und welche Rolle die physikalischen Eigenschaften der Sandkörner dabei spielen, ist es nicht. Zum Verständnis dieses Einflusses will der Geophysiker mit seinem Projekt »Multiskalensimulation von Erdoberflächenprozessen« im Heisenberg- Programm der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) beitragen. »Wir wollen durch Multiskalensimulationen erforschen, wie sich Wüsten ausbreiten und wie sich das auf das Klima der Erde auswirkt.«

Multiskalensimulationen – Als Skalen bezeichnet man in der Geomorphologie die Größenordnungen des Untersuchungsgegenstandes. So betrifft die Makroskala die morphologische Region, die Mesoskala die Land- oder Reliefformen und die Mikroskala Oberflächen oder Materialstrukturen, so wie hier zum Beispiel die Körner.

Hüpfende Körner

In seinen früheren Untersuchungen konzentrierte sich der Forscher auf die Bewegungen der Dünen selbst. »Neu ist, dass wir das auf einer Multiskalenebene, das heißt von der kleinsten Partikelebene bis zur großen regionalen Ebene, untersuchen«, erklärt Parteli. Er möchte herausfinden, wie einzelne Partikel auf der Erde in Wüstengebieten aufeinander wirken und wie Staub in die Atmosphäre emittiert wird. Denn Staub ist eine wichtige Komponente unserer Atmosphäre und damit unseres Klimas: Er beeinflusst die Ökosysteme der Erde, den Wasserkreislauf und sogar die menschliche Gesundheit.

Die physikalischen Grundlagen der Emission von Staub sind allerdings noch nicht gut verstanden. Das wirkt sich auch auf die Modellierung von Wetterberechnungen aus, die bis jetzt immer mit empirisch ermittelten Daten zur Staubemission gefüttert wurden. Es gibt allerdings auch wesentliche physikalische Vorgänge, die die Emission von Staub – wie zum Beispiel aus den Dünen der Sahara – auslösen und beeinflussen. Ein Beispiel hierfür ist die sogenannte Saltation, der sprunghafte Transport der Sandkörner. Ein weiteres ist die elektrostatische Aufladung der Körner, die entsteht, wenn sie gegeneinanderstoßen. Bei der Saltation übertragen die angeschobenen Sandkörner hüpfend ihren Impuls auf andere, auf dem Boden liegende Körner. Die Kräfte, die der Wind dabei braucht, um die Körner zu transportieren, können daraufhin geringer sein als ohne Saltation. »Das wollen wir mit Hilfe von Teilchen-Simulationen besser darstellen. Das Ergebnis dieser Simulationen soll dann in Klimamodelle einfließen, die die Entwicklung des Erdklimas beschreiben«, sagt der Geophysiker.

Kollidierende Körner

Eine wichtige Rolle spielt dabei auch die elektrostatische Wechselwirkung zwischen den Teilchen. Darauf wird sich das Team besonders konzentrieren. Parteli erklärt: »Wenn Teilchen aneinander reiben, dann kann das zu elektrostatischen Ladungen führen, die wenig verstanden sind. Da möchten wir einen Beitrag leisten.« Im Moment weiß man nur, dass eine elektrostatische Ladung zustande kommt, wenn zwei Sandteilchen kollidieren – man spricht hier von Triboaufladung, die auch als Ursache für viele andere Naturphänomene gilt, zum Beispiel Eruptionsgewitter bei einem Vulkanausbruch. Auch für Explosionen in industriellen Anlagen kann sie verantwortlich sein.

Warum die Ladung zustande kommt oder wann sich die Teilchen positiv oder negativ aufladen, ist aber unbekannt. Dabei ist dies besonders spannend und wichtig, denn die Triboaufladung führt zu einer Wechselwirkung zwischen elektrostatischen Ladungen und Staubemissionen: Wenn Partikel sich gegenseitig abstoßen, können sie den Staubtransport begünstigen. Parteli möchte nun den quantitativen Einflüssen der Ladung auf den Grund gehen: »Unsere Forschung soll zum besseren Verständnis der den Staubstürmen und Vulkanblitzen zugrundeliegenden Mechanismen führen, aber auch zur besseren Kontrolle der Explosivwirkung industrieller Schüttgüter beitragen.«

Flüssige Körner

Neue Erkenntnisse zum Verhalten von Sandkörnern hat Parteli mit Hilfe seiner Simulationen bereits gewonnen. 2017 stieß er in Zusammenarbeit mit internationalen Forschern auf ein besonderes Phänomen: Granulate verhalten sich manchmal wie Feststoffe, dann wieder wie Flüssigkeiten. Es gibt bei ihnen den sogenannten Kapillareffekt, den es eigentlich nur bei Flüssigkeiten geben dürfte. Wenn man etwa eine Röhre in ein Gefäß mit Flüssigkeit steckt, steigt das Wasser in der Röhre empor. Der Effekt entsteht dadurch, dass die Anziehungskräfte zwischen den Molekülen in der Flüssigkeit diese zusammenhalten, während die Anziehungskräfte zwischen diesen Molekülen und der Röhre die Flüssigkeitssäule nach oben treibt.

Bei Granulaten wie Sand dürfte es eigentlich keinen Kapillareffekt geben, denn die Sandkörner sind so viel größer als die Moleküle, aus denen sie bestehen, dass zwischenmolekulare Kräfte gegen die Schwerkraft und Trägheit der Sandkörner nicht ankommen. Erstaunlicherweise kann man den Kapillareffekt bei einem Granulat aber trotzdem beobachten, wenn man im Labor das Gefäß mit dem Sand einer kleinen vertikalen Vibration aussetzt. Die Wissenschaftler machten in ihren numerischen Simulationen folgende Beobachtung: Bei vertikalen Vibrationen entstand eine Strömungsbewegung, die einen Massentransport in horizontaler Richtung verursachte. Das wiederum führte zu einem Aufwärtsdruck auf die Basis der Sandsäule in der Röhre, weshalb sie anstieg. Geschwindigkeit und Höhe des Anstiegs hingen von der Größe der Röhre ab.

Wie der Sandtransport auf Pluto funktioniert

Ansammlungen von Granulaten kennt man in der Natur vor allem als Dünen, die durch den Wind geformt werden. Ihre Bildung ist abhängig von der Schwerkraft und der Atmosphäre. Auf der Erde herrschen hierfür hervorragende Bedingungen, im Weltraum sieht das schon anders aus. So waren sich die Forscherinnen und Forscher vor der NASA-Weltraumsonde New Horizons einig, dass es auf Pluto keine Dünen geben könne. Dort ist die Schwerkraft etwa zwanzig Mal kleiner und die Atmosphäre eine Million Mal dünner als auf der Erde – zu dünn, um den Transport der Körner anzuschieben. Doch auf den Bildern, die die Raumsonde zurück zur Erde schickte, waren deutlich Dünen zu sehen. »Wir wollten erklären, warum Dünen auf dem Pluto vorkommen«, sagt Parteli. Dazu musste er berechnen, wie sie sich bewegen.

Es stellte sich heraus, dass auch hier die Saltation für die Bewegung des Sandes verantwortlich war. »Die Einschläge der Körner in Saltation setzen neue Teilchen in Bewegung«, sagt Parteli. »Wenn einmal der Sandtransport begonnen hat, kann er mit Unterstützung der Saltation erhalten bleiben. Dafür reichen dann kleinere Winde.« Auf der Erde reichen für den Erhalt der Saltation Winde aus, die zwanzig Prozent schwächer als die sind, die den Sandtransport in Gang gesetzt haben. Doch durch die wesentlich geringere Schwerkraft des Pluto und den extrem niedrigen atmosphärischen Druck reicht hier weniger: »Die Geschwindigkeit der Erhaltungswinde kann dort hundertmal kleiner sein als die Anfangsgeschwindigkeit «, erklärt Parteli.

Die Erkenntnisse, die die Gruppe um Parteli durch ihre Arbeiten gewonnen hat, sollen nun miteinander verknüpft werden: Die mikroskalige Simulation soll die Interaktion der Körner miteinander erklären, im mesoskaligen Bereich wird es die Dünenforschung fortsetzen, die Parteli auf Pluto und Mars bereits durchgeführt hat. Die Ergebnisse werden dann auf die Erde angewendet. Schließlich soll eine makroskalige Simulation die gewonnenen Daten auf die regionale Ebene übertragen: »In den Klimamodellen wird die Erdoberfläche als fest angenommen«, so der Forscher. »Allerdings verändern sich die Positionen der Dünen und der Orte, wo Staub emittiert wird, über die Jahre und die Jahrhunderte.« Er schließt: »Wir haben die Kapazitäten und auch das Knowhow, das zu machen.«

 

Dr. Eric Parteli untersucht Granulate von den Dünen der Planeten des Sonnensystems bis zu Transportröhren und Farbdruckern. Mit seinem Projekt »Multiskalensimulation von Erdoberflächenprozessen « im Heisenberg-Programm erforscht er die physikalischen Grundlagen, die Klimamodellen und Wetterprognosen zugrunde liegen. Das prestigereiche DFG-Programm richtet sich an herausragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die alle Voraussetzungen für die Berufung auf eine dauerhafte Professur erfüllen. Während sie sich auf eine spätere wissenschaftliche Leitungsfunktion vorbereiten, werden sie gefördert, damit sie an einem Ort ihrer Wahl ihre hochkarätigen Projekte fortsetzen und ihre wissenschaftliche Reputation weiter steigern können.