Es antwortet Prof. Dr. André Bresges, Institut für Physikdidaktik
Das war die beliebteste Prüfungsfrage meines damaligen Vorgesetzten, Physikprofessor Dr. Gernot Born aus Duisburg. Fast jeder Studierende hatte eine faire Chance, diese Frage innerhalb von 10 Minuten zu beantworten. Besonders Gewitzte konnten mit der Antwort aber auch locker 45 Minuten Prüfungszeit füllen, ohne sich einmal zu wiederholen. (Praktisch, denn dann hatte der prüfende Professor keine Chance mehr, noch eine weitere Frage zu stellen.) Wir streiften dabei regelmäßig die Geschichte der Entstehung von Sternen nach dem Urknall, der Ausbreitung von Licht, der Bewohnbarkeit der Erde und der Suche nach außerirdischem Leben.
Aber der Reihe nach. Die Sonne schickt weißes Licht zu uns, eine Mischung aus allen möglichen Farben von Rot über Grün zu Blau. Das blaue Licht wird von den Staubteilchen in der Luft stärker gestreut als das rote Licht. Wenn wir mittags zum Himmel aufschauen, sehen wir das gestreute Licht aller Staubteilchen über uns.
Warum wird aber blaues Licht stärker gestreut als weißes Licht? Licht ist eine elektromagnetische Welle, eine Störung, die sich mit konstanter Geschwindigkeit durch Raum und Zeit ausbreitet. Wenn diese Welle eine hohe Frequenz hat, erkennt unser Auge sie als blaues Licht. Ist die Welle niederfrequent, erscheint sie uns als rot.
Die Luft um uns herum besteht nicht aus »Nichts«, sie besteht aus Gasmolekülen wie Kohlendioxid, Paaren von Sauerstoff- oder Stickstoffmolekülen und feinen Staubteilchen. Sie alle bestehen aus positiv geladenen Teilchen in ihren Atomkernen und negativ geladenen Teilchen in ihren Atomhüllen.
Kommt eine elektromagnetische Welle von der Sonne vorbei, ziehen die elektrischen Felder dieser Welle an den Atomhüllen und an den Atomkernen – nur in unterschiedliche Richtungen! Da sie entgegengesetzt geladen sind, reagieren sie genau gegensätzlich auf die Welle. Hülle und Kern schwingen gegeneinander wie bei einer Spielzeugfeder, die man gespannt hat und dann hochwirft.
Elektrische Ladungen, die schwingen, strahlen selbst eine elektromagnetische Welle aus. Jedes Atom wird dadurch zu einem kleinen Sender, der rundum elektromagnetische Wellen ausstrahlt.
Je höher die Frequenz ist, desto besser lassen sich die kleinen Gasmoleküle dadurch zum Schwingen anregen. So ähnlich wie bei einer sehr hoch gestimmten Stimmgabel: Je höher man singt, desto mehr schwingt sie mit. Wir sehen also am blauen Himmel um uns herum das Schwingen vieler kleiner Antennen.
Die dafür benötigte elektromagnetische Welle entsteht im Gas der Sonne, genauer in der Photosphäre. Der Weltraum ist seit dem Urknall mehr oder weniger gleichmäßig mit leichten Gasen wie Wasserstoff gefüllt. Da sich alle Teilchen durch die Gravitation gegenseitig anziehen, ballt sich der Wasserstoff früher oder später zu Sternen zusammen. Im Innern der Sterne ist der Druck groß genug, dass die elektrische Abstoßung zwischen den gleichnamig geladenen Atomkernen überwunden wird; es kommt zu einer Fusion der Atomkerne. Die Atomkerne sind nach der Fusion in einer heftigen Schwingungsbewegung, die Elektronen aus der Atomhülle des Wasserstoffs werden mit hoher Energie davongeschossen, stoßen aneinander und arbeiten sich in einer Kette von Schwingungen und Stoßbewegungen bis zur Oberfläche der Sonne vor.
Alle diese atomaren Bauteile sind elektrisch geladen, und wenn elektrische Ladungen schwingen, strahlen sie elektromagnetische Wellen aus. Das ist der gleiche Vorgang wie vorhin in der Lufthülle der Erde. Die Schwingungen der heißen, atomaren Bausteine im Gas der Sonne übertragen sich auf die ebenfalls geladenen Hüllen und Kerne der Atome in der Lufthülle unserer Atmosphäre und bringen diese zum Schwingen. Da die Atome die hochfrequenten Schwingungen besser aufnehmen als die niederfrequenten, leuchtet die Atmosphäre um uns herum blau, und die untergehende Sonne erscheint rot.
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