Die Digitalisierung macht deutschen Verlagshäusern zu schaffen. Sinkende Verkaufszahlen, geringere Werbeerlöse und eine mangelnde Zahlungsbereitschaft für Onlinejournalismus stellen sie vor neue Herausforderungen. 19 Kölner Studierende fragten bei führenden Medienunternehmen in Köln und Hamburg nach.
Seit dem Jahr 2000 ist die Zahl der verkauften Zeitungen in Deutschland von 23,9 Millionen auf 15,3 Millionen im Jahr 2016 gesunken. Das führt zu schrumpfenden Werbeerlösen: Die Netto-Werbeeinnahmen gingen von rund 6,557 Milliarden Euro auf rund 2,651 Milliarden Euro zurück. Die deutsche Zeitungslandschaft ist in der Krise und versucht ihre Nutzer dort abzuholen, wo sie ihre Zeit verbringen: im Internet. Doch dort sind klassische Verlagshäuser schon lange nicht mehr die einzigen Akteure, die journalistische Inhalte anbieten. Die Konkurrenz durch Webseiten wie T-Online.de und ard.de steigt ständig. Die schiere Masse an kostenlos zugänglichen Nachrichten macht es zudem schwierig, die Nutzer zu motivieren, für hochwertige Berichterstattung online zu bezahlen.
Die weltweit größte Nachrichtenagentur Reuters hat im Digital News Report 2017 herausgefunden, dass 90 Prozent der Deutschen auch in Zukunft nicht für Journalismus im Internet bezahlen wollen. Und nicht nur bei Nachrichten ist das kostenlose Onlineangebot riesig. Stellenangebote, Wetter, Wohnungsannoncen und Kleinanzeigen – früher ein klassisches Geschäft der Zeitungen und Anzeigenblättern – lassen sich mittlerweile kostenlos im Netz finden. Das macht Qualitätsjournalismus immer schwieriger zu finanzieren. In einer Exkursion im Rahmen des Kurses »Management of Journalism« von Professor Dr. Christian Wellbrock haben Studierende der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät in Köln und Hamburg führende Medienunternehmen besucht, um mehr über ihre Strategien im Umgang mit dieser neuen Realität zu erfahren.
Öffentlich-Rechtlich und Privat im Kampf um Aufmerksamkeit
Institutionen, die bis dato klar definierte Märkte und Einflussbereiche hatten, konkurrieren heute im Internet miteinander. Zuvor hatten Verlage den Printmarkt unter sich aufgeteilt, während das duale Rundfunksystem die Beziehung zwischen privaten und öffentlichrechtlichen Anbietern in Hörfunk und Fernsehen regelte. Gerade für die öffentlich-rechtlichen Anbieter ist es aber schwierig relevant zu bleiben, ein breites Publikum zu erreichen, weil beispielsweise junge Nutzer nicht mehr linear fernsehen, sondern sich nur das, was sie sehen wollen, auf neuen Plattformen wie Netflix oder Amazon abholen. Deshalb setzen die Öffentlich-Rechtlichen zunehmend auf digitale Verbreitungswege, um junge Nutzer dort abzuholen, wo sie Informationsangebote nutzen.
Verlage sehen hierin jedoch einen unzulässigen Eingriff in den digitalen Markt für journalistische Erzeugnisse: Sie wollen nicht mit zwangsbeitragsfinanzierten Inhalten in Konkurrenz treten müssen. Eine entscheidende Rolle spielt in diesem Konflikt der langjährige Rechtsstreit um die Tagesschau App (seit 2010). Die Verlage monieren, dass die ARD mit den Artikeln in der App in den Markt des Verlagswesens eindringe. Entschieden wurde, dass öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten ihr Programm durch digital verbreitete Texte ergänzen können, solange diese Inhalte nicht »presseähnlich« sind. Mit diesem Begriff sollen vage jene Texte gefasst werden, die das Potenzial haben, mit den Artikeln von Bild.de, Spiegel Online und ähnlichen Anbietern in Wettbewerb zu treten. Die juristische Ausdifferenzierung dessen, was »Presseähnlichkeit« genau bedeutet, wird die Gerichte jedoch noch einige Jahre beschäftigen.
Verlage versus Google
Ein weiteres Konfliktfeld entstand vor zehn Jahren zwischen den Verlagen und dem Internet-Giganten Google. Google nutzte über Portale wie Google News Teile der journalistischen Inhalte der Verlage kostenlos, um damit eigene Werbeerlöse zu erzielen. Diese sogenannten News-Aggregatoren bedienen sich der Überschriften und Textausschnitte anderer Webseiten, um dem Nutzer ein personalisierbares Nachrichtenportal anzubieten und auf die Artikel in vollem Umfang zu verlinken. Das Verlagswesen bangte um seine Werbeerlöse aus dem Onlineangebot.
News-Aggregatoren
Ein Aggregator (lateinisch aggregare für »ansammeln«) ist eine Software oder ein Dienstleister, der digitale Medieninhalte sammelt, aufbereitet und abschließend kategorisiert. Beispiele für Inhalte sind digitale Filme, Fotos, Musik und Nachrichten. Die Aggregatoren sollen der Leserin und dem Leser Zeit sparen.
Im August 2012 wurde dann auf das Bestreben der Verlage hin das »Leistungsschutzgesetz« in Deutschland durchgesetzt, das vorsah, dass Suchmaschinen wie Google journalistische Inhalte bei den Verlagen lizenzieren müssen. Bevor das Gesetz in Kraft trat, stellte Google die großen Verlage jedoch vor eine Entscheidung: Entweder sie verzichteten vollends darauf, dass ihre Inhalte auf der Plattform auftauchen, oder sie erteilen Google eine Blankolizenz, mit der das Unternehmen die Inhalte wie bisher nutzen konnte. Am Ende lehnte kein Verlag das Angebot ab – auch aufgrund der Konkurrenz untereinander. Einige Verlage versuchen seitdem durch die Kombination von freien und kostenpflichtigen Angeboten die Reichweite der News-Aggregatoren zu nutzen, um dann zahlungsbereiten Nutzern weitere Angebote oder Abonnements zu verkaufen.
Funke und DuMont: Lokale Zeitungen im World Wide Web
Lars Haider, Chefredakteur des Hamburger Abendblatts, fürchtet Google nicht. Auch am Kiosk könne man sich die Schlagzeilen verschiedener Zeitungen ansehen. Der Hamburger entscheide sich dann aber trotzdem für das Hamburger Abendblatt – auch online, obwohl die Zeitung nie kostenlose Inhalte im Netz verbreitet habe. Diese Gelassenheit gründet in seiner Marktsituation: Das Hamburger Abendblatt will lokalen Qualitätsjournalismus bieten und konkurriert auf diesem Gebiet mit keinem anderen Hamburger Blatt.
Die Funke Mediengruppe mit Hauptsitz in Essen – zu der auch das Hamburger Abendblatt gehört – verfolgt allerdings nicht mit allen Produkten diese Strategie der Spezialisierung: Die Berliner Morgenpost beispielsweise konkurriert mit anderen Lokalzeitungen in der Hauptstadt und bietet deswegen weiterhin kostenlose Artikel an. Ähnlich sieht es für die Zeitungen des Kölner Verlagshauses DuMont aus: Aufgrund der Konkurrenz mit anderen Zeitungen für den Kölner Raum setzen Express und Kölner Stadtanzeiger mit ihren Onlineangeboten auf Reichweite. Sie bieten ihre Inhalte dort komplett kostenlos an.
Magazine: Springer und Gruner + Jahr setzen auf spezielle Zielgruppen
Etwas anders entwickelt sich der Markt für Zeitschriften – in Richtung einer Ausdifferenzierung nach speziellen Interessen. Während die Werbeeinnahmen allgemein informierender Magazine wie Focus, Spiegel und Stern von 2000 bis 2016 um rund 27 Prozent zurückgegangen sind und die Auflagen sinken, wächst die Zahl der Nischenprodukte. So auch beim Berliner Axel-Springer-Verlag: Zusätzlich zu Auto- und Computer Bild, die ohnehin spezielle Zielgruppen haben, setzt der Konzern auf weniger häufig erscheinende Blätter zu besonderen Themen: zu Oldtimern, Caravans und Sportwagen.
Springer hat auf die Veränderungen des Marktes radikal reagiert: 2013 trennte sich das Unternehmen von seinen regionalen Tageszeitungen und investierte in digitale Plattformen wie immowelt und stepstone. Deshalb machte der Springer-Verlag beispielsweise im ersten Quartal 2018 bereits 70 Prozent seines Gesamtumsatzes von 773 Millionen Euro mit Digitalangeboten.
Das Hamburger Medienunternehmen Gruner + Jahr, eins der größten Verlagshäuser Europas, möchte sich das Auflösen der Grenzen zwischen Medienformen zunutze machen. Das G + J Greenhouse Innovation Lab soll das Angebot neben den Printangeboten auf Plattformen wie YouTube-Kanälen oder Apps erweitern. Dadurch entstehen ganz neue Verbreitungswege.
Kooperation statt Konkurrenz?
Es gibt keinen Masterplan Angesichts der Ressourcenknappheit wäre eine mögliche Lösung für die Verlage, sich in einer Plattform zusammenzutun, in der sich Nutzer digital die Artikel verschiedener Verlage zu einer personalisierten digitalen Zeitung zusammenstellen können. Jens Uehlecke vom G + J Greenhouse Innovation Lab sieht das kritisch: Es fände keinen Anklang bei den Lesern. Das Nutzungsverhalten bezüglich journalistischer Inhalte sei zu verschieden zu dem von Musik oder Film, bei dem sich Streamingplattformen bereits etabliert haben. Das Produkt würde hier nur einmalig konsumiert und der Nutzer würde keinen Mehrwert erhalten, wie beispielsweise beim Sammeln von Musik.
Eins wurde den Studierenden in den vielen Gesprächen klar: Es gibt keine allgemeingültigen Antworten auf den Wandel der Medienmärkte. So unterschiedlich die Unternehmen sind, so verschieden sind auch ihre Strategien. Meist verfolgen sie mehrere Strategien gleichzeitig. Kaum einer setzt ausschließlich auf Print, Online-Werbeerlöse oder Bezahlschranken. Vielmehr versuchen sie, die Umsatzquellen neu zu verteilen.