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Treuer Gefährte

Prof. Christian Katzenmeier, Institut für Medizinrecht, über einen Gummibaum, der ihn schon lange Zeit begleitet

Jeder kennt sie, jeder hat sie: Dinge, die unter den vielen Gegenständen, die sich im Laufe der Zeit in der Wohnung oder dem Büro angesammelt haben, einen besonderen Stellenwert haben. Professor Dr. Christian Katzenmeier vom Institut für Medizinrecht über einen Gummibaum, der ihn schon lange Zeit begleitet.


Im Spätsommer 1994 begann ich als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Heidelberg. Das Institut für geschichtliche Rechtswissenschaft war beheimatet in einem sehr schönen Gebäude inmitten der historischen Altstadt, die Zimmereinrichtung war allerdings trist. Um meinen Arbeitsplatz ein wenig aufzuhübschen, erwarb ich am ersten Institutstag in der Mittagspause für eine D-Mark ein winziges Gummibäumchen.

Diese Pflanze war schon damals gänzlich außer Mode, schmückte sie doch in der Nachkriegszeit spießige, mit Nierentischen, Tütenlampen und Cocktailsesseln ausgestattete Wohnzimmer. Aber auf einer Reise durch Indonesien in den Wochen vor Dienstbeginn beeindruckte mich diese Pflanzenart, in freier Natur wird der ficus elastica bis zu über zwanzig Meter hoch, ist anspruchslos, robust und widerstandsfähig.

Kaum hatte ich meinen Winzling auf einer Fensterbank am Heidelberger Institut platziert, klopfte mein akademischer Lehrer vor jedem Wochenende, um ihm Wasser zu spenden. Der Gummibaum inspirierte ihn – Jahrgang 1935, Rechtswissenschaftler und Rechtshistoriker – zu hochinteressanten Erzählungen über die jungen Jahre der Bundesrepublik. Mit dem Bäumchen wuchs und gedieh das Lehrer- Schüler-Verhältnis zu einer engen Verbindung.

Im Sommer 2002 wechselte ich an die Uni Köln auf eine Professur für Bürgerliches Recht und Zivilprozessrecht. Zunächst pendelte ich von Heidelberg, kümmerte mich kaum um die Pflanze. Sie litt. Als ich nach Gründung des Instituts für Medizinrecht im Jahr 2005 nach Köln zog, nahm ich den Gummibaum mit und stellte ihn wieder in mein Arbeitszimmer.

Der Baum durchlebte weitere Umsiedlungen des Instituts vom Albertus-Magnus- Platz an den Höninger Weg, in die Aachener Straße und schließlich in die Universitätsstraße. Über die Jahre wurde er Zeuge und Begleiter unzähliger Forschungsprojekte, Gutachten, Kommentierungen neuer Gesetze – von der Schuldrechtsmodernisierung und der Schadensersatzrechtsänderung bis hin zu den vielen Reformen unseres Gesundheitssystems.

Heute wundert sich mancher Besucher des Instituts für Medizinrecht über das schiefe und krumme Gewächs in meinem Zimmer, Mitarbeiter amüsiert es. Sie wissen nicht, dass die Topfpflanze älter ist als die meisten von ihnen, dass sie mich seit meinem ersten Tag an der Hochschule vor nunmehr dreißig Jahren begleitet – ohne je besondere Ansprüche zu stellen. Damit ist der Gummibaum ein ganz wunderbar aus der Zeit gefallener treuer Gefährte.