Wenn es um Wissenschaftskommunikation geht, ist Jacob Beautemps einer der erfolgreichsten deutschsprachigen YouTuber. Sein Kanal »BreakingLab« hat über 550.000 Abonnent*innen. In seinen Videos erklärt der Doktorand am Institut für Physikdidaktik mit großer Faktengenauigkeit, wie Wärmepumpen funktionieren, ob ein Tempolimit sinnvoll ist oder was es mit parallelen Universen auf sich hat.
Das Gespräch führte Jan Voelkel
Jacob, Millionen Menschen schauen sich deine Videos zu sehr komplexen wissenschaftlichen Themen an. Kann man das Erklären lernen?
Ich denke, dass jeder oder jede lernen kann, gut zu kommunizieren und einem Publikum Wissen zu vermitteln. Bestimmte Techniken kann man sich aneignen. Ich habe sogar eine Keynote, in der ich zeige, wie man mit nur sechs Regeln deutlich erfolgreicher Wissen vermittelt. Da geht es zum Beispiel um Aufhänger, die man zu Beginn setzten muss, um Interesse zu wecken. Auch sollte man Zahlen visualisieren, da wir Menschen so eine schlechte Intuition dafür haben. Meine liebste Regel bezieht sich auf das Stellen von Fragen. Dazu gibt es tolle Forschung, die gezeigt hat, wie die richtigen Fragen bei Erklärungen Orientierung geben und zu einem viel besseren Verständnis führen.
Manchen Wissenschaftler*innen fällt es schwer, ihre Themen laiengerecht zu kommunizieren. Warum eigentlich?
Ich führe sehr viele Interviews mit Leuten aus der Forschung. Viele haben Bedenken, von Kollegen oder Kolleginnen in ihrem Themenfeld nicht richtig ernst genommen zu werden, wenn sie Dinge vereinfacht ausdrücken. Dabei habe ich es tatsächlich noch nie erlebt, dass jemand von anderen Forscher*innen kritisiert wurde, weil er Dinge populärwissenschaftlich erklärt hat. Bei Harald Lesch kommt niemand auf die Idee zu sagen: »Den Mann kann man wegen seiner Fernsehsendungen ja nicht ernst nehmen.« Es gibt manchmal eine Hürde im Kopf. Aber ich glaube, solange inhaltlich alles korrekt ist, ist es auch innerhalb der Forschungscommunity vollkommen in Ordnung, Dinge zu vereinfachen und in verdaulichen Häppchen zu präsentieren.
Kann es sein, dass es gerade dann schwerfällt, sich auf die wesentlichen Dinge zu fokussieren, wenn es um sehr komplexe Dinge geht?
Das ist auch wirklich schwer. Man muss richtig Hirnschmalz investieren. Wie breche ich Dinge runter? Wie kann ich eingängige Beispiele und Bilder finden, um Sachverhalte zu visualisieren? Denn das hilft den meisten Menschen, gerade bei sehr abstrakten Themen. Aber das kann man lernen. Es gibt Regeln, die man befolgen kann und die einem das Erklären erleichtern. Es hilft zum Beispiel, sich immer wieder sein Publikum ins Gedächtnis zu rufen, um Dinge nicht zu verkomplizieren. Auch ist es super, mit Leitfragen zu arbeiten, auf die man immer wieder zurückkommt. Das gibt dem Publikum Orientierung und hilft, am Ball zu bleiben. Wenn ich Videos produziere, arbeite ich mit Cliffhangern zwischen einzelnen Teilen, um die Spannung aufrecht zu halten. Das kann man auch bei jedem wissenschaftlichen Vortrag einbauen und üben.
Muss heutzutage jede*r in der Wissenschaft auch ein guter Wissenschaftskommunikator werden?
Das ist vielleicht zu viel verlangt. Aber ich finde es schon gut, wenn Leute in der Forschung – in welcher Form auch immer – ihr Wissen an die Allgemeinheit weitergeben. Schließlich ist Forschung nicht unwesentlich durch die Öffentlichkeit finanziert. Forschende können etwa mit professionellen Kommunikatoren zusammenarbeiten, um die Wissenschaft in die Öffentlichkeit zu bringen. Ich sehe mich zum Beispiel ein bisschen als Übersetzer. Wenn ich ein Interview führe, ist es meine Aufgabe, Inhalte so verständlich zu erklären, dass die Leute draußen sie verstehen. Es ist nicht primär die Aufgabe der Forschenden. Die haben die Aufgabe, meine Fragen zu beantworten. Und wenn ich etwas noch nicht verstanden habe, frage ich nach.
Fördermittel für große Forschungsprojekte sind heute oft daran gekoppelt, auch Öffentlichkeitsarbeit zu machen. Findest Du das richtig?
Ja, prinzipiell schon. Man muss allerdings auch bedenken, dass Wissenschaftler mit Lehre und Forschung ziemlich ausgelastet sind. Das weiß ich aus eigener Erfahrung. Daher wäre es wichtig, dass Kommunikation, wenn sie eingefordert und gefördert wird, auch Teil der Arbeitszeit ist und es die Kapazitäten dafür gibt. Grundsätzlich glaube ich, dass es vor allem bei jungen Wissenschaftlern, die mit Wissenschaftssendungen oder YouTube groß geworden sind, ein großes Interesse dafür gibt, zu lernen, wie man gut kommuniziert.
Hattest du schon immer ein breites Interesse an Wissenschaft?
Definitiv, ich habe Wissenschaft immer geliebt. Als Kind habe ich Roboter gebaut. Ich wollte früher gerne etwas im Bereich Ingenieurswissenschaften machen, aber auch Physik und Informatik fand ich spannend. Mein Studium hat mir dann ein gutes Rüstzeug für die Wissenschaftskommunikation gegeben. Viele neue Entwicklungen kann man mit Physik zumindest teilweise erklären. Dass ich irgendwann in den Medien lande, hätte ich aber nicht gedacht.
Deine Videos haben Aufrufzahlen, die teilweise in die Millionen gehen. Wodurch zeichnen sie sich aus?
Meine YouTube-Beiträge sind ziemliches »Wissensgeballer«. Es kommt ein Fakt nach dem nächsten. Der Erfolg zeigt, dass Leute den Wunsch haben, Dinge wirklich zu durchblicken. Das ist etwas, das mir auch oft geschrieben wird. Etwa beim Thema Tempolimit. Dazu hat man zwar schon viel gehört, aber oft nur von Politikerinnen und Politikern. Da gibt es dann diese oder jene Meinung. In unserem Video haben wir uns nicht mit Meinung und Gegenmeinung beschäftigt, sondern uns wertfrei die Physik angesehen. Wie sieht es mit dem Luftwiderstand verschiedener Autotypen aus? Wie ist die Studienlage? Wie viele Personen fahren eigentlich über 130 km/h und wo ist das überhaupt möglich? Das Feedback und auch die Auswertungen der Daten zeigen, dass es gerade bei den YouTube-Videos total wichtig ist, dass ich tief in die Materie eindringe. Dazu gehört natürlich auch eine intensive Recherche der Fakten und die Überprüfung, ob Quellen verlässlich und frei von irgendwelchen Interessen sind.
Wissensformate erleben im klassischen TV, aber auch online ein Hoch. Während der Coronapandemie wurden Forscher*innen zu Prominenten. Ist es eine gute Zeit für die Wissenschaftskommunikation?
Wir leben in einer Wissensgesellschaft. Wissen ist so wertvoll wie nie zuvor. Das bedeutet auch, dass der Transfer von Wissen essenziell für den Fortschritt ist. Ob in der Schule, im Studium oder in Weiterbildungen: Wir verwenden sehr viel Zeit darauf, zu lernen, uns Wissen anzueignen, unsere Fähigkeiten zu entwickeln. Im Verhältnis investieren wir aber sehr wenig Zeit dafür zu lernen, wie man das alles weitergibt. Das Erklären und Weitergeben von Wissen ist eine Fähigkeit, die nicht nur im Bereich Wissenschaftskommunikation hilft. Sie hilft in allen Lebensbereichen weiter: in der Familie, im Bekanntenkreis oder am Arbeitsplatz. Auch in Unternehmen ist es ja total gut, wenn man fachfremden Kollegen erklären kann, was im eigenen Projekt passiert. So können Synergien und neue Ideen entstehen. Daher sollten wir noch viel mehr in die Vermittlung von Wissen investieren.