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Prächtige Pflanze

Wie der hitze- und trockenresistente Amaranth dem Klimawandel trotzt

Der Klimawandel zwingt die Landwirtschaft, neue Wege zu gehen. Nutzpflanzen müssen in Zukunft besser mit Dürre umgehen können und resistenter gegen Krankheitserreger werden. Pflanzenwissenschaftler*innen am Exzellenzcluster CEPLAS haben es auf genetische Optimierung abgesehen. Sie zeigen aber auch auf, welch wichtige Rolle kleine Organismen wie Pilze und Bakterien spielen.

Von Jan Voelkel

Professor Dr. Markus Stetter vom Institut für Pflanzenwissenschaften mit einem Bund Amaranth

Vielfalt geht anders. Wir beziehen rund vierzig Prozent unserer pflanzlichen Kalorien aus gerade einmal drei Kulturpflanzen. Weizen, Mais und Reis sind für die Ernährung von Menschen weltweit unverzichtbar geworden. Sie sind fester Bestandteil unseres Speiseplans, dienen als Viehfutter, werden zur Energieerzeugung oder auch für Medizinprodukte genutzt. Dass es riskant ist, derart stark auf die ›großen Drei‹ zu setzen, wurde in der jüngsten Vergangenheit offenkundig. Als der Krieg in der Ukraine ausbrach und die Getreideexporte aus dem Land blockiert waren, hatte dies großen Einfluss auf den Weltmarkt. Immerhin ist die Ukraine mit einem Anteil von rund acht Prozent eine wichtige Akteurin im internationalen Weizenhandel. Auch verheerende Dürreperioden in Afrika haben dazu geführt, dass die dortige Weizenernte einbrach.

Global werden Ackerland, Wasser und Nährstoffe knapp und das Klima ändert sich. Gleichzeitig wächst die Weltbevölkerung. In dieser Situation braucht es neue Strategien, um den Ertrag und die Qualität von Nutzpflanzen zu verbessern und vorhandene Ressourcen zu schonen. Nur so wird es gelingen, eine nachhaltige Versorgung mit pflanzlichen Nahrungsmitteln und Rohstoffen auch für die nächsten Generationen sicherzustellen. Der Weg dorthin könnte über das Verständnis der grundlegenden genetischen Mechanismen von Pflanzen führen.

»Mir geht es darum zu verstehen, wie sich Pflanzen an ihre Umwelt anpassen«, sagt Professor Dr. Markus Stetter vom Institut für Pflanzenwissenschaften. »Wann und wie lang blüht eine Pflanze oder wie geht sie mit Stress um? Welche Gene sind da im Spiel?« Stetter ist Mitglied im Exzellenzcluster CEPLAS, in dem Wissenschaftler*innen untersuchen, wie sich Pflanzen an veränderte Umweltbedingungen anpassen, wie sie fast jeden Lebensraum der Erde besiedeln und wie diese Erkenntnisse von der Landwirtschaft genutzt werden können. Er selbst legt ein besonderes Augenmerk auf Kulturpflanzen. »Mais gibt es zum Beispiel heute auf der ganzen Welt, dabei gab es den wilden Vorfahren nur in Zentralmexiko. Innerhalb kürzester Zeit konnte sich Mais so anpassen, dass er mit verschiedensten Bedingungen zurechtkommt. Wir können uns bei den Kulturpflanzen also Evolution im Zeitraffer anschauen«, so Stetter.

Genügsames Pseudogetreide

Genau das interessiert die Wissenschaftler*innen seiner Arbeitsgruppe: wie der Wandel von Wild- zu Kulturpflanzen verläuft, wie diese sich auf der Welt verbreitet haben und welche Bedeutung diese Erkenntnisse für neue, stresstolerantere Züchtungen haben können. Neben Mais steht eine Pflanze im besonderen Fokus von Stetter und seinen Kolleg*innen. Amaranth, hierzulande oft in gepuffter Form als ›Superfood‹ im Bioladen zu finden, ist eine prächtige Pflanze. Sie wächst über einen Meter hoch und bildet leuchtend violette Blüten und Blätter aus. 

Die Amaranthpflanze wurde vor 8.000 Jahren kultiviert.

Als Kulturpflanze wird Amaranth seit rund 8.000 Jahren angebaut. Er ist sehr resistent gegenüber Hitze und Trockenheit, benötigt verhältnismäßig wenig Wasser und wird aufgrund des hohen Proteingehalts der Körner geschätzt. Zudem ist Amaranth kein echtes, sondern ein sogenanntes Pseudogetreide und daher »  glutenfrei. Für die zukünftige Sicherung der weltweiten Ernährung könnte er daher eine interessante Rolle spielen. Allerdings hat Amaranth viele menschengemachte Veränderungen typischer Kulturpflanzen noch nicht durchlaufen. Er bildet etwa verhältnismäßig kleine Samen aus, die herunterfallen anstatt an der Rispe hängen zu bleiben. Was für die Wildpflanze von Vorteil ist, um sich zu verbreiten, ist für eine Kulturpflanze, die geerntet werden soll, eher ungünstig. Hier könnten zukünftige Züchtungen ansetzen.

Für die Wissenschaftler*innen interessant ist zudem, dass Amaranth, anders als Mais, drei Mal unabhängig voneinander domestiziert wurde – zwei Mal in Mittelund ein Mal in Südamerika. »Das heißt, wir können uns ein 8.000 Jahre langes Selektionsexperiment in verschiedenen Regionen der Welt ansehen. Wir untersuchen, ob Evolution immer gleich oder unterschiedlich abläuft. Im Endeffekt entschlüsseln wir den genetischen Code und finden heraus, wie man Gene richtig an- und ausschaltet, damit etwas dabei herauskommt, das tatsächlich funktioniert«, so Stetter, der kürzlich für seine Arbeit den renommierten und hochdotierten ERC Starting Grant des Europäischen Forschungsrats eingeworben hat.

Auch wenn im Gewächshaus des Instituts für Pflanzenwissenschaften einige Amaranthpflanzen wachsen und blühen, findet die meiste Arbeit vom Stetters Arbeitsgruppe in Form von Genomsequenzierungen am Computer statt. Amaranth hat ein relativ kleines Genom mit ›nur‹ 500 Millionen Basenpaaren. Im Vergleich dazu ist Mais mit 2,3 Milliarden Basenpaaren pro Pflanze ein wahrer Erbgutriese. »Wir scannen das Genom bei tausenden Individuen der Pflanze zehn bis hundert Mal«, so Stetter. Aus dem genetischen Code können die Wissenschaftler*innen die Geschichte der Populationen decodieren und zurückverfolgen. »Daraus lernen wir, wie und unter welchen Bedingungen sich bestimmte Merkmale ausbilden und welche Populationen sich aufgrund bestimmter genetischer Grundlagen an spezielle Standorte gut anpassen. So können unsere Ergebnisse gezielte Züchtungen unterstützen. «

Um Landwirtschaft nachhaltig gestalten zu können, bedarf es Pflanzen, die auch unter schlechten Bedingungen einen guten Ertrag oder einen hohen Proteingehalt und viele Nährstoffe liefern. »Neue Kulturpflanzen, die in Anbetracht des Klimawandels besonders anpassungsfähig oder resilient sind, können einen wichtigen Beitrag zur Ernährungssicherheit leisten «, betont der Forscher. Auch Schädlinge und Krankheitserreger gilt es besser zu verstehen. Denn auch sie passen sich an ihre Umwelt an und besetzen bestimmte Nischen. »Wenn wir verstehen, wie Pathogene funktionieren und wie sich manche Pflanzen schützen, kann das auch für andere Pflanzen nützlich sein.«

Schlüsselfaktor Mikroben

Diese Idee vertritt auch Stetters CEPLASKollegin Professorin Dr. Alga Zuccaro. Ihr Ziel ist ebenso dazu beizutragen, dass Pflanzen resilienter werden. Allerdings nimmt sie dabei vor allem die Bodenmikrobiota – die Gesamtheit der kleinen Lebewesen – in den Blick, insbesondere die Organismen, die über die Wurzeln mit der Pflanze interagieren. »Am Ende wollen wir beide verstehen, wie Pflanzen auf Stress reagieren. Markus Stetter untersucht dies anhand einer bestimmten Pflanze. Meine Arbeitsgruppe untersucht, wie Mikroben die Immunantwort verschiedener Pflanzen auf biotischen und abiotischen Stress beeinflussen«, verdeutlicht Zuccaro.

Während manche Mikroben Krankheiten verursachen, können andere nützlich sein. Sie können das Pflanzenwachstum in nährstoffarmen Umgebungen steigern und ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber Krankheitserregern verbessern. Wie genau die Interaktion zwischen der Mikrobiota und der Pflanze funktioniert, ist komplex und bisher nur unzureichend erforscht. Allerdings zeigen neuere Erkenntnisse, dass die Bodenmikrobiota ein bedeutender Faktor für die Landwirtschaft und die Pflanzenzüchtung sind. Zuccaro sieht hierin großes Potential: »Wenn wir Pflanzen in einem nährstoffarmen Umfeld ohne Mikroben wachsen lassen, wachsen sie kaum und können sogar sterben. Sind jedoch Mikroben im Boden vorhanden, die mit der Pflanze interagieren, überleben sie trotz der nährstoffarmen Umgebung. Unsere Ergebnisse zeigen, dass Mikroben eine Schlüsselrolle spielen.« 

Professorin Alga Zuccaro erforscht die Interaktion von Pflanzen und Mikroorganismen im Boden.

In der Forschung zu Pflanzenkrankheiten dominierte bisher das Modell des sogenannten Krankheitsdreiecks. Es besagt, dass der Ausgang einer Krankheit von drei Faktoren abhängt: einem anfälligen Wirt, Kontakt mit einem potentiellen Krankheitserreger sowie Umweltbedingungen wie Temperatur oder Wasserverfügbarkeit. Je nach Zusammenspiel dieser Faktoren kann eine Pflanze den Erreger abwehren und ungestört weiterwachsen, oder sie wird befallen und verkümmert. »Was dieses Modell aber außer Acht lässt, sind die Bodenmikrobiota. All die kleinen Organismen – Pilze, Bakterien und andere Helfer –, die Einfluss auf die Pflanzen haben «, so Zuccaro.

Pflanzen sind, wenn sie unter dem Druck von Pathogenen stehen, in der Lage, vorteilhafte Mikroben aktiv zu rekrutieren, um Krankheitserreger zu bekämpfen. »Das ist quasi ein Schrei nach Hilfe«, erklärt die Forscherin. Zwar versucht auch das pflanzeneigene Immunsystem, die Erreger zu bekämpfen. »Durch unsere Forschung konnten wir das etablierte Krankheitsdreieck um den bisher wenig untersuchten Einfluss der Bodenmikrobiota erweitern«, so Zuccaro.

Dieses Konzept erklärt auch, warum das Pflanzenimmunsystem nicht für jeden Erreger einen aufwändigen Schutz entwickelt hat: In einem gesunden Bodenumfeld ist dies oft nicht nötig. Denn das Pathogen muss nicht nur das Immunsystem überwinden, sondern auch die Mikrobiota. »Das verändert unser Verständnis von Evolution. Wir können den Blick nicht nur auf Pathogene und Pflanzen legen. Wir müssen die Mikrobiota einbeziehen. Das ist die Essenz unserer Arbeit«, erklärt die Forscherin.

Die praktische Bedeutung dieser Erkenntnisse lässt sich anhand einer Pflanze verdeutlichen, der in Zuccaros Forschung eine große Rolle zukommt: der Gerste. In Europa sind circa fünfzig Prozent der angebauten Gerstensorten durch Mutationszüchtung Mehltau-resistent. Der resistente Phänotyp geht auf die Deaktivierung des MLO-Gens zurück. Diese Deaktivierung verhindert, dass der Mehltaupilz die Gerstenblätter infizieren kann. »Die Frage war immer, warum die Pflanzen dieses Gen nicht evolutionär verloren haben, wenn es den großen Vorteil der Resistenz mit sich bringt. Die Antwort ist, dass es eine Kehrseite gibt«, so Zuccaro. 

Der Verlust des MLO-Gens führt auch dazu, dass die Gerste nicht mehr so effektiv hilfreiche Bodenpilze rekrutieren kann, die ihr beim Wachstum und der Nährstoffaufnahme helfen. In der Landwirtschaft wird auf den Feldern Stickstoff und Phosphat ausgebracht, was die Notwendigkeit der Interaktion mit diesen nützlichen Mikroben verringert. Der Vorteil der Immunität gegen Mehltau durch das deaktivierte MLO-Gen überwiegt unter solchen Bedingungen. In der unberührten Natur, ohne künstlich zugeführte Düngemittel, ist dies allerdings nicht der Fall.

Weniger Kunstdünger in der Landwirtschaft

Das Ziel der Forscher*innen ist es, dieses Wissen um die Bodenmikroben zu verbreiten und einzusetzen, um resistente Pflanzen zu züchten, die dennoch in der Lage sind, vorteilhafte Helfer zu rekrutieren. Mehltau ist zum Beispiel ein Pathogen des Blattes. Aber die vorteilhafte Interaktion mit den Mikroben spielt sich in den Wurzeln der Gerste ab. »Man könnte also Pflanzen züchten, bei denen das MLO-Gen in den Blättern inaktiv ist, um die Resistenz gegen Mehltau zu erzielen, während es in den Wurzeln aktiv bleibt, um die Interaktion mit den Mikroben zu ermöglichen«, beschreibt Zuccaro den Ansatz. So ließe sich die Zufuhr von Stickstoff, Phosphat und Pflanzenschutzmitteln reduzieren. »Wir versuchen daher, die Züchter für die positive Rolle der Mikrobiota zu sensibilisieren.«

In industrialisierten Regionen wie Europa mag ein solcher Ansatz unnötig erscheinen. Hier ist man in der Lage, jährlich Nährstoffe auf die Felder auszubringen. In anderen Gegenden der Welt ist dies aber nicht immer der Fall. Sowohl Zuccaro als auch Stetter sind sich daher einig, dass die Erkenntnisse der Pflanzenforschung Wege aufzeigen, die auf einer globalen Skala wichtig sind und auch in Zeiten großer Umweltveränderungen funktionieren können. Gutes Management der vielen Faktoren – dem Verständnis für Züchtungen, dem Wissen um die Bedeutung von vielfältigen und neuen Kulturpflanzen oder der Interaktion aller Bodenorganismen – weisen den Weg zu einer nachhaltigeren und holistischen Landwirtschaft. 

 

CLUSTER OF EXCELLENCE IN PLANT SCIENCES 
CEPLAS ist das gemeinsame Exzellenzcluster für Pflanzenwissenschaften der Heinrich-Heine- Universität Düsseldorf und der Universität zu Köln. Das wissenschaftliche Ziel ist die Erforschung der Grundlagen und des Zusammenspiels komplexer Pflanzenmerkmale, die einen Einfluss auf die Anpassung einer Pflanze an begrenzte Ressourcen und den Ertrag haben. Die gewonnenen Erkenntnisse dienen als Grundlage für die Entwicklung und Züchtung von Nutzpflanzen, die vorhersagbar auf künftige Herausforderungen reagieren können. Neben den Universitäten Düsseldorf und Köln sind das Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung und das Forschungszentrum Jülich an CEPLAS beteiligt.