zum Inhalt springen

Napoleon am Rhein

Historikerin Prof. Ute Planert erinnert an die französischen Epoche in Köln.

Wissenschaftler:innen der Kölner Uni erforschen, erkunden und erleben Köln. Sie beschäftigen sich mit Flora, Fauna und nicht zuletzt mit den Bewohner:innen der Stadt gestern und heute. Über Interessantes, Skurriles, Typisches oder auch weniger Bekanntes berichten sie in dieser Rubrik. Dieses Mal: Professorin Dr. Ute Planert vom Historischen Institut erinnert im Jahr des 200. Todestages von Napoléon Bonaparte an die Spuren der französischen Epoche in unserer Stadt.

Der Melatenfriedhof an der Aachener Straße ist eine Oase mitten in der Großstadt. Bekannte wie weniger bekannte Kölner und Kölnerinnen ruhen hier im Schatten zahlreicher Bäume, Tiere nutzen das 435.000 Quadratmeter große Areal als Rückzugsort, Kapellen und Grabdenkmäler spiegeln die Kulturgeschichte der letzten Jahrhunderte. Hier steht auch das 1853 von Kölner Veteranen errichtete Denkmal für ihre in den napoleonischen Kriegen gefallenen Kameraden, das auf die französische Geschichte der Domstadt am Rhein verweist.

Schon der »Sonnenkönig« Ludwig XIV. hatte den Rhein als »natürliche Grenze« Frankreichs betrachtet. Nach 1789 entspann sich ein Ringen zwischen dem revolutionären Frankreich und den Mächten des Ancien Régime, das Europa ein Vierteljahrhundert in Atem hielt. 1794 eroberten französische Revolutionstruppen das linke Rheinufer. Sieben Jahre später, im Frieden von Lunéville, wurde der Anschluss des Rheinlands an Frankreich auch staatsrechtlich anerkannt.

Für Köln endete damit eine jahrhundertelange Phase politischer Selbständigkeit. Im Hochmittelalter durch das Stapelrecht – ein Vorkaufsrecht für alle auf dem Rhein transportierten Waren – zu Wohlstand gekommen, konnte sich die nur dem weit entfernten Kaiser rechenschaftspflichtige »Freie Reichsstadt« dem Einfluss des mächtigen Kölner Erzbischofs entziehen und ihre Geschicke selbst bestimmen. Allerdings litt die Handelsmetropole zunehmend unter dem aufstrebenden Atlantikhandel und verkrusteten Strukturen, sodass im ausgehenden 18. Jahrhundert viele Menschen auf Almosen von den zahlreichen Kirchen, Klöstern und Stiftungen angewiesen waren.

Die französische Eroberung änderte die Situation in Köln von Grund auf. Klöster und Stifte wurden aufgehoben, Kirchen zu Pferdeställen und Lazaretten umfunktioniert, die Universität, Schulen und Gerichte geschlossen, der Rat wie Zünfte und Gaffeln aufgehoben. Aus der von einer schmalen Elite regierten Reichsstadt mit ihrem Patronagewesen und Klientelsystem wurde der Canton de Cologne. Klar gegliederte Behörden ersetzten das Dickicht unentwirrbarer Zuständigkeiten, in dem sich so manche sinnvolle Neuerung verloren hatte. Das Armenwesen wurde vereinheitlicht und städtischer Aufsicht unterstellt. Für die Stadtfinanzen gab es erstmals einen verbindlichen Haushaltsplan. Neue Straßennahmen und Hausnummern wurden eingeführt, sodass sich aus der zugeteilten Hausnummer »4711« später der Markenname eines Duftwassers entwickelte. Auch der Melatenfriedhof verdankt sich französischer Initiative und wurde aus hygienischen Gründen außerhalb der Stadtmauern angelegt.

Alle Konfessionen waren nun gleichberechtigt. Protestanten und Juden erhielten das Bürgerrecht. Hatten Einquartierungen, Plünderungen und Kriegssteuern die Stadt zunächst sehr belastet, profitierte die Wirtschaft bald von dem Ende der Zunftbeschränkungen und einem neu angelegten Freihafen. Außerdem siedelten sich Unternehmungen aus den rechtsrheinischen Gebieten an, um von hier aus den französischen Markt zu erschließen. Zum wirtschaftlichen Aufschwung trug auch die Rechtsvereinheitlichung durch den Code Napoléon bei, der als »rheinisches Recht« bis zum Ende des 19. Jahrhunderts in Kraft blieb.

Kehrseite der Medaille war die Einführung der Wehrpflicht. Hunderte junge Kölner zogen mit Napoleon in den Krieg, doch nur wenige kehrten zurück. Als dann nach dem Ende der napoleonischen Herrschaft das Rheinland Preußen, Hessen und Bayern zufiel, wurde die Erinnerung an die französische Epoche marginalisiert, um Kritik an den neuen Verhältnissen vorzubeugen. An vielen Orten entlang des Rheins schlossen sich Veteranen daher zu Vereinen zusammen. Mit »Napoleon-Steinen« setzten sie ihren gefallenen Kameraden Denkmäler und ließen nach ihrem Tod auch die eigenen Namen in den Stein meißeln. Auch auf dem Melatenfriedhof erinnert noch heute ein solches Kriegerdenkmal an die Zeit, als Köln zu Frankreich gehörte.