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Nachhaltige Chemie

Kölner Wissenschaftler erforschen umweltfreundliche Löschschäume

Zum Löschen von brennenden Flüssigkeiten setzt die Feuerwehr spezielle Schäume ein. Diese gefährden allerdings Mensch und Umwelt. Chemiker der Uni Köln haben nun eine umweltschonende Alternative entdeckt. Doch können diese neuen Löschschäume Umweltschutz und Sicherheit vereinen?

Seit zwei Jahren kämpft die Stadt Düsseldorf mit einem Umweltproblem. Damals wurde bekannt, dass ein Bereich im Norden der Stadt mit PFT belastet ist. Die Abkürzung steht für per- oder polyfluorierte Tenside – eine Reihe chemischer Verbindungen, die nicht biologisch abbaubar sind und in Verdacht stehen, gesundheitsgefährdend zu sein. Aus Vorsorgegründen ist es den Anwohnern einiger Düsseldorfer Ortsteile infolge der PFT-Belastung verboten, Wasser aus ihren Gartenbrunnen zu schöpfen.

Die Hauptursache ist heute weitgehend geklärt: Am Düsseldorfer Flughafen wurden mehrere Stellen nachgewiesen, von denen aus die Chemikalie ins Grundwasser gelangte, darunter ein ehemaliges Löschbecken und die Unfallstelle einer 2005 verunglückten Frachtmaschine. Wie fast alle Flughafenfeuerwehren weltweit setzt auch die Feuerwehr des Düsseldorfer Airports im Ernstfall PFT-haltige Löschschäume ein, denn diese gelten als unverzichtbar in der Brandbekämpfung.

Der Kölner Chemiker Dr. Dirk Blunk beschäftigt sich schon seit vielen Jahren mit Spezialtensiden. Zu dieser Chemikalienart gehören auch die in einigen Löschschäumen enthaltenen PFT. 2010 ist die Bundeswehr auf seine Publikationen aufmerksam geworden und mit Blunk in Kontakt getreten. Seitdem fördert das Wehrwissenschaftliche Institut für Schutztechnologien – ABC-Schutz (WIS) in einer Kooperation die Erforschung umweltfreundlicher wasserfilmbildender Löschschäume an der Universität zu Köln. Blunk und seine Kollegen forschen in diesem Rahmen an Tensiden, die kein Fluor enthalten und trotzdem die für eine effektive Brandbekämpfung benötigten Eigenschaften haben.

„Wir reden hier nicht in erster Linie von Feuerlöschern für den Hausgebrauch“, betont Blunk. „Es handelt sich um spezielle Hochleistungslöschschäume, die bei Großbränden mit Flüssigkeiten oder Kunststoffen eingesetzt werden.“ Tanklager, Raffinerien, Industrieanlagen, Schiffe und eben Flughäfen auf der ganzen Welt benötigen solche Löschschäume. Dies zeigt, dass es sich hier nicht um ein lokales Problem handelt, an dem eine Forschungsgruppe der Uni Köln international führend arbeitet.

Thomas Jeziorek, Leiter der Düsseldorfer Flughafenfeuerwehr erklärt den hohen Anspruch an die Löschschäume: „Für jeden Einsatz haben wir nur eine begrenzte Löschmittelmenge. Nach zwei Minuten sind unsere Tanks leer, dann muss das ganze Flugzeug gelöscht sein.“ Neben dem schnellen Löscherfolg komme es darauf an, eine Rückzündung zu verhindern. PFT-freie Schäume seien dazu bisher nicht zuverlässig genug. Das könnte sich bald ändern, denn die Wissenschaftler um Blunk haben eine Alternative gefunden: „Wir haben erforscht, wie Löschschäume im Detail funktionieren und wie man ihre umweltschädlichen Substanzen ersetzen kann“, sagt Blunk.
 

ZUCKER IST DIE LÖSUNG

Die Besonderheit der problematischen PFT liegt darin, dass sie auf der einen Molekülseite wasseranziehend und auf der anderen zwar wasserabstoßend, aber nicht fettanziehend sind. Dadurch kann sich ein Wasserfilm zwischen Löschschaum und brennender Flüssigkeit bilden, ohne dass sich die beiden Schichten vermischen. So ein Wasserfilm ist das A und O von Löschschäumen zur Bekämpfung von brennenden Treibstoffen und Kunststoffen. Die Wasserschicht deckt das flüssige Brandgut ab und wirkt somit als kühlende und isolierende Barriere.

Brennbare Gase können dann nicht mehr an die Oberfläche gelangen. Vor allem aber sorgt der spiegelglatte Wasserfilm dafür, dass sich der Schaum blitzschnell ausbreitet. Und sollte die Schaumschicht einmal durch Trümmerteile beschädigt werden, repariert sie sich dank des Wasserfilms in kürzester Zeit von selbst. Für die Brandbekämpfung sind die Eigenschaften wasserfilmbildender Schäume ein Segen.

Das Löschen von großflächigen Flüssigkeitsbränden wird so überhaupt erst möglich. Es gibt aber auch eine Kehrseite: Gelangen PFT einmal in die Umwelt, ist ihre Verbreitung kaum mehr zu kontrollieren. Selbst in der Arktis lässt sich die Substanz mittlerweile nachweisen. Über Trinkwasser und Lebensmittel sammeln sich PFT auch schleichend in unseren Körpern an. Die Auswirkungen der fluorierten Chemikalien im menschlichen Organismus sind zwar noch nicht abschließend untersucht, die Verbindungen stehen jedoch stark im Verdacht, Krebs auszulösen.

Mittlerweile ist die einstige Hauptkomponente PFT-haltiger Löschschäume international verboten. Hersteller brachten daraufhin wasserfilmbildende Schäume mit leicht modifizierten Verbindungen auf den Markt. Das Umweltproblem haben sie damit jedoch nicht gelöst, da diese Mittel ebenfalls Fluor enthalten – wenn auch teilweise in geringeren Mengen. Denn minimale Bestandteile müssen bei der Inhaltsangabe der Löschschäume nicht genannt werden. Blunk kritisiert die bisherigen Alternativen deshalb als Mogelpackungen: „Wir haben deutliche Hinweise darauf, dass manche wasserfilmbildende Löschschäume, die jetzt im Handel als fluorfrei verkauft werden, nicht vollständig fluorfrei sind“, so der Chemiker.

Zusammen mit seinen Kollegen hat er nun umweltfreundliche Substanzen gefunden, die es durchaus mit der Leistung von PFT-Schäumen aufnehmen können. Das Ergebnis jahrelanger Forschung sind völlig neue Löschmittel, deren Tenside aus nachwachsenden Naturstoffen hergestellt werden. Um die besonderen Eigenschaften zu erzielen, koppelten die Wissenschaftler Kohlenhydrate – also Zucker – mit Siloxanen, die sich in ähnlicher Weise auch in Seifen und Waschmitteln befinden.

Damit ist es ihnen gelungen, Tenside herzustellen, die denselben Effekt wie die fluorhaltigen Moleküle in PFT-Schäumen erzielen aber gleichzeitig gut in der Natur abbaubar sind. Blunk spricht von nachhaltiger Chemie. In den beigemischten Substanzen befinde sich kein einziges Fluoratom: „Wir haben nichts zu verstecken, was nach derzeitigem Wissen umweltgefährdend ist. Sämtliche Bestandteile kann man in unseren Patenten nachlesen“, betont Blunk.
 

ERSTE ERGEBNISSE ZEIGEN, DASS ES KLAPPT

Gerade letztes Jahr hat die kanadische Regierung genau den Siloxanbaustein getestet, den auch die Kölner Chemiker für ihre alternativen Löschschäume verwenden. Der Test kam zu dem Ergebnis, dass diese Verbindung weitgehend unbedenklich ist. Zusammen mit dem Umweltministerium Nordrheinwestfalens sind nun weitere ökotoxikologische Tests geplant. „Natürlich ist es immer am besten“, so Blunk, „den Eintrag von Tensiden in die Natur oder das Wasser zu vermeiden. Aber wenn sich der Einsatz in einer Gefahrenlage nicht vermeiden lässt, sollte die leistungsfähigste und dabei am wenigsten schädliche Variante gewählt werden.“

Einige Hundert solcher Siloxan-Kohlenhydrat- Verbindungen haben sich Blunk und seine Kollegen bereits patentieren lassen. Dank ihrer Forschung könnten PFT-haltige Löschschäume bald wirklich der Vergangenheit angehören. Politik, Industrie und Versicherungen zeigen schon jetzt ein hohes Interesse an den Forschungsergebnissen, denn die Säuberungskosten nach einem Feuerwehreinsatz lassen sich mit biologisch abbaubaren Löschschäumen deutlich reduzieren. Noch wichtiger jedoch ist, dass die neuen Löschschäume im Ernstfall ebenso zuverlässig Menschenleben retten können – sowohl von Unfallopfern als auch von Rettungskräften, die an Einsätzen unter schwierigsten Bedingungen beteiligt sind.

In Brandversuchen testet die Bundeswehr momentan, ob die Substanzen für reale Löscheinsätze geeignet sind. Erste Ergebnisse zeigen, dass es klappt. Potentielle Nutzer wie Feuerwehrchef Thomas Jeziorek warten nun gespannt darauf, dass die neuen Löschmittel auf den Markt kommen: „Wir haben Videos von den Experimenten gesehen und sind erstaunt über die Leistung dieser fluorfreien Schäume“. Blunk ist optimistisch, dass das Ergebnis seiner Forschung schon bald zum Einsatz kommen wird: „Wir spielen mit unserer umweltfreundlichen Alternative eindeutig in der Klasse der wasserfilmbildenden Schäume mit. Und das sind für brennende Flüssigkeiten oder Kunststoffe die besten Löschschäume, die es gibt.“