Mehr Frauen an die Spitze
Seit 2008 fördert das Professorinnenprogramm des Bundes und der Länder die Berufung von qualifizierten Frauen auf Professuren – auch an der Universität zu Köln. Das ist notwendig, denn nach wie vor ist das Geschlechterverhältnis an deutschen Hochschulen unausgeglichen.
Eva Schissler
Deutsche Hochschulen verfolgen vielfältige Gleichstellungsbemühungen, um mehr Lehrstühle mit Frauen zu besetzen. Und doch: Seit Jahren stagniert die Zahl der Professorinnen bei unter einem Drittel. Deutschlandweit waren 2019 lediglich knapp 26 Prozent aller Professuren mit Frauen besetzt. In Nordrhein-Westfalen lag die Zahl mit 27 Prozent etwas über dem bundesweiten Durchschnitt, und die Universität zu Köln liegt mit ebenfalls 27 Prozent Frauen auf W2- und W3-Professuren in einem vergleichsweise guten Bereich.
Ein Programm, das seit 2008 erfolgreich gegensteuert, ist das Professorinnenprogramm von Bund und Ländern, das 2018 in seine dritte Runde ging. Im Rahmen des Programms können die Erstberufungen von Frauen auf eine W2- oder W3-Professur durch eine fünfjährige Anschubfinanzierung gefördert werden. Hochschulen qualifizieren sich alle fünf Jahre durch eine Bewerbung für die Teilnahme. Darin erstellen sie eine Status Quo-Analyse und legen in einem Gleichstellungskonzept dar, wie sie die Karrieren von Frauen auch langfristig fördern wollen.
Das Professorinnenprogamm finanziert anteilig die ersten fünf Jahre der Professur einer erstmalig berufenen Wissenschaftlerin. Im Gegenzug dazu müssen die Universitäten Mittel für zusätzliche strukturelle Gleichstellungsprojekte zur Verfügung stellen. Die Universität zu Köln hat in allen bisherigen Förderrunden Mittel aus dem Professorinnenprogramm erhalten.
Mittel – Die Gesamtförderung für die Uni Köln durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung und das Ministerium für Kultur und Wissenschaften NRW seit 2009 beläuft sich auf rund 4,48 Mio. Euro. So konnten bislang insgesamt neun Professuren gefördert werden. Weitere 1,2 Mio. Euro hat die Universität selbst aufgebracht, sodass bis 2024 insgesamt 5,7 Mio. Euro in Gleichstellungsmaßnahmen investiert werden.
Weiterhin eine Bestenauslese
Eine Frau, die von dem Programm an der Universität zu Köln profitiert hat, ist Professorin Dr. Ines Neundorf, die 2016 auf eine W2- Professur am Institut für Biochemie berufen wurde. Dort erforscht sie mit ihrer Arbeitsgruppe Peptide, die »kleinen Geschwister« der Proteine.
Neundorf sieht sich nicht etwa als »Quotenfrau «, weil ihre Professur mithilfe eines Förderprogramms anfinanziert wird. Vielmehr sei sie eine Bewerberin unter vielen Frauen und Männern gewesen, die sich ganz normal in der Konkurrenz um eine Regel- Professur an der Universität durchgesetzt hat. Denn natürlich findet auch im Rahmen des Förderprogramms eine Bestenauslese statt. »Ich sehe es eher so, dass ich Drittmittel für meine Professur mit einbringe. Darauf kann man doch stolz sein«, sagt Neundorf. Ein solch offener Umgang mit der Förderung aus dem Professorinnenprogramm hilft auch Frauen in wissenschaftlichen Qualifizierungsphasen, die so möglicherweise das erste Mal von diesem Förderprogramm erfahren. Das ist gerade in den MINT-Fächern wichtig, da hier das Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern nach wie vor besonders hoch ist.
Die Konkurrenz ist groß
Neundorf kam bereits 2011 als Juniorprofessorin an die Uni Köln. Damals hatte sie eine Tochter im Grundschul- und einen Sohn im Kindergartenalter, der die universitätseigene Kindertagesstätte »Paramecium« besuchen konnte. Neundorfs W1-Professur hatte einen Tenure Track, sie wurde also nach einer fünfjährigen Phase evaluiert und dann in eine reguläre W2-Professur umgewandelt. »Ich hatte damals auch ein Angebot aus der Industrie in Berlin. Heute bin ich froh, dass ich den Job nicht angenommen habe, denn die Abteilung, in die ich kommen sollte, gibt es mittlerweile gar nicht mehr«, sagt Neundorf.
Mit der Dauerstelle an der Universität ist sie sehr glücklich, auch aufgrund der relativ flexiblen Arbeitszeitgestaltung und der hohen Autonomie. »Die Konkurrenz um die wenigen vorhandenen Professuren ist für alle, die die Qualifizierungsstufen durchlaufen, eine Herausforderung – nicht nur für Frauen.«
In Köln wurden in den vergangenen Jahren als zusätzliche Gleichstellungsmaßnahmen, wie sie das Programm fordert, Mentoring- und Managementprogramme aufgebaut und ein Schwerpunkt auf die Förderung von Postdoktorandinnen gelegt, da hier der »Drop-out« von Frauen besonders groß ist. Dies wurde erreicht durch Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Wissenschaft und zum Aufbau eines internationalen wissenschaftlichen Netzwerks. Weiterhin konnten Qualifikationsstellen für Wissenschaftlerinnen mit Behinderung oder chronischer Erkrankung sowie eine Gastdozentur im Bereich Gender Studies eingerichtet werden. Das Professorinnenprogramm trägt somit einerseits dazu bei, die Zahl der Professorinnen zu erhöhen. Andererseits stärkt es die Gleichstellungsstrukturen an den Hochschulen insgesamt.
Gerechte Berufungsverfahren: auch eine Frage der Haltung
Mehr der Lehrstühle an deutschen Hochschulen mit Frauen zu besetzen – dazu leistet das Professorinnenprogramm einen wichtigen Beitrag. Doch allein reicht es nicht aus. »Auch jenseits von Förderprogrammen ist ein geschlechtersensibles Vorgehen bei der Besetzung von Professuren wichtig. Zum Glück haben wir an der Uni Köln sehr gute Gleichstellungsstrukturen, die natürlich auch die Berufungsverfahren im Blick haben«, sagt Sandra Staudenrausch, die im Dezernat 7 – Forschungsmanagement für das Professorinnenprogramm verantwortlich ist.
Die zentrale Gleichstellungsbeauftragte und die dezentralen Gleichstellungsbeauftragten in den Fakultäten wirken darauf hin, dass Berufungsverfahren so fair und transparent wie möglich ablaufen: Sie beraten die Institute und Departements von der Ausschreibung bis zur Besetzung der Professur. »Manchmal heißt es, es hätten sich nicht so viele Frauen beworben. Dann muss man noch mal kritisch darauf schauen, ob der Ausschreibungstext so formuliert war, dass sich Frauen auch angesprochen fühlen. Oder, in manchen Fächern, aktiv in Wissenschaftlerinnennetzwerken rekrutieren«, sagt die Gleichstellungsbeauftragte der Universität zu Köln Annelene Gäckle. Auch das Thema »unbewusste Vorurteile« (unconscious bias) ist in Berufungsverfahren ein Thema, weshalb die Universität diesen Aspekt zukünftig noch stärker in den Blick nehmen wird.
In anderen Bereichen der Gesellschaft gibt es ebenfalls Überlegungen, wie mehr Frauen in Führungspositionen gebracht werden können, das zeigt nicht zuletzt die Debatte um eine Frauenquote in den Vorständen von DAXnotierten Unternehmen. Gleichstellungsquoten bei Berufungen von Professor:innen sind auch an Universitäten in Nordrhein-Westfalen seit einigen Jahren gesetzlich vorgeschrieben und erweisen sich als erfolgreiches Instrument.
Ines Neundorf sieht die größten Schwierigkeiten in Bezug auf die Hochschulkarrieren von Frauen nach wie vor in der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Besonders bei Nachwuchswissenschaftlerinnen fällt die Familiengründung oft in eine kritische Karrierephase: »In den Berufungsverfahren werden die Kindererziehungszeiten in den Lebensläufen von Frauen immer noch nachteilig bewertet«, sagt die Biochemikerin. »Aber alles in allem ist die Kultur an der Uni Köln sehr positiv und wir sind auf einem guten Weg.«
Dritte Förderphase: Qualifikationsstellen für Wissenschaftlerinnen mit chronischer Erkrankung oder Behinderung
In der dritten Phase des Professorinnenprogramms hat die Universität unter anderem drei Qualifikationsstellen für Wissenschaftlerinnen mit chronischer Erkrankung oder Behinderung eingerichtet. Diese Stellen sind an der Rechtswissenschaftlichen, der Humanwissenschaftlichen und der Medizinischen Fakultät angesiedelt und in den Aktionsplan Inklusion eingebettet. Pauline Burkhardt hat eine der Stellen inne. Sie promoviert an der Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde der Uniklinik in der Abteilung »AG EEG & Audiologische Diagnostik«. Burkhardt sagt:
»Da ich von klein auf selbst beidseits von einer hochgradigen, an Taubheit grenzenden Hörstörung betroffen bin, interessieren mich – verstärkt durch mein Masterstudium Experimentelle und Klinische Neurowissenschaften in Köln – alle Themen rund um die Hörforschung. Seit meinem siebten Lebensjahr trage ich auf der linken Seite ein Cochlear-Implantat (CI) und auf dem rechten Ohr bin ich noch mit einem Hörgerät versorgt. Durch meine Unterstützung in diesen wissenschaftlichen Themen (erst Masterarbeit und jetzt Promotion) hoffe ich, dass ich die Forschung etwas voranbringen kann. Ich kann mir vorstellen, langfristig in diesem Bereich zu arbeiten. Mein nächstes Ziel ist es, die Promotion in diesem für mich besonders interessanten Themengebiet abzuschließen.
Die zusätzliche finanzielle Unterstützung und temporäre Stundenerhöhung mithilfe des staatlichen Eingliederungszuschusses helfen mir, viele Wissensbereiche zum Beispiel durch Besuche von Fortbildungsmaßnahmen auszuweiten und den zeitlichen Mehraufwand, der durch die Hörbehinderung entsteht, etwas auszugleichen. Durch die Qualifizierungsstelle wird es mir überhaupt erst ermöglicht, in der Hörforschung meine Promotion anzustreben.«