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In eine grüne Zukunft

Studierende aus aller Welt suchen in Köln nach Lösungen für globale Umweltprobleme

Summerschoolteilnehmer hören einer Rednerin im Freien zu

Wachsende Städte stehen heute vor enormen Herausforderungen. In urbanen Ballungsräumen gehören Luftverschmutzung, hoher Ressourcenverbrauch und die Zersiedlung des städtischen Raums zu den zentralen Problemen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der „Cologne Summer School on Environmental Studies: Sustainable Cities“ lernen in Köln, wie man diese Herausforderungen angehen kann. 

Doris Linzmeier kommt mit dem Fahrrad an einem schwül-heißen Dienstagmorgen auf den kleinen Parkplatz am Rande des Ville- Walds in Brühl gefahren. Die promovierte Biologin kennt den Wald gut. Seit 2007 steht sie der Initiative 50TausendBäume vor, die sich für den Erhalt dieser grünen Oase einsetzt. Die Bedrohung ist konkret. Direkt nebenan will das Phantasialand expandieren. Ein Naturschutzgebiet, das sich im Besitz des Landes Nordrhein-Westfalen befindet, soll abgeholzt werden, um Platz für Hotels und Parkplätze zu schaffen. Das wäre nicht nur ein massiver Eingriff in diese Naturlandschaft, sondern auch ein gesetzlicher Präzedenzfall: Noch nie ist in Deutschland ein landeseigenes Naturschutzgebiet für privatwirtschaftliche Zwecke zerstört worden. Die Initiative will dies verhindern und ein öffentliches Bewusstsein für die Wichtigkeit von Waldgebieten und Grünflächen in urbanen Räumen schaffen. 

BEDROHTE OASE 

Linzmeier hat einige Routine darin, interessierte Gruppen durch den Wald zu führen und ihnen die Erfolgsgeschichte der aufwendigen Aufforstung dieses ehemaligen Braunkohlegebiets zu erzählen. Im Rahmen der Cologne Summer School kamen im Juli 30 Studierende aus 13 Ländern von Partneruniversitäten der Uni Köln an den Rhein, um zu untersuchen, wie wachsende Städte die enormen Anforderungen an das Abfallmanagement, öffentliche Verkehrsmittel und städtische Grünflächen bewältigen können. Drei Wochen lang arbeiteten sie an Antworten auf Fragen wie diese: Wie lassen sich ökonomische und ökologische Interessen in Einklang bringen? Wie können wir in den Städten für saubere Luft und hohe Lebensqualität sorgen? Und wie der ausufernden Ressourcenvernutzung auf unserem Planeten Herr werden? 

Neben ihren unterschiedlichen nationalen Hintergründen bringen die Teilnehmer der Summer School auch sehr unterschiedliche fachliche Voraussetzungen mit. Hier treffen Studierende der Wirtschafts-, Natur-, Ingenieurs-, Sozial- und Rechtswissenschaften aufeinander, um sich intensiv mit den Themenkomplexen „Urban Green Spaces“, „Public Transportation“ und „Waste Management“ zu befassen. Sie suchen nach nachhaltigen Lösungen – im juristischen Sinn des Begriffs, der zumindest in Deutschland auf eine dauerhafte, zukunftsfähige Entwicklung der ökonomischen, ökologischen und sozialen Dimension menschlicher Existenz abzielt. Dabei ist die Exkursion in den Ville-Wald eine von vielen, die die Gruppe während ihres Aufenthalts in Köln unternommen hat. 

INTERDISZIPLINARITÄT IST TEIL DES KONZEPTS 

Ist es überhaupt möglich, bei solch unterschiedlichen akademischen Hintergründen gemeinsame Lösungen zu finden? Eben dieser Punkt ist für die Organisatoren sehr wichtig: Interdisziplinarität ist Teil des Konzepts der Summer School, die jährlich vom International Office in Kooperation mit einer anderen Fakultät der Universität zu Köln organisiert wird. Unterstützt wird das Kölner Organisationsteam um Victoria Busch, Koordinatorin der Cologne Summer Schools, und Professor Kirk W. Junker von der Juristischen Fakultät von Professorin Shamita Kumar von der Bharati Vidyapeeth University in Pune, Indien. 

In der Einführungsvorlesung erläutert Junker, der an der Uni Köln den Lehrstuhl für US-amerikanisches Recht innehat und den Studiengang „International Master of Environmental Sciences (IMES)“ betreut, die grundlegenden Herangehensweisen der unterschiedlichen universitären Wissenschaften. Er ist überzeugt, dass keine wissenschaftliche Methode wirklich universell und objektiv ist. Sein Vorschlag für ein interdisziplinäres Vorgehen: In Kleingruppen sollen die Studierenden der einen Disziplin problemorientiert mit den Methoden einer anderen Disziplin arbeiten: Die Biologin probiert sich an der Lösung eines juristischen Problems; der Wirtschaftswissenschaftler geht eine technische Fragestellung an. 

POLITISCHE MASSENBEWEGUNGEN SIND WOANDERS KAUM DENKBAR 

Die Exkursion in den Ville-Wald ist dem Themenkomplex „Urban Green Spaces“ zugeordnet. Der Konflikt zwischen dem Phantasialand und der Initiative 50TausendBäume ist in gewisser Weise typisch für ein Aufeinanderprallen wirtschaftlicher und öffentlicher Interessen, das in unterschiedlichen Formen überall auf der Welt anzutreffen ist. Doch wie sich der Konflikt bisher ausgespielt hat, ist neu. Die Initiative schaffte es, durch breit angelegte Öffentlichkeitsund Medienarbeit ein lokales Thema über viele Jahre im Bewusstsein der Menschen wach zu halten. 

Linzmeier berichtet auch über den großen Rückhalt des Unternehmens in der Politik. Über das Ausmaß derartiger Verbindungen können manche Teilnehmer der Summer School jedoch nur müde lächeln, wenn sie an die Verhältnisse in ihren Heimatländern denken. „In Brasilien läuft das meistens nicht so ab wie hier“, weiß Jessica de Lima aus Recife zu berichten. Sie studiert an der Universidade Federal de Pernambuco Transportingenieurswissenschaften. „Bei uns schlagen solche Proteste oft in Gewalt um. Die politischen Strukturen sind korrupt und die freie Presse ist schwach. Kritiker wirtschaftlicher Großprojekte werden als Gegner des ‚Fortschritts‘ dargestellt.“ Auch in den Industrieländern ist der Umgang mit Umweltproblemen durchaus unterschiedlich. 

Xuan Truong Trinh kommt ursprünglich aus Vietnam. Heute lebt er in Japan und studiert an der Universität Tokio Umweltwissenschaften. Dort beschäftigt er sich mit nachhaltiger Forstwirtschaft. „In Japan gibt es kaum systematischen Waldbau. Die vielen Wälder auf dem zentralen Bergkamm werden chaotisch abgeholzt, was für die Städte und Dörfer an den Küsten verheerende Folgen hat. Es kommt oft zu Überschwemmungen und Erdrutschen.“ In einem Punkt sind sich beide einig: Es sind in der Regel nur die Akademiker und Künstler, die sich engagieren und kritisch gegen Misswirtschaft und Umweltverschmutzung auftreten. Politische Massenbewegungen gibt es kaum. 

Im Allgemeinen bewerteten die Teilnehmer die akademischen Inhalte und das Rahmenprogramm der Summer School positiv. Auch die Stadt hat es Vielen angetan: Manch einer kann sich vorstellen, für ein Masterstudium oder Promotionsvorhaben nach Köln zurückzukehren. Derweil ist noch ungewiss, ob es zu einem Rechtsstreit zwischen 50TausendBäume und Phantasialand kommen wird. Doch die Tatsache, dass Linzmeier und ihre Mitstreiter die Abholzung des Naturschutzgebiets seit nunmehr fast zehn Jahren verhindern konnten, ist an sich schon ein beträchtlicher Erfolg.