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Impfen mit Kronkorken

USB, AStA und Biozentrum sind Sammelstellen der Initiative BlechWech

Hildegard Schoel von der USB (r) übergibt Alexandra Rybarski (l) die gesammelten Kronkorken

Eine Kölner Doktorandin hat die Initiative BlechWech ins Leben gerufen und sammelt Kronkorken in großem Stil. Das Projekt verknüpft Umweltschutz mit sozialem und gesellschaftlichem Engagement – USB, Asta und Biozentrum sind als offizielle Sammelstellen der Uni dabei. Nach dem Recycling der Kronkorken spendet BlechWech den Erlös für Grundimpfungen an eine somalische SOS-Kinderklinik.

Maria Schrempp

Kronkorken sind einfach nur Müll – oder nicht? Nein, denn Kronkorken bestehen aus Weißblech, einem Wertstoff, der immer wieder eingeschmolzen werden kann. Der Wert eines einzelnen Kronkorkens ist je nach Marktlage etwa 0,03 Cent. Das erscheint zunächst wenig, doch die Kölner Doktorandin Alexandra Rybarski hat sich der kleinen Blechstücke angenommen und sammelt seit zwei Jahren im großen Stil. Mit ihrer Initiative BlechWech will sie Menschen dafür sensibilisieren, dass Kronkorken nichts in der Natur zu suchen haben. »Die ganze Zülpicher Straße ist tapeziert mit Kronkorken, daran wollte ich etwas ändern«, sagt Rybarski. Als Ökologin liegt ihr das Thema Umweltschutz nahe. Entstanden ist die Idee für ihre Initiative aber nicht im Labor, sondern im eigenen Wohnzimmer.

Die ersten Kronkorken hat die Doktorandin für ein Geldgeschenk bei einer Hochzeit gesammelt: ein Euro sollte in jedem Korken kleben. Durch ihren Nebenjob als Kellnerin fiel das Sammeln leicht und schnell hatte sie mehr Kronkorken als Euromünzen zusammen. Aber das Sammeln aufhören? »Die Kronkorken sind mir einfach überall aufgefallen, der Blick dafür ist geblieben und ich wollte eine Möglichkeit finden, sie aus der Natur fern zu halten«, erzählt sie.

Also stellte sie Sammelkisten in Kiosken entlang der Zülpicher Straße auf, damit auch andere Menschen beim Sammeln mitmachen konnten. Das Feedback der Kioskbesucher:innen war durchweg positiv: Jemand holt sich ein Bier am Kiosk, wirft den Kronkorken in die Kiste statt auf die Straße und freut sich, etwas Gutes zu tun. Die so gesammelten Kronkorken holte Alexandra Rybarski regelmäßig ab und nahm sie mit zu sich nach Hause: »Irgendwann hatte ich 400 Kilo Kronkorken in meinem Wohnzimmer und brauchte dringend einen Plan, was damit passieren soll.« Zunächst mussten Ideen her, wo diese Mengen lagern sollen. Eine Kirche stellte ihren Keller zur Verfügung. 2019 lagen dort schon 7,5 Tonnen Kronkorken.

Kronkorken ermöglichen Impfungen in Krisengebieten

Das Ziel war schnell klar: Die Kronkorken am Wertstoffhof einschmelzen lassen, damit sie wieder dem Kreislauf zugeführt werden können – und das Ganze für einen guten Zweck. »Ich wollte ein Projekt unterstützen, bei dem die Menschen sehen, wie viel sie konkret durch ihr Sammeln bewirken können.« Mit dem Gegenwert von 890 Gramm Kronkorken kann man eine Impfung für ein Kind finanzieren – darunter kann sich jeder etwas vorstellen. Also nahm Rybarski Kontakt zu ›SOS-Kinderdörfer weltweit‹ auf und suchte zusammen mit der Hilfsorganisation eine Einrichtung aus, in der ein großer Bedarf an Grundimpfungen besteht.

Die Wahl fiel auf eine somalische Mutter- Kind-Klinik in Mogadischu, wo Kinder durch Spenden kostenlose Impfungen gegen Infektionskrankheiten wie Masern, Polio, Diphterie, Keuchhusten und Tuberkulose erhalten. In Somalia gibt es kein funktionierendes Gesundheitssystem und die SOS-Klinik ist für viele Kinder und ihre Eltern in der Region die einzige Anlaufstelle für eine medizinische Versorgung.

Kindern ein Bewusstsein für Wertstoffe vermitteln

Tatsächlich geht es Alexandra Rybarski aber nicht allein um das Geld für den guten Zweck. Sie will bei den Menschen ein Bewusstsein dafür schaffen, die Kronkorken gar nicht erst wegzuwerfen. »Wir haben Kronkorken gefunden, die bestimmt seit 50 Jahren in der Natur liegen. Das Sammeln ist zwar gut, aber wichtiger ist, dass die Kronkorken überhaupt nicht erst auf der Wiese landen.«

Alexandra Rybarski möchte Kinder und Jugendliche zu sozialem Engagement inspirieren. Viele Kitas, Schulen und Jugendzentren sammeln mit: »Die Kinder sollen verstehen: So ein kleiner Kronkorken ist eben nicht nur Müll, sondern ein Wertstoff, aus dem neue Dinge entstehen können. Außerdem kann man durch den Verkauf anderen Kindern helfen, die es nicht so gut haben wie wir und denen lebensnotwendige medizinische Versorgung fehlt. Diese Verbindung ist mir sehr wichtig, denn so fangen Kinder an umzudenken und entwickeln ein Bewusstsein für Wertstoffe«, erklärt die Gründerin von BlechWech.

Die kleinen Anfänge auf der Zülpicher Straße sind lange Geschichte, denn mittlerweile gibt es deutschlandweit über 80 Sammelstellen von BlechWech. Für viele Menschen ist es eine Art Hobby geworden: »Sie gehen raus, sammeln Kronkorken und haben Spaß daran, etwas Gutes zu tun. Jeder kann einfach mitmachen und alle werden mit einbezogen«, schwärmt Rybarski.

Gute Logistik spart Benzin und Zeit

Aktuell ist die Doktorandin im Gespräch mit mehreren Städten, um Container direkt auf ihren Wertstoffhöfen zu etablieren. Funktioniert hat das beispielsweise schon in Hürth. Auf dem dortigen Wertstoffhof steht seit April dieses Jahres ein Container, in den Kronkorken eingeworfen werden können, wenn man sowieso gerade seinen Sperrmüll dort abgibt. Das ist ökologisch sinnvoll, da eine zusätzliche Fahrt entfällt.

Außerdem verringert es den logistischen Aufwand für Alexandra Rybarski und spart ihr Zeit – etwas, von dem sie chronisch zu wenig hat. Ihr »Baby« BlechWech beansprucht neben ihrer Dissertation über Mikroorganismen in chilenischen Salzseen am Biozentrum ihre gesamte Freizeit: Auf dem Nachhauseweg gerade nochmal Kronkorken einsammeln, in der Mittagspause Emails beantworten und am Wochenende die sozialen Medien mit den neuesten Erfolgen füllen.

Und davon gibt es einige: Allein im vergangenen Jahr hat BlechWech trotz der Corona- Pandemie so viele Kronkorken gesammelt wie noch nie, weitere Container in Leverkusen, Kaarst und Hürth aufgestellt und mit 15.240 Kilogramm Kronkorken 17.449 Impfungen in Afrika gefördert. Ziemlich viel, für so ein bisschen »Müll«.