Im Wissenschaftsbetrieb geht es turbulent zu: Eine neue Exzellenzinitiative kommt, trotz aller Kritik gilt nun das Hochschulzukunftsgesetz, die Anwesenheitspflicht für Studierende soll abgeschafft werden, gleichzeitig will man weniger Studienabbrecher und schließlich sollen die Arbeitsbedingungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern besser werden. Im Interview erklärt Rektor Axel Freimuth, was diese Veränderungen für die Universität zu Köln bedeuten.
Sie sind bei der Wahl zum „Rektor des Jahres“ durch den Deutschen Hochschulverband erneut unter den Top 10 gelandet. Was bedeutet diese Wahl für Sie?
Ich freue mich sehr über die Platzierung. Wenn man etwas verändert, gibt es immer auch Kritiker, die den Veränderungen skeptisch gegenüberstehen. Und natürlich macht man mitunter Fehler. So gesehen ist es keine Selbstverständlichkeit, regelmäßig unter den Top 10 in diesem Ranking zu sein. Gerade deshalb weiß ich es sehr zu schätzen, dass ich nach so langer Zeit und nach so vielen Veränderungen an unserer Universität noch immer großes Vertrauen ausgesprochen bekomme.
Auf Ihrem Jahresempfang im Januar hätten Sie die Rede vom Vorjahr am liebsten noch einmal gehalten. Damals haben Sie das Hochschulzukunftsgesetz geradezu auseinandergenommen. Warum sind Sie nach wie vor ein scharfer Kritiker dieses Gesetzes?
Weil es ein schlechtes Gesetz ist. Der Deutsche Hochschulverband hat nicht nur ein Ranking über uns Rektoren veröffentlicht, sondern auch über die Wissenschaftsminister und damit auch über die Wissenschaftspolitik der Länder. Hierbei ist die nordrheinwestfälische Ministerin Schulze auf dem vorletzten Platz gelandet. Ihre Kollegin aus Baden-Württemberg dagegen, die übrigens in gleicher politischer Konstellation agiert, nimmt den ersten Platz ein. Letzteres zeigt, dass es möglich ist, Gesetze zu erlassen, die sowohl den politischen Interessen als auch den Rahmenbedingungen an den Hochschulen entsprechen. Beim Hochschulzukunftsgesetz in NRW ist das allerdings nicht gelungen: Es ist weder nötig noch in seinen Details praktikabel.
Die Hochschulen müssen jetzt trotzdem mit diesem Gesetz leben. Was wird sich dadurch an der Universität zu Köln konkret ändern?
Beispielsweise wird die Gremienstruktur komplett überarbeitet, was ich vollkommen überflüssig finde. Es funktioniert doch so wie es jetzt ist sehr gut. Das neue Gesetz führt zu einem erheblichen Aufwand für formale Abläufe und Strukturen zu Lasten unserer Kernaufgaben in Lehre und Forschung. Das bringt uns nicht weiter. Auch die erheblich erweiterten Einflussmöglichkeiten des Ministeriums auf die Hochschulentwicklung, etwa über den Landeshochschulentwicklungsplan oder die Hochschulverträge, machen uns Sorgen. Selbstverständlich muss die Hochschulentwicklung in NRW abgestimmt werden. Bei dieser Planung sind allerdings vor allem die Hochschulen zu beteiligen, und nicht hochschulferne Interessenvertretungen. Es darf auch nicht soweit kommen, dass man uns Vorgaben macht, woran wir forschen und was gelehrt wird.
Vom Bund kam eine gute Nachricht: Die Exzellenzinitiative wird fortgesetzt – irgendwie zumindest, denn die genaue Form kennen wir noch nicht. Wie sollte die nächste Runde Ihrer Meinung nach aussehen?
Die Exzellenzinitiative hat uns international nach vorne gebracht. Durch eine neue Runde hat Deutschland die Chance, noch weiter voranzukommen. Ich würde es deshalb sehr begrüßen, wenn die Förderung der Spitzenforschung, wie sie durch die Exzellenzinitiative möglich wurde, auch in Zukunft erhalten bliebe. Für die Universität zu Köln wünsche ich mir insbesondere die Möglichkeit einer zweiten Förderperiode für das Zukunftskonzept, so dass wir die angefangenen Reformen und Prozesse kontinuierlich weiterführen können, damit sie nachhaltig wirken.
Kritiker betonen, die Exzellenzinitiative sei zu einseitig. Verlieren die Hochschulen im Wettbewerb um Spitzenforschung die Lehre aus dem Blick?
Will man den Erfolg der Exzellenzinitiative nicht in Frage stellen, dann sollte man ihre Essenz als eine Förderung von Spitzenforschung erhalten. Wer behauptet, die Lehre sei in den Hintergrund geraten, sollte sich einmal die Geldflüsse an die Universität genauer anschauen. Alleine die Qualitätsverbesserungsmittel, also die Nachfolgemittel der Studienbeiträge, die wir jetzt vom Land bekommen, übersteigen die Gelder aus der Exzellenzinitiative. Außerdem haben wir mit beträchtlichen zusätzlichen Mitteln etwa aus dem Hochschulpakt neue Studienplätze geschaffen und Studiengänge reformiert. Beispielsweise haben wir erst vor wenigen Tagen den Zuschlag für Bundesmittel in Millionenhöhe im Rahmen der Qualitätsoffensive Lehrerbildung erhalten – eine Art Exzellenzinitiative in der Lehrerbildung. Die Lehre ist also keineswegs gegenüber der Forschung ins Hintertreffen geraten. Und außerdem: Die Lehre profitiert zusätzlich von den Erfolgen in der Forschung.
Bleiben wir bei der Lehre. Im Hochschulzukunftsgesetz ist die Anwesenheitspflicht weitgehend abgeschafft. Wie verändert sich dadurch die Art des Studierens?
Studierende sind erwachsene Menschen, die selber entscheiden können, wie sie ihr Studium gestalten. Wir wollen niemanden bevormunden. Aber natürlich macht es einen Unterschied, ob man vor Ort ist oder nicht. Die Einschätzung der Landesregierung, dass es für die Qualität des Studiums egal sei, ob die Studierenden zu den Lehrveranstaltungen kommen, ist eine Geringschätzung gegenüber unseren Lehrenden, die mit viel Elan und Engagement die Lehre gestalten. Und natürlich gibt es Veranstaltungsformate, die nur bei Anwesenheit der Studierenden einen Sinn machen. Dazu gehört auch das klassische Oberseminar, in dem Studierende einen wissenschaftlichen Vortrag halten, der dann mit anderen Studierenden diskutiert wird. Wie soll das ohne Anwesenheit gehen?
Gleichzeitig fordert die Politik, dass Sie die Abbrecherquote unter den Studierenden senken sollen. Wie kann die Universität diesen Spagat meistern?
Solange wir keine genauen Zahlen und Hintergründe kennen, sollte man eher von einer Schwundquote sprechen, denn beispielsweise Studienplatz- oder Fachwechsel sollten nicht als Abbruch gewertet werden. Wenn jemand mit dem gewählten Studiengang unzufrieden ist und deswegen nach den ersten Semestern das Studium abbricht oder in ein anderes Fach wechselt, halte ich das für sehr sinnvoll. Nach den ersten Semestern ist die Schwundquote übrigens gar nicht mehr so hoch, wie uns die ersten Zahlen hierzu zeigen. Generell ist natürlich anzustreben, dass möglichst wenig Studierende abbrechen. Aber dies darf auf keinen Fall zu Lasten der Qualität unserer Studiengänge gehen, denn was nützt langfristig ein Studienabschluss, wenn er inhaltlich nichts mehr wert ist. Arbeitgeber müssen schließlich erwarten können, dass mit einem Universitätsabschluss ein gewisses Niveau verbunden ist.
Nachwuchswissenschaftler fragen sich heute, wohin ihre Karriere führen soll, denn die meisten haben nur befristete Verträge. In der „Dortmunder Erklärung“ der Landesrektorenkonferenz versprechen Sie eine Verbesserung der Situation. Was genau können Nachwuchswissenschaftler erwarten?
Wir nehmen dieses Thema sehr ernst. Deshalb wird es an der Universität zu Köln in Zukunft ein Prorektorat mit der Aufgabe „Akademisches Personal“ geben. Außerdem werden wir neue Partizipations- und Diskussionsforen schaffen, in denen wir mit den Betroffenen an diesem Thema arbeiten. Dabei ist es an einer Universität wichtig, zwischen Dauerstellen und Qualifikationsstellen zu unterscheiden, denn wir müssen für jede neue Generation von Doktoranden und Post-Docs freie Plätze schaffen, damit eine kontinuierliche Nachwuchsförderung möglich ist. Darüber hinaus ist zu beachten, dass viele unserer Mittel nur zeitlich begrenzt zur Verfügung stehen, was die Möglichkeiten unbefristeter Beschäftigungsverhältnisse einschränkt. Mit der Dortmunder Erklärung haben wir dennoch ein ambitioniertes Programm vorgelegt, an dessen Umsetzung wir in den nächsten Jahren mit Nachdruck arbeiten werden.
Wissenschaft wird heute stärker in der Öffentlichkeit wahrgenommen, teilweise aber auch stärker hinterfragt. Wie können die Universitäten bei den Bürgern Vertrauen gegenüber der Wissenschaft schaffen?
Die Wissenschaft wird in der Regel positiv wahrgenommen, denn die Menschen wissen, dass sie von wissenschaftlichen Erkenntnissen profitieren. Dazu trägt auch bei, dass die Hochschulen heutzutage sehr viel besser und offener kommunizieren, wie sie denken und arbeiten, als dies noch vor einigen Jahren der Fall war und insbesondere, dass sie ihre Ergebnisse in verschiedensten Formaten veröffentlichen und der Öffentlichkeit zugänglich machen. Und natürlich müssen sich Hochschulen in die Debatte über wichtige gesellschaftliche Themen einbringen, wie sie es im Übrigen immer schon getan haben.
In vier Jahren wird die neue Universität hundert Jahre alt. Was wünschen Sie sich für das Jubiläum?
Ich wünsche mir, dass wir auch in Zukunft eine vielfältige und freie Wissenschaft im Dialog mit der Gesellschaft gestalten können. Die letzten Jahre waren gerade für unsere Universität erfolgreich. Ich hoffe, dass diese Entwicklung anhält und wir auch in Zukunft möglichst viel Zeit dafür haben, das zu tun, was wir tun sollen: exzellente Forschung und Lehre betreiben.