Im März 2019 schlossen Bund und Länder den Digitalpakt, damit Schulen ihre digitale Infrastruktur ausbauen können. Doch um digitale Technik im Unterricht sinnvoll einzusetzen, müssen Lehrkräfte auch medienpädagogisch ausgebildet sein. Wie digitales Lernen in Schulen gelingen kann, zeigte die Tagung »Zukunft Schule«.
Die Blicke richten sich nach oben. Die Studierenden, Lehrerinnen und Lehrer sehen hoch zum Helios- Turm, einem Leuchtturm mitten in Köln- Ehrenfeld, während sie gleichzeitig der Stimme eines Historikers auf ihrem Tablet lauschen. Einige Minuten später geht die Gruppe langsam weiter auf dem Gelände der ehemaligen Helioswerke, wo bis 1930 Leuchtanlagen und Telegraphen gebaut wurden. Die Gruppe, das sind Teilnehmerinnen und Teilnehmer eines Workshops, der vom Social Lab (ZuS) im Rahmen der Tagung »Zukunft Schule« angeboten wurde. Sie erprobten in der Praxis, wie sie mithilfe einer App auf dem Tablet durch die digitale Kombination von Aufgaben und Medien fachliche Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern fördern können.
Social Lab (ZuS)
Das Social Lab verfolgt das zentrale Ziel, innovative Lehr-Lern-Formate für die drei Fächer Geschichte, Sozialwissenschaften und Geographie zu entwickeln und zu erproben. Es ist Teil des Projekts »Heterogenität und Inklusion gestalten – Zukunftsstrategie Lehrer*innenbildung (ZuS)«, das im Rahmen der gemeinsamen »Qualitätsoffensive Lehrerbildung« von Bund und Ländern aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gefördert wird.
Dass Lehrerinnen und Lehrer fit für den digitalen Unterricht gemacht werden müssen, liegt auf der Hand. »Viele Lehrkräfte und Lehramtsstudierende interessieren sich für digitale Lehre und sind hoch motiviert. Doch es mangelt oft an der digitalen Infrastruktur in den Schulen und an der mediendidaktischen Ausbildung der Lehrenden«, sagt Dr. Alexandra Habicher vom Zentrum für LehrerInnenbildung, das die Konferenz organisiert hat. »Deshalb bleibt das Thema digitales Lehren und Lernen für das ZfL und andere Stellen an der Uni Köln auch über die Tagung hinaus ein wichtiges Anliegen.«
Mit dem Tablet durch die Stadt
Eine Lernrallye über eine App zu erstellen ist ein Beispiel dafür, wie digitale Medien in den Schulunterricht eingebunden werden können. Das Lernen mit solchen Medien bietet den Vorteil, dass durch den Mix von Text, Bildern und Audio bei den Lernenden verschiedene Sinne angesprochen und verschiedene Zugänge ermöglicht werden. Das erleichtert das Verstehen der Lerninhalte. Eigene Arbeitsergebnisse können die Schülerinnen und Schüler als Text, Audio oder Video direkt in der App hochladen. Da viele Kinder und Jugendliche digitale Medien intensiv im Alltag nutzen, sind sie gut mit ihnen vertraut und erwarten geradezu, dass beispielsweise Youtube-Videos oder Simulationsprogramme auch im Unterricht eingesetzt werden. Digitale Medien im Unterricht können daher die Motivation zum Lernen und das Verständnis der Inhalte erhöhen. Gleichzeitig ist es wichtig, dass Erwachsene mit jungen Menschen kritisch über die Auswirkungen des Digitalen im Alltag sprechen.
Beim Erkunden des Heliosgeländes bringen Audioclips den Workshop-Teilnehmern nahe, wie ein Geograph, eine Historikerin und eine Sozialwissenschaftlerin die Umgebung wahrnehmen. Um Wissen über Begriffe und fachliche Vorgehensweisen zu sichern, beantworten die Teilnehmer parallel auf dem Tablet Quizfragen zum Gehörten und Gesehenen. »Ein solches Medium ist eine mögliche Komponente, um den Stadtraum zum Lernraum zu machen. Der Einsatz der App mit fachlichen Inhalten soll die Schülerinnen und Schüler dabei unterstützen, die Besonderheiten ihrer eigenen Lebenswelt zu entdecken und sich so komplexen gesellschaftlichen Themen anzunähern«, sagt Tobias Hasenberg, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Social Lab, der zusammen mit seinen Kollegen Alena Plietker und Joakim Mainz den Rundgang auf dem Heliosgelände organisiert hat. Dafür nutzt das Team die vom Land NRW geförderte App BIPARCOURS. Mit dieser App können Lehrerinnen und Lehrer Lernrallyes selbst erstellen oder im Unterricht gemeinsam mit Schülern anlegen.
Mit Drohnen Physik vermitteln
Wer am dritten Tag der Tagung durch das Gebäude der Philosophischen Fakultät gelaufen ist, konnte zusehen, wie im Foyer kleine Drohnen abheben. Praxisbezogen Wissen zu vermitteln, ist ein wichtiges Ziel der Drohnen-Rallye, die der Physikdidaktiker Professor Dr. André Bresges und seine Mitarbeiter angeboten haben. Bei diesem experimentellen Workshop in Form eines Wettbewerbs sollten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer jeweils in Kleingruppen eine Drohne in der Luft zunächst stabil halten und später ein bestimmtes Ziel möglichst genau anfliegen – und dabei Hindernisse überwinden.
Drohnen-Rallye — Video auf Youtube
Die Airblock Drohne und ihre Programmierung mit Scratch
»Es sieht zunächst aus wie ein Spielzeug und macht auch genau so viel Spaß«, sagt Bresges. »Man erlernt dabei aber die gleichen mathematischen und physikalischen Grundlagen, die zur Anwendung kommen, wenn ein Airbus stabil zum Urlaubsziel fliegen oder ein Raumschiff zum Mars fliegen und dort auf seinem eigenen Abgasstrahl landen soll. Die Probleme werden schrittweise größer und komplexer, aber das fundamentale Prinzip ändert sich nicht mehr. Das ist ein wesentlicher Baustein unserer Art und Weise, Physik zu vermitteln.«
Vor dem abschließenden Drohnen- Turnier müssen die Teilnehmer ihre Drohne kalibrieren und ihr Flugverhalten analysieren. Mit Hilfe einer Videoaufzeichnung des Drohnenflugs, die mit der auf dem iPad installierten App »Video Physics« getrackt wird, ermitteln sie, wie die Drohne beschleunigt, was ihre Höchstgeschwindigkeit ist und wie sie sich beim Bremsen verhält. Die so erfassten Flugdaten werden anschließend in die »Makeblock«-App eingegeben. Siegen kann bei der Rallye nur, wer zuvor das Flugverhalten seiner Drohne genau analysiert hat.
»In einer digitalen Welt sind die Menschen umgeben von Dingen, die sie beeindruckend finden und von denen sie glauben, sie niemals verstehen zu können«, sagt Bresges. »Wir wollen zeigen, dass man mit Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik bei funktionierendem Teamwork gut am Ball bleiben und die Welt und die Dinge in ihr fast spielerisch gestalten kann. Damit soll digitale MINT-Kompetenz aufgebaut und die sehr menschlichen Ängste vor dem Unverstandenen abgebaut werden.«
Physikalisches Wissen lässt sich so sogar auf sehr kreative Weise vermitteln. Der Einsatz der Drohne im Physikunterricht folgt dem US-amerikanischen Bildungsansatz der STEAM Education. Dieser Ansatz ermöglicht durch ein Zusammenspiel von Wissenschaft, Technik, Ingenieurwissenschaften, Kunst und Mathematik einen handlungsorientierten und kreativitätsfördernden Unterricht. Ausgehend von einer konkreten Problemstellung entwickeln Schülerinnen und Schüler kreative Lösungen.
Starker Verbund für digitale Kompetenz
Wie können Lehrerinnen und Lehrer sich aber in ihrem Berufsalltag mit mediengestützten Lehransätzen wie der STEAM Education oder dem Einsatz von iPad- und Smartphone-Apps im Unterricht vertraut machen? Unterstützung bietet hier das Verbundprojekt »digiLL«, das Björn Bulizek von der Uni Duisburg-Essen und Dr. Alexandra Habicher vom ZfL der Uni Köln bei der Tagung vorstellen. DigiLL ist ein Verbund von derzeit sieben Hochschulen aus Nordrhein- Westfalen und Rheinland-Pfalz mit dem Ziel, die Medienkompetenz von Lehramtsstudierenden, Referendarinnen und Referendaren sowie Lehrkräften zu stärken.
Die Universität zu Köln und die anderen am Projekt beteiligten Hochschulen entwickeln gemeinsam Bildungsangebote mit Digitalisierungsbezug und stellen sie Studierenden, Referendaren und Lehrkräften über die Verbund-Plattform www.digill.de zur Verfügung. Die Lernmodule werden von Themenexpertinnen und -experten in den Hochschulen erstellt und mit einer offenen Lizenz versehen, sodass sie von möglichst vielen Interessierten genutzt werden können. Das Projekt bietet derzeit elf Lernmodule an, zahlreiche weitere sind aktuell in der Umsetzung. Die Verantwortlichen hoffen, in Zukunft noch weitere Partner für den Verbund zu gewinnen.
Das ZfL fördert mit regelmäßigen Themenjahren zu Digitalisierung und LehrerInnenbildung seit 2011 Kompetenzen in der digitalen Welt. Darüber hinaus ist digitale Lehre ein Schwerpunkt in der Seminarbegleitung der Praxisphasen angehender Lehrerinnen und Lehrer. Auch im Schulnetzwerk des ZfL ist Digitalisierung ein Dauerthema. Weitere Workshops und Veranstaltungen sind bereits in Planung. Denn eins ist klar: Schulen brauchen Lehrkräfte, die Schüler fit machen für die digitale Welt von morgen.
IT-ZERTIFIKAT FÜR DAS LEHRAMT
Im Sommersemester 2020 erweitert das Institut für Digital Humanities sein IT-Zertifikat- Programm in Zusammenarbeit mit dem ZfL um ein spezielles Angebot für Lehramtsstudierende. Schwerpunkt des IT-Zertifikats Lehramt ist das technische Hintergrundverständnis des Einsatzes digitaler Medien im schulischen Unterricht. Das Institut für Digital Humanities bietet seit 2008 Studierenden aller Fakultäten den Erwerb des IT-Zertifikats der Philosophischen Fakultät an. Die Seminare vermitteln umfangreiches IT-Wissen und sind stark nachgefragt. Seit 2019 existiert ein zusätzliches Programm, das speziell für die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Philosophischen Fakultät konzipiert ist. Das IT-Zertifikat kann durch das Belegen von vier praxisorientierten Seminarmodulen erworben werden. In den Modulen geht es unter anderem um Betriebssysteme, Netzwerktechnik, Datenschutz/-sicherheit, Bildbearbeitung sowie um das Erstellen von Webseiten mit HTML5 & CSS, um Content Management Systeme sowie den Aufbau von digitalen Sammlungen. Dozentinnen und Dozenten der Philosophischen Fakultät erfahren zudem, wie sie digitale Medien sinnvoll in ihre Hochschullehre einbinden können. Bislang haben ca. 2.500 Studierende und 80 Beschäftigte die Seminare besucht und ca. 400 Studierende und 20 Beschäftigte das vollständige IT-Zertifikat der Philosophischen Fakultät erworben.