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Ein blinkender Müllfresser

Engagierte Menschen lösen mit Fantasie das Müllproblem in Schloss Wahn

Schloss Wahn, wo sich unter anderem die Theaterwissenschaftliche Sammlung der Universität befindet, hatte ein Problem: Scherben, Zigarettenkippen und Graffitis. Wie engagierte Menschen mit Fantasie Lösungen entwickeln.

Von Hannah Reiter

Heiko Bleike ist jemand, der anpackt. Als er 2020 auf Schloss Wahn mit seiner Frau und den zwei Kindern in die Hausmeisterwohnung einzieht, gibt es vor der Einfahrt einen Hot-Spot, an dem sich Jugendliche treffen. »Wir hatten fast jeden Abend Polizei da«, erinnert er sich an diese Zeit. Die Jugendlichen hinterlassen Scherben und Zigarettenkippen, sprühen Graffiti oder machen hin und wieder auch ein Feuer. Für den Familienvater Bleike ist klar, er muss etwas tun. Er sucht das Gespräch mit den Jugendlichen. Die reagieren zunächst mit Abweisung. Sie drohen sogar mit Gewalt. Mehrmals kappen sie seine Telefonleitung. Er bleibt an ihnen dran: »Irgendwo muss man ja anfangen, wenn man etwas verändern möchte.« Nach und nach gelingt es ihm, mit ihnen ins Gespräch zu kommen – und eine weitere Idee trägt dazu bei, dass sich das Verhältnis ändert. 

Als er im Kindergarten seines Sohnes eine Müllsammelaktion vorschlägt, kommt Bleike dabei die Idee, die Kinder spielerisch an das Thema heranzuführen. Er maire mit ins Boot, der immer noch über eine Fremdfirma für das Schloss arbeitet. Aus allem, was sie zusammentragen, also quasi aus Müll, bauen sie einen Automaten mit MP3-Player und leuchtenden Augen: der erste Pfantomat ist geboren. Mit jedem Flascheneinwurf grüßt dankend eine Stimme. Leuchtende Lichter signalisieren Erfolg. Die so im Inneren des Geräts gesammelten Flaschen bringt die Einrichtung zu einem regulären Pfandautomaten im Geschäft und kann im ersten Jahr rund 700 Euro an Pfandgeldern einlösen. Die Idee kommt so gut an, dass in Bleike ein Gedanke reift: Wie können wir noch mehr Kinder und Jugendliche erreichen? Zusammen mit Bundesliga-Profi Anderson Lucoqui alias Luco von Eintracht Braunschweig und vielen weiteren Unterstützern dreht er ein Musikvideo zum Lied »Die Erde, sie weint«. Auch der erste Pfantomat hat natürlich einen Auftritt darin. 

Zeitgleich kommt Bleike mit der Initiative »Porzer Klimatreff« in Kontakt, die 2022 in Porz die erstmalig stattfindende Klimawoche plant. Er schließt sich mit einer eigenen Müllsammelaktion an. Rund siebenhundert Kinder und Jugendliche nehmen an der Aktion 2022 teil. 2023, als die Müllsammelaktion erneut stattfindet, sind es bereits über 1.000 Kinder und Jugendliche. Im selben Jahr, während der zweiten Klimawoche, sind es sogar über 2.000 Teilnehmende. Mit Unterstützung der Universität zu Köln, insbesondere durch Professor Dr. Peter W. Marx, dem Direktor der Theaterwissenschaftlichen Sammlung auf Schloss Wahn, findet 2024 zum ersten Mal auch ein Umweltworkshop für Schulen und Kitas im Hof des Schlosses statt. 

Kinder aus Kindertagesstätten in der Umgebung machen 2023 bei einer Müllsammelaktion auf Schloss Wahn mit.

Zeitgleich zur ersten Porzer Klimawoche hatte auch eine weitere Kita Interesse an dem Gerät angemeldet. Um die Bedienung des Pfantomaten für Pädagog*innen und Kinder so leicht und lustig wie möglich zu gestalten, entwickelt Bleike mit Peter Lemaire und weiteren helfenden Händen – auch aus unterschiedlichen Bereichen der Universität – das Gerät weiter. 

So bieten Simon Graw und Björn Schulz aus dem Gateway Start-up Exzellenzcenter, der Anlaufstelle für Gründungsinteressierte der Universität, beziehungsweise der Abteilung Transfer des Dezernats 7 Forschungsmanagement, Unterstützung durch Coaching-Angebote an. Durch private Initiative von Herrn Schulz konnten Bleike und Lemaire auch das Patent für den Pfantomat anmelden. Studierende aus der Corporate Law Clinic der Universität, einer kostenlosen Rechtsberatung für Start-ups und Gründungen durch angehende Jurist*innen, klären rechtliche Angelegenheiten wie die Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Auch am Gerät selbst sind Kolleg*innen der Universität beteiligt. Annalu Rausch und Julia Kiefer, die Teil des Teams der Theaterwissenschaftlichen Sammlung sind, setzen ihre Stimme für einige Audiotexte des Pfantomaten ein. 

Schreiner Tobias Seemann von der Universität steht im Endspurt zur Seite. »Wir haben von so vielen Seiten innerhalb und außerhalb der Uni Hilfe erhalten. Hier sieht man: Wenn jeder etwas Kleines beiträgt, kann etwas Schönes entstehen«, sagt Bleike. 

Ein Zuhause gewünscht 

Das grüne Gerät wird ein echter Hingucker. Er leuchtet, spricht und sammelt weiterhin Flaschen und nun auch Kronkorken. Auf jeder Seite gibt es etwas anzufassen oder zu entdecken. Auf Schautafeln und mit kurzen Audioinformationen lernen Kinder, keinen Müll wegzuwerfen, Energie zu sparen und sich für Tier- und Naturschutz einzusetzen. Betrieben wird er mit Sonnenenergie. 

»Unsere Mission ist es, Menschen dazu zu motivieren, aktiv für den Schutz unserer Umwelt einzustehen. Dazu gehören auch die lokalen Unternehmen, die die Müllsammelaktion zu etwas Besonderem machen, sowie alle Pädagogen, die sich mit viel Fantasie einbringen. Und es funktioniert: Weniger Müll wird gedankenlos weggeworfen«, zieht Bleike sein Fazit. Das sehen auch andere so: Für sein soziales Engagement wurde Heiko Bleike 2023 mit dem Ehrenamtspreis des Porzer Ehrenamtsabends geehrt. 

Aktuell ist der Pfantomat in der Garage auf Schloss Wahn zuhause. Das hat hauptsächlich Versicherungsgründe – es fehlt ihm die TÜV-Bescheinigung. Wenn bei seinem Einsatz etwas passierte, würde Heiko Bleike haften. Langfristig wünscht er sich, dass das Gerät dort seinen Platz findet, wo die Idee geboren wurde: im Kindergarten. Doch es liegt nicht in seinen Händen. »Peter Lemaire und ich sind zwei Hausmeister mit viel Fantasie. Aber wir können nicht alle Rechts- und Verwaltungsfragen klären«, sagt Bleike. Auch für die Zukunft lädt er jeden ein, sich einzubringen, der Ideen hat und am Projekt Pfantomat mitwirken möchte. 

Die Aktionen von Bleike sind sogar auf die Jugendlichen vor der Einfahrt nicht ohne Wirkung geblieben. Sie sind immer noch da, aber es ist ein friedliches Miteinander entstanden. »Man merkt einen gewaltigen Unterschied«, so der Hausmeister. »Wenn ich jetzt abends rausgehe und die Jugendlichen grüße, antworten sie mit: ›Wir wissen: keinen Müll machen.‹«  

 

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