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Die Sonne einfangen

Die etwas anderen Solarzellen aus Köln

Forschende auf der ganzen Welt liefern sich ein Wettrennen um besonders effiziente Solarzellen. Dabei sind die weit verbreiteten Solarmodule aus Silizium nicht die einzige Lösung. Kölner Forschungsteams setzen auf weniger gebräuchliche Materialien mit ganz besonderen Eigenschaften.

Von Mathias Martin

Ein Laborraum mit mehreren luftgeschützten Arbeitskammern, sogenannte Handschuhboxen. Bei einer Box ragen aus der Glasfront ein Paar Gummihandschuhe in die Luft, aufgebläht durch einen Überdruck aus Schutzgas. Im Inneren der Box kommt ein rotierender Drehteller langsam zum Stehen, ein quadratisches, gläsernes Substrat wird auf dem Teller erkennbar. Es enthält acht in einem Kreis angeordnete kleine Punkte: »Sieben runde organische Solarzellen und ein Anschlusskontakt«, erläutert Klaus Meerholz, während er seine Arme langsam aus der Handschuhbox herauszieht.

Professor Dr. Klaus Meerholz ist Arbeitsgruppenleiter am Institut für Physikalische Chemie. Der Chemiker kam 2002 an die Universität zu Köln, um am Institut die Grundlagenforschung zu organischer Elektronik aufzubauen. Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf organischen Leuchtdioden, die unter ihrer Abkürzung OLED bekannt geworden sind und vor allem in Displays verwendet werden. Die Hälfte aller Smartphones hat mittlerweile solch ein OLED-Display. »Für Displays gibt es keine annähernd so gute Technologie wie die OLEDs«, sagt Meerholz, der im Bereich der organischen Leuchtdioden circa 40 Patente angemeldet hat.

Substrat – Der mechanische Träger, ein quadratisches Glasplättchen mit 25 Millimetern Kantenlänge, auf dem die verschiedenen Materialschichten und die Elektroden (Anode und Kathode) der Solarzellen aufgebracht werden. Alternativ wären zum Beispiel flexible  Kunststofffolien denkbar.

Organische Elektronik – Organische Elektronik verwendet Bauelemente aus halbleitenden Kohlenwasserstoff- Verbindungen (kleine Moleküle und Polymere). Die elektronischen Schaltungen werden meist in Dünnschicht- Technologie auf flexiblen Kunststofffolien gefertigt.

2008 gelang ihm auf der Basis seiner zahlreichen Patente ein außergewöhnlicher Forschungserfolg: die Entwicklung eines OLED-Mikrodisplays von nur einem Zentimeter Diagonale, aber mit der Auflösung eines Full HD-Fernsehers.

Silizium oder Kunststoff?

Erfolg in Grundlagenforschung hat jedoch eine Kehrseite. Sobald eine Anwendung wie die OLED auf dem Markt ist, verliert die Grundlagenforschung daran an Bedeutung. Meerholz forscht daher auch zu organischen Solarzellen, die in der Praxis immer noch ein Nischendasein führen, obwohl in ihnen großes Potential für neue Anwendungsfelder steckt. »Organische Solarzellen und OLEDs sind eng miteinander verwandt. Von der Herstellung her sind sie identisch, weshalb man im Labor auch die selben Tools verwendet«, so Meerholz.

Klaus Meerholz an der Handschuhbox. Auf einem Drehteller entstehen organische Solarzellen.

Organische Solarzellen bestehen aus Kohlenwasserstoffverbindungen, genauer gesagt aus halbleitenden Polymeren. Das sind besonders aufbereitete Kunststoffe, die als Hableitermaterial für elektronische Bauelemente verwendet werden können. Auf Deutschlands Dächern, und seit neuestem auch an Balkonen, sieht man dagegen fast ausschließlich Solarmodule, die aus dem Halbmetall Silizium aufgebaut sind. Solarzellen aus Silizium erreichen einen Wirkungsgrad von etwa 25 Prozent. »Der Wirkungsgrad gibt an, wieviel Prozent der auf die Solarzelle einfallenden Sonnenenergie in elektrische Energie umgewandelt wird, also wie effizient die Solarzelle arbeitet«, erläutert Privatdozentin Dr. Selina Olthof, die ebenso wie Meerholz als Arbeitsgruppenleiterin am Institut für Physikalische Chemie an Solarzellenmaterialien forscht. Solarzellen aus Silizium gelten mittlerweile als ausoptimiert, ihr Wirkungsgrad lässt sich kaum noch verbessern.

Unterdessen rotiert im Labor in einer Handschuhbox wieder ein Drehteller, rasend schnell, das Substrat mit den sieben im Aufbau befindlichen Solarzellen lässt sich gar nicht ausmachen. »Spin Coating«, oder Rotationsbeschichtung, nennen die Wissenschaftler*innen dieses Verfahren, das in der Box unter Schutzgas durchgeführt wird, um die empfindlichen Materialien vor Sauerstoff und Luftfeuchtigkeit zu schützen. Durch die erzeugten starken Fliehkräfte wird das Substrat gleichmäßig mit einer hauchdünnen organischen Absorptionsschicht überzogen, die später die Sonnenstrahlung aufnehmen und in elektrischen Strom umwandeln soll. Nach dem Spin Coating wird noch ein Anschlusskontakt angebracht und danach das Substrat verkapselt. Die Schutzschicht muss extrem dicht sein, das organische Material ist sehr empfindlich – andernfalls sind die sieben Zellen schnell zerstört.

Die sieben Solarzellen sind Teil einer Versuchsreihe mit insgesamt fünfzehn verschiedenen Substraten. Mit speziellen Apparaturen führen die Wissenschaftler*innen aufwendige Messungen an den Solarzellen durch, um mehr darüber zu erfahren, wie sich unterschiedliche Materialien auf den Wirkungsgrad, aber auch auf die übrigen Eigenschaften der Zellen auswirken.

Eine Solarzelle aus dem Drucker

Gerade die übrigen Eigenschaften sind es, die organische Solarzellen für die Forschenden besonders interessant machen. Denn beim Wirkungsgrad unterliegen sie den Siliziumzellen. Organische Zellen aus Polymeren erreichen im Labor einen Wirkungsgrad von ungefähr 18 Prozent. Nicht schlecht, allerdings weniger als die 25 Prozent der Siliziumzellen. Gegenüber Siliziumzellen sind Solarzellen aus organischen Materialien jedoch umweltverträglicher herstellbar. Hinzu kommt, dass sie sehr dünn und semitransparent produziert werden können. Solarfolien auf dreidimensional geformten Dachflächen, auf Fensterscheiben oder integriert in Sonnenschutzlamellen sind damit möglich. Zudem können die organischen Absorbermaterialien in speziellen Flüssigkeiten gelöst werden, sodass sie sich kostengünstig mit einem dafür konstruierten Tintenstrahldrucker herstellen lassen. Die Haltbarkeit organischer Zellen ist jedoch schlechter als die der Siliziumzellen, und so haben sie sich für die Konstruktion größerer Solarmodule auf dem Markt bisher noch nicht durchgesetzt.

PD Dr. Selina Olthof am Photoelektronenspektormeter im Keller des Instituts für Physikalische Chemie. Das Gerät hilft, die maximale Leistung aus Tandem- Solarzellen herauszuholen.

Klaus Meerholz sieht das große Potential der organischen Solarzellen vor allem in der Indoor-Photovoltaik. In Innenräumen werden häufig Geräte betrieben, die nur wenig elektrische Energie benötigen, wie beispielsweise Sensoren oder Messgeräte. Energie von der Raumbeleuchtung oder dem einfallenden Tageslicht könnte genutzt werden, um diese Geräte zu betreiben. »Organische Zellen können das Lichtspektrum in Innenräumen zehnmal besser ausnutzen als Zellen aus Silizium, weshalb sie sich für solche Indoor-Anwendungen besonders gut eignen«, erläutert Meerholz.

Mehr Leistung im Doppelpack

2009 entdeckte die Forschung ein weiteres Material für Solarzellen. »Es war ein bisschen wie ein Wahn in der Wissenschaft. Jeder wollte da mitmachen, jeder wollte einen neuen Rekord aufstellen. Es gab eine Goldgräberstimmung«, sagt die Physikerin Olthof. Die Rede ist von der Materialklasse der Perowskite. Durch intensive Forschung an Solarzellen aus Perowskit konnte ihr Wirkungsgrad von anfangs 3 Prozent auf nunmehr 22 Prozent gesteigert werden. Zwar sind Perowskitzellen bisher immer noch nicht praxistauglich, da ihre Haltbarkeit stark begrenzt ist. Sie haben aber gegenüber anderen Arten von Solarzellen einen gewichtigen Vorteil, der dafür spricht, dass weiter an ihnen geforscht wird. Perowskit-Solarzellen können nämlich das Sonnenlichtspektrum besonders gut absorbieren.

Auf der Basis von Messungen im Labor kann das Perowskitmaterial gezielt »zusammengebaut« werden und die Forschenden legen fest, welcher Wellenbereich des Lichtspektrums absorbiert werden soll. Die Perowskitzelle kann dadurch die verfügbare Sonnenenergie sehr gut ausnutzen. Darüber hinaus kann Perowskit in Flüssigkeiten gelöst werden, sodass Solarzellen aus Perowskit wie rein organische Zellen im Druckverfahren auf flexiblen Folien hergestellt werden können. Ein solches Verfahren benötigt bedeutend weniger Energie als die Herstellung von Siliziumzellen.

Perowskit – Das Mineral besitzt eine spezifische Kristallstruktur mit einem meist kubischen Gitter. Für die Herstellung von Perowskitzellen werden halbleitende, blei- und jodhaltige Perowskitkristalle mit hauchdünnen organischen Schichten gestapelt.

Auch wenn eine einzelne Perowskitzelle schon einen beachtlichen Wirkungsgrad hat, lässt sich ihre Effizienz noch weiter steigern. Im »Doppelpack« werden diese Solarzellen nämlich noch leistungsfähiger. Dafür werden zwei oder mehr Solarzellen, zum Beispiel zwei Perowskitzellen, zu einer sogenannten Tandem-Solarzelle »gestapelt«. Indem die einzelnen Zellen jeweils für unterschiedliche Bereiche des Sonnenlichtspektrums optimiert werden, kann eine Tandem-Solarzelle die Sonnenenergie noch besser ausnutzen. »Die Herausforderung besteht darin, das Material so anzupassen, dass die obere Zelle möglichst viel Sonnenlicht absorbiert und dabei genügend Licht und elektrische Energie zu der unteren Zelle durchlässt«, erklärt Selina Olthof.

Die Lösung dafür steht im Keller des Instituts: eine futuristisch anmutende, raumfüllende Apparatur aus Edelstahl, mit zahlreichen Rohren, Hebeln, Schläuchen sowie Luken aus Glas. »Das ist unser Photoelektronenspektrometer«, erläutert Olthof. »Damit sehen wir, ob sich die Elektronen ohne Barriere zwischen den beiden Zellen bewegen. Wir können so die 1,5 Nanometer dünne Schicht aus Indiumoxid, die beide Zellen bestmöglich optisch und elektrisch verbinden soll, den sogenannten Interconnect, exakt anpassen. «

Im letzten Jahr gelang es den beiden Kölner Arbeitsgruppen zusammen mit Wissenschaftler*innen der Universität Wuppertal sowie anderer Hochschulen und Forschungseinrichtungen, eine Tandem-Solarzelle aus Perowskit und organischen Absorberschichten mit einem Wirkungsgrad von 24 Prozent zu entwickeln – ein Weltrekord für diese Materialkombination. Die Messungen von Olthof und ihrem Team mit dem Photoelektronenspektrometer haben hier wesentlich dazu beigetragen die Schicht, welche die beiden Einzelzellen im Tandembauteil verbindet, zu optimieren.

»Es gibt nicht viele Standorte weltweit, die so viele verschiedene Tools und das notwendige Knowhow an einer Stelle vereinen, wie wir hier an unserem Institut. Physiker*innen und Chemiker*innen arbeiten bei uns eng zusammen. Es kann dadurch sehr schnell gesagt werden, was und wie etwas erfolgreich realisiert werden kann«, sagt Meerholz.