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Die Jagd nach der Quelle für das Leben

Wissenschaftler suchen in unserem Sonnensystem nach Wasser, weil das als eine der wichtigsten Grundlagen für biologisches Leben gilt.

Saturnmond Enceladus

Saturnmond Enceladus

Joachim Saur gehört zu den wenigen Menschen, deretwegen eine amerikanische Raumsonde schon mal einen kleineren Umweg macht. Die Geschichte geht so: Im Jahre 2004 schwenkte die Forschungssonde Cassini in einem Manöver in die Umlaufbahn um den Saturn ein. Bei ihrem Flug durch das Magnetfeld des Gasriesen stellte Cassini auffällige magnetische Störungen fest. Saur erinnert sich, wie er und sein Team den besonderen Werten auf die Schliche kamen: »Wir haben damals berechnet, dass eine Gaswolke die Störungen hervorgerufen haben musste. Diese Wolke musste sich am Südpol vom Saturnmond Enceladus befinden. Daraufhin hat die NASA Cassinis Route verändert, damit sie Enceladus besser beobachten kann«, berichtet der Kölner Geophysiker.

Die Berechnungen Saurs und seines Teams erwiesen sich als zielführend: Auf angepasster Bahn identifizierte die Sonde erstmals riesige Geysire aus gasförmigem Wasser auf dem eigentlich als Eismond bekannten Enceladus. Die Geysire schleuderten zwischen den Eisschollen Wasser in Wolkenform ins All - ein flüssiger Ozean schien unter dem Eispanzer zu wogen.

Geysire – gute Bedingungen für Leben

Die Kursänderung der Sonde mit initiiert zu haben, war ein erster Höhepunkt in der Forscherlaufbahn des Geophysikers aus Köln. »Seit meinem Studium habe ich mich für die Frage interessiert, ob es flüssiges Wasser in unserem Sonnensystem gibt«, so Saur. »Bei Enceladus wurde diese Existenz auch dank unseres Hinweises bewiesen.«

Spannend ist die Suche nach flüssigem Wasser, weil damit auch die Möglichkeit von Leben einhergeht, erklärt der Geophysiker das Prinzip: »Wenn es biologisches Leben ist, wie wir es kennen, dann ist die Grundlage einfach: Man braucht Wärme, man braucht flüssiges Wasser und man braucht darin gelöst die Mineralstoffe, die das Leben zum Aufbau benötigt. Das muss man dann in Ruhe lassen. Vielleicht eine Million Jahre, genau was das niemand.« Ist anderswo als auf der Erde auf diese Weise Leben entstanden? Der Nachweis von extraterrestrischem Leben wäre eine Sensation – nicht umsonst widmen sich etliche Forschergruppen den weiteren Monden der gigantischen Gasplaneten Jupiter und Saturn. Was, wenn nicht nur unter der Eiskruste des Enceladus flüssiges Wasser schlummert, sondern auch unter den Eispanzern des Ganymed (dritter Jupitermond) oder von Europa (zweiter Jupitermond)?

Das nächste Ziel der Kölner Geophysiker war deshalb der Jupitermond Europa, der bei einer Oberflächentemperatur von minus 160 Grad Celsius ebenso mit einem Eispanzer bekleidet ist. Hier lagen bereits Hinweise auf einen Ozean, ein sogenanntes subglaziales Meer, vor. Mithilfe des Weltraumteleskops Hubble wiesen die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen von der Uni Köln auch hier einen Geysir und damit flüssiges Wasser nach. Doch woher nimmt der Mond die Energie, seine gigantischen Eismassen punktuell zu schmelzen und flüssig zu halten?

Die Gezeiten des Jupiter Weit draußen im Sonnensystem kreisen die Gasgiganten Jupiter und Saturn um die Sonne. Jupiter, der größte Planet des Sonnensystems, ist knapp zweieinhalbmal so schwer wie alle anderen Planeten des Sonnensystems zusammen, sein Durchmesser ist mit knapp 143.000 Kilometern etwa elfmal größer als der der Erde. Für seine Monde ist er das, was die Sonne für die Planeten ist: eine Quelle der Wärme. Allerdings nicht, weil er Wärme abstrahlen würde. »Es sind die Gezeitenkräfte des Planeten, die auf die Monde wirken«, erklärt Saur. »Durch Jupiters enorme Anziehungskraft wird viel Wärme erzeugt, weil das Innere der Monde gedehnt und gestaucht wird. Dabei entsteht Reibung.«

Gleiches gilt für die Monde des Saturn, wie zum Beispiel Enceladus. Nur Ganymed, selber mit über 5.200 Kilometern der größte Mond im Sonnensystem, sticht dabei etwas heraus: »Bei Ganymed stellen natürliche radioaktive Zerfallsprozesse, die im Kern des Mondes stattfinden, die wichtigste Wärmequelle dar«, so Saur. Ergebnis dieser Prozesse ist ein flüssiger heißer Kern aus Eisen. Ganymed stellt eine Ausnahmeerscheinung unter den Monden der Gasriesen dar, weil der Eisenkern ein eigenes Magnetfeld erzeugt. Sogar Polarlichter konnten dort schon beobachtet werden.

Die Polarlichter Ganymeds waren die Spur

Da war also das Rätsel Ganymed mit den Puzzlestücken Eisenkern, Magnetfeld, Polarlichter. Es gibt diese besonderen Momente im Leben eines Wissenschaftlers, wenn die Fakten sich in seinem Kopf zu einer richtig guten Idee ordnen, erinnert sich Joachim Saur: »Plötzlich gab es so einen Heureka-Moment für mich: Mir wurde klar, sollte Ganymed einen Ozean haben, dann müssten Salze darin gelöst sein. Salzwasser ist elektrisch leitfähig und beeinflusst das Magnetfeld des Mondes und seiner Umgebung, und damit auch die Polarlichter«, sagt der Physiker. »Wir mussten also herausfinden, wie Polarlichter auf einem Planeten mit Ozean aussehen und wie auf einem Planeten ohne.«

Vom Geistesblitz bis zum Ergebnis dauerte es. Daten mussten gesammelt und aufbereitet werden, Simulationsprogramme wurden geschrieben und Simulationen durchgeführt. Von 2011 bis 2014 arbeitete Saur mit seinem Team an dem Problem. Bis das Ergebnis schließlich feststand: Ganymed hat einen Salzwasser-Ozean unter seiner Eiskruste. Die Arbeit fand international große Aufmerksamkeit, und die Nachricht ging weltweit nicht nur in der Wissenschaftler-Community um: »Ganymede has a salty ocean.«

Und ein anderer Kandidat ist es dann eher doch nicht

Die international intensive Forschung an den Eismonden setzt sich weiter fort. Neben Ganymed, Europa und Enceladus werden immer wieder auch die Saturnmonde Titan, Dione und Mimas als mögliche Kandidaten für das flüssige Wasser gehandelt. Ob die bestehenden Hinweise darauf auch stimmen, konnte aber noch nicht mit Sicherheit gesagt werden.

Nach dem größten Mond des Jupiter, Ganymed, hat sich Saur deswegen dem zweitgrößten zugewandt, Kallisto. Auch bei Kallisto gab es Unregelmäßigkeiten im Magnetfeld, die auf flüssiges Wasser auf dem Jupitermond hinweisen könnten. Im Fall Kallisto ist der Experte Saur allerdings skeptisch: »Unsere Arbeiten deuten eher darauf hin, dass die Störungen im Magnetfeld hier eher auf Effekte in der Ionosphäre des Mondes zurückgehen – das ist ein oberer Teil der Atmosphäre, in dem Gasatome elektrisch aufgeladen werden.«

Gibt es Leben auf den Monden?

2018 wird Joachim Saur mit dem Hubble-Teleskop wieder den Mond Europa beobachten – diesmal unter anderen Gesichtspunkten. »Die Beobachtungen mit Hubble finden im ultravioletten Spektrum des Lichts statt«, sagt Saur. »Damit kann man nur einzelne Atome feststellen, also Kohlenstoff, Stickstoff, Sauerstoff und so weiter. Was das Leben ausmacht, sind aber komplexe Moleküle. Die finden wir mit Hubble nicht.«

Sowohl die amerikanische Raumfahrtorganisation NASA als auch das europäische Gegenstück ESA wollen deshalb Raumsonden zum Jupiter starten, um langfristig den Nachweis von Leben zu erbringen. Die Amerikaner visieren den Mond Europa an, die Europäer wollen Ganymed unter die Lupe nehmen. In beiden Teams ist Saur mit dabei: »Das sind vorbereitende Arbeiten. Die Sonden werden erst so um das Jahr 2030 herum ankommen. Zum jetzigen Zeitpunkt ist von uns die intellektuelle Vorarbeit gefragt.« Bis dahin werden die Ozeane der Jupitermonde noch ihre Geheimnisse für sich behalten.