Dr. Andreas Freitäger, Universitätsarchivar, über eine mobile Zahnarztpraxis aus dem Jahr 1927
Neben den drei »Geißeln der Kulturmenschheit« Tuberkulose, Syphilis und Alkoholismus sagte die Medizin um 1900 der Karies als vierter im Bunde den Kampf an. In städtischen Zahnkliniken sollten von der Grundschule an alle Schulkinder regelmäßig auf die Zahngesundheit untersucht und Kinder aus ärmeren Schichten unentgeltlich behandelt werden. So eröffnete am 21. Mai 1908 die städtische Kölner Zahnklinik unter der Leitung von Dr. Karl Zilkens, der zum Wintersemester 1930/31 erster Lehrstuhlinhaber für Zahnheilkunde an unserer Universität wurde. Gleichzeitig wurde aus dem städtischen Institut an der Cäcilienstraße 1a die Universitätszahnklinik.
In Zilkens’ Nachlass, den dessen Enkel im Februar 2021 dem Historischen Archiv der Universität übergeben hat, fand sich dazu interessantes Bildmaterial, darunter eine Reihe Fotos von einem »Zahnarztauto«, einem Clinomobil.
Die 1927/28 von der Stadt Köln in Dienst gestellte mobile Zahnarztpraxis als Teil der Schulzahnpflege hing mit der Erweiterung der Stadt durch die 1914 erfolgte Eingemeindung der Stadt Mülheim/Rhein zusammen. Während für die städtisch geprägten rechtsrheinischen Gebietszuwächse (Kalk, Mülheim) eine zweite stationäre Zahnklinik im Zentrum von Mülheim errichtet wurde, sollte das mit dem städtischen Zahnarzt Dr. Franzheim und einer Krankenschwester besetzte Zahnarztauto die kleineren Schulen in den ländlichen Stadtbezirken versorgen.
Details über seine Ausstattung lassen sich der Beschreibung des im Landkreis Köln eingesetzten Wagens entnehmen: Der Aufbau war auf ein 2,5-Tonnen Fahrgestell der Firma Mercedes-Benz aufgesetzt. Bei einem Achsstand von 4 Metern maß das gesamte Fahrzeug 6,40m bei einer Gesamthöhe von 2,80m. Bei einer Breite von 2,05m waren die Maße der Wagen so angelegt, »dass sie die Torwege passieren und auf dem Schulhof Aufstellung nehmen können«. Im Inneren stand dem Zahnarzt ein auf Kinder berechneter Behandlungsstuhl mit dem damals modernsten technischen Gerät zur Verfügung, wobei man den benötigten Strom dem Schulnetz entnahm.
Die Fahrzeugbeschreibung führt weiter aus: »Speinapf mit Wasserzu- und -abfluß, elektrische Bohrmaschine, Instrumententisch und sonstige zahnärztliche Apparate sind im ›Unit‹ vereinigt. Das Frischwasser befindet sich in einem eingebauten Tank, von dem aus es durch Luftkompressor zur Speifontäne und zu den Waschbecken gedrückt wird. Dem Zahnarztwaschbecken ist ein Warmwasserbereiter vorgeschaltet. Die Abwässer gehen in den Abwassertank, der sich unter dem Wagen befindet. Für den Sterilisator und einen Amalgammischer ist ein besonderer Abzug vorhanden. Ein Schreibtisch mit Karthothek, eingebauter Kleider- und Wäscheschrank, ein Kasten für die gebrauchte Wäsche […] vervollständigen die Einrichtung.« In der Wirtschaftskrise 1930- 32 scheint man in Köln generell vom Einsatz der motorisierten Schulzahnautos aus wirtschaftlichen Erwägungen wieder abgekommen zu sein. Bei einer Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h betrug der Verbrauch 18 kg Diesel, also etwa 20 l je 100 km.
Wie lange der »Dentisten- Daimler« auf Kölns Straßen unterwegs war, ist nicht bekannt. Diese erste Motorisierung des Kölner Gesundheitswesens blieb aber nicht die letzte: Nach dem Zweiten Weltkrieg »erfand « der Kölner Chirurg Professor Dr. Victor Hofmann den ersten Rettungswagen, der an der Chirurgischen Universitätsklinik stationiert wurde. Auch dazu findet sich Material in unserem Archiv. Aber das ist eine andere Geschichte.