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Dem Boden auf den Puls gefühlt

Kölner Wissenschaftler*innen waren am Fund der wertvoller Metalle in Schweden beteiligt

Im hohen Norden Schwedens liegen enorme Vorkommen wertvoller Metalle unter der Erde. Sie versprechen wirtschaftliche Unabhängigkeit für Europas Hightech und Umweltindustrie. Der Fund ist das Ergebnis geowissenschaftlicher Explorationsarbeiten, an denen auch Kölner Wissenschaftler*innen beteiligt waren.  

Von Jan Voelkel

Mit einer Bullerbü-Vorstellung von Schweden hat Kiruna, die nördlichste Stadt des Landes, nicht viel zu tun. Anstatt malerischer roter Holzhäuschen à la Astrid Lindgren prägt hier, nur knapp 200 Kilometer vom Polarkreis entfernt, der Bergbau die Landschaft. Bereits seit 1898 wird in der mittlerweile größten unterirdischen Mine der Welt Eisenerz abgebaut. Ein riesiger Erzberg am Rande von Kiruna ist von weither sichtbar und sieht ein wenig aus, als würde ein gigantisches Kreuzfahrtschiff vor der Stadt liegen.

Man sollte also meinen, dass es hier in Sachen Bergbau nicht mehr viel gibt, was zu einer großen Überraschung taugt. Im Januar wurde neben Eisenerz allerdings noch etwas gefunden, das als Sensation gehandelt wird: Seltene Erden. Das genaue Ausmaß ist noch nicht bekannt, aber es steht fest, dass es sich um die bislang größte in Europa gefundene Lagerstätte an Seltenen Erden handelt.

Seltene Erden – Bei den Seltenen Erden handelt es sich eigentlich um Metalle. Und wirklich selten sind sie auch nicht. Lanthan kommt in der Erdkruste etwa mehr als 10.000-mal so häufig vor wie Gold. Allerdings findet man die Seltenen Erden nicht in Reinform, sondern ausschließlich in Erzen. Dort ist die Konzentration oft sehr gering, was den Abbau meist unwirtschaftlich macht.

Diese Metalle stehen ganz oben auf der Liste begehrter Rohstoffe und werden zur Fertigung der Motoren von Elektroautos oder zur Produktion von Windturbinen benötigt, sie stecken in Glasfasern oder LEDs. Sie sind also im Hinblick auf Zukunftstechnologien mehr als gefragt. Laut dem Bergbauunternehmen LKAB könnte das nun gefundene Vorkommen den Großteil des europäischen Bedarfs decken. Bisher ist China nach Angaben des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung mit rund 90 Prozent größter Lieferant für Europa und Deutschland. Der neue Fund, der Europa auf dem Weltmarkt unabhängiger machen könnte, ist das Ergebnis umfangreicher geowissenschaftlicher Explorationsarbeiten. Einen Beitrag zur Erkundung des Vorkommens leistete auch die Uni Köln.

Kilometerlange Stromkabel für die Messungen

Dr. Pritam Yogeshwar und Dr. Wiebke Mörbe vom Institut für Geophysik und Meteorologie sind von Kölner Seite am Verbundprojekt DESMEX (Deep Electromagnetic Sounding for Mineral Exploration) und den beiden Folgeprojekten DESMEX-II und DESMEX-Real beteiligt. Yogeshwar und sein Team übernahmen Validierungsarbeiten für neue elektromagnetische Messverfahren und waren für die Arbeiten am Boden zuständig. Man kann es sich so vorstellen, dass Yogeshwar und seine Kolleg*innen anhand eines Stromsignals, das in den Boden geleitet wird, erkunden und untersuchen, wie der Untergrund beschaffen ist. Hierfür installierten die Kölner lange Kabel die als Stromquellen dienen. Das Messgebiet »Per Geijer« in Kiruna betrug etwa acht mal acht Kilometer, das längste Kabel im Messgebiet war rund fünf Kilometer lang.

Ein Stromsignal, das in den Boden geleitet wird, gibt Aufschluss darüber, wie der Untergrund beschaffen ist.

»Der Strom wird gepulst – also immer wieder an- und abgeschaltet. Während dieses Pulsvorgangs entsteht ein elektromagnetisches Signal. Und das erzeugt eine Wechselwirkung mit den Schichtungen im Boden«, erklärt Yogeshwar. Die elektrischen Ströme konzentrieren sich da, wo gut leitfähiges Material wie zum Beispiel Eisenerz im Boden vorkommt. Messungen des Signals liefern also wichtige Anhaltspunkte über die Zusammensetzung des Bodens.

In Kiruna wurde das Gebiet mit einer Kombination von Techniken am Boden und neuartigen luftgestützten Methoden erkundet. Die Sender am Boden liefern ein starkes Quellsignal, das bis zu einem Kilometer in den Untergrund reicht. Dieses Signal wird von Magnetfeldsensoren in einem an einem Hubschrauber befestigten Schleppkörper aufgezeichnet. Bei 90 km/h Fluggeschwindigkeit können so kontinuierlich Daten aus der Luft gesammelt und das gesamte Gebiet in wenigen Flugstunden ›gescannt‹ werden. »Die Kombination liefert in kurzer Zeit hervorragende Daten und eine hohe Datendichte, die wir auswerten können«, so der Geophysiker.

Bohrlöcher en masse

Anhand der Daten erstellen die Wissenschaftler*innen ein Leitfähigkeitsmodell des Bodens: Wo leitet der Boden elektrischen Strom besonders gut und wo nicht? Aber so gut die Datenlage auch ist, haargenaue Auskunft über die Vorkommen im Boden geben sie nicht. Es gibt kein Signal, das exakt anzeigt, ob es sich nun um Seltene Erden oder andere spezifische Minerale handelt. »Neben Eisenerz, in dem sich Seltene Erden in der Regel befinden, würde auch eine Tonschicht ein gutes leitfähiges Signal generieren. Oder eine wasserführende Schicht mit einem kontaminierten Grundwasserleiter, der versalzen ist«, erläutert Yogeshwar. »Daher sind immer geologische Voruntersuchungen und Bohrungen nötig, die vorab klären, ob bestimmte Lagerstätten und abbauwürdige Vorkommen überhaupt vorhanden sind.«

Bevor die Seltenen Erden entdeckt wurden, gab es langjährige Vorarbeiten. Das Gebiet ist durchsiebt von Bohrlöchern.

In Kiruna gab es langjährige Vorarbeiten, das Gebiet um die Mine ist durchsiebt von Bohrlöchern. Dass es dort Seltene Erden gibt, wurde daher bereits vermutet. Die neuen Messdaten bestätigten nun, dass es sich um eine Größenordnung handelt, die in Europa einzigartig ist. Bis eine groß angelegte europäische Rohstoffproduktion allerdings beginnt, dauert es noch einige Zeit. Schon bei der Bekanntgabe zu Jahresbeginn rechnete das Bergbauunternehmen LKAB mit einem Produktionsbeginn in zehn bis fünfzehn Jahren.

Neben Genehmigungsverfahren könnten auch eine zu geringe Konzentration der Seltenen Erden im Eisenerz den Abbau erschweren. Kritiker*innen geben zudem zu Bedenken, dass Seltene Erden zwar mit grünen Technologien in Verbindung gebracht werden, deren Produktion allerdings bisher oft mit hohen Umweltbelastungen einhergeht. Auch hier gilt also, sich von der einen oder anderen Bullerbü-Vorstellung zu lösen. Dennoch sind sich meisten Expert*innen einig, dass die Stätte in Kiruna ein wichtiger Baustein in der Versorgungssicherheit Europas werden kann.

 

In DESMEX und den aktuell laufenden Folgeprojekten DESMEX-II und DESMEX-Real werden luftgestützte geophysikalische Messverfahren entwickelt, mit denen unter anderem Erzkörper im Untergrund detektiert werden können. DESMEX ist ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördertes deutsches Konsortium aus Hochschulen, Forschungsinstituten und Industriepartnern. An den Arbeiten in Kiruna waren die Universitäten Köln, Münster und Freiberg, die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, die Leibniz-Institute für Angewandte Geophysik und für Photonische Technologien und die Firmen Supracon AG und Metronix GmbH beteiligt.