Im Zentrum unserer Galaxie liegt ein gigantisches Schwarzes Loch. Deutsche und französische Forscherinnen und Forscher maßen im Gravitationsfeld des Schwarzen Lochs Sagittarius A* erstmals Effekte, die Albert Einstein vor 100 Jahren in seiner Allgemeinen Relativitätstheorie vorhergesagt hatte. Beteiligt war daran auch der Astrophysiker Professor Dr. Andreas Eckart von der Uni Köln.
Mitten im Herzen unserer Galaxie, im Zentrum der Milchstraße, gibt es einen Ort, an dem "die Zeit stillsteht", das Licht der Sterne erlischt und Materie, wie wir sie kennen, nicht mehr existiert. An diesem Ort wird die Raumzeit des Kosmos durch eine Masse gekrümmt, die vier Millionen Mal so groß ist wie die unserer Sonne: ein supermassereiches Schwarzes Loch. An diesem Ort gelten die Gesetze der klassischen, Newtonschen Physik nicht mehr. Sterne, die dort kreisen, zeigen absonderliches Verhalten: Mal leuchten sie im blauen Spektrum, mal im roten. Auch auf ihrer Umlaufbahn findet man sie nicht dort, wo sie sein sollten, denn die Zeit und ihr Weg werden gedehnt.
Uralt und super-massereich
Dieses Schwarze Loch, Sagittarius A*, liegt im Sternbild des Schützen. Es ist ein Ort, den der Kölner Physiker Professor Dr. Andreas Eckart vom I. Physikalischen Institut schon seit Jahren beobachtet. Zusammen mit seinen Kollegen, Ingenieuren und Technikern misst Eckart seit Anfang der 1990er Jahre die Umlaufbahn des Sterns S2 und folgt seinem Orbit um das Schwarze Loch. Sagittarius A* ist ein großes Nichts, das allerdings alles andere als nichts ist – es ist ein super-massereiches Schwarzes Loch. Normale Schwarze Löcher entstehen aus kollabierten Sternen ab einer Größe von zehn Sonnenmassen. Nicht so das große Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße: Es war schon seit den Anfängen der Milchstraße da. Auch im Zentrum anderer Galaxien kann man solche gigantischen Schwarzen Löcher beobachten, die 10 Millionen bis hundert Millionen Mal schwerer sind als die Sonne. Doch erst seit den letzten Jahren verdichteten sich die Hinweise, dass es ein solches Loch auch im Zentrum unserer Milchstraße gibt.
Einstein auf den Puls gefühlt
Die Objekte sind für sich genommen schon eine Fundgrube für die Astrophysik. Man kann mit ihrer Hilfe aber auch die Effekte der Allgemeinen Relativitätstheorie beweisen. Als Einstein vor hundert Jahren die Physik mit seiner Theorie neu definierte, sagte er dabei auch die Auswirkungen großer Gravitation auf das Raumzeitgefüge voraus: Es wird gekrümmt. Ein extrem massereiches Objekt, wie ein Schwarzes Loch, krümmt Raum und Zeit in seiner Nähe. Je mehr man sich der gigantischen Masse nähert, desto intensiver sind die Auswirkungen. Nicht-rotierende Schwarze Löcher selber kann man praktisch nicht direkt beobachten, denn nichts dringt aus ihnen heraus: Kein Licht, keine nennenswerte andere Strahlung – gar nichts, was innerhalb des sogenannten Ereignishorizontes liegt, dringt nach außen. Eine direkte Beobachtung Schwarzer Löcher gilt als praktisch unmöglich. Sie verraten sich aber durch Sterne, die das Schwarze Loch umkreisen. Denn für Objekte, die sich in einer Umlaufbahn um das Schwarze Loch befinden, hat die Raumkrümmung Konsequenzen. Sie befinden sich auf einem sogenannten relativistischen Orbit. Nähern sie sich stark dem Schwarzen Loch, so sind sie den Effekten der Zeitverlangsamung und der Raumkrümmung ausgesetzt. Für die Astrophysik eine wunderbare Gelegenheit, um in diesem gigantischen Laboratorium Einsteins Aussagen zu überprüfen. Gleichzeitig wäre ein solcher Orbit aber auch ein Beweis für ein super-massereiches Schwarzes Loch im Zentrum der Milchstraße.
Seit 26 Jahren auf der Lauer
Alle bekannten Schwarzen Löcher, die man bisher entdeckt hat, sind sogenannte Rotierende Schwarze Löcher: Bei ihrer Rotation reißen sie den Raum mit sich und "verziehen" die Krümmung. Da man diese Effekte der Schwarzen Löcher auf ihre Umgebung sehr gut im infraroten Spektralbereich beobachten kann, haben sich die Physiker und Physikerinnen an der Uni Köln auf die Entwicklung hochsensibler Messgeräte, sogenannter Spektrometer, in diesem Bereich der Wellenlänge spezialisiert. "Wenn man in der Astrophysik etwas Neues entdecken möchte, dann muss man in Wellenlängenbereiche hineingehen, die schwer zu erschließen sind", sagt Andreas Eckart. "Das war bis vor wenigen Jahren der Infrarotbereich bis zum Submillimeter-Spektralbereich. Da ist es besonders schwierig, Kamerasysteme und Empfänger zu bauen. Das hat sich hier in Köln etabliert." Seitdem die Teleskope der Europäischen Südsternwarte (ESO) auf dem Berg Paranal in den Anden im Norden Chiles die ersten Bilder des Sterns S2 eingefangen haben, sind Eckart und seine Kölner Kolleginnen und Kollegen Teil des internationalen Teams, das auf de
Jagd nach besseren und aussagefähigeren Bildern des Sterns ist. "Ich bin von Anfang an dabei gewesen. Die ersten aufgelösten Bilder des Sterns S2 und des Sternhaufens im Zentrum der Milchstraße haben wir 1991 und 1992 mit Kollegen und Kolleginnen vom Max-Planck- Institut für extraterrestrische Physik in Garching bekommen. Seitdem messen wir die Bewegung einzelner Sterne", erinnert sich Eckart. 26 Jahre ist das nun her, aber die Messungen brauchten ihre Zeit: "Die Umlaufzeit des Sterns S2 um das zentrale Schwarze Loch Sagittarius A* beträgt 16 Jahre. Da muss man mehrmals pro Jahr vor Ort genaue Messungen durchführen."
Tischtennisbälle auf dem Mond sehen
Über die Jahre verbesserten die Physiker und Physikerinnen zusammen mit ihren Technikteams die Auflösung der Spektrometer immer weiter. Das Kölner Forschungsteam steuerte schließlich zwei hochsensible Spektrometer bei, die dem extrem empfindliche Instrument GRAVITY der ESO ermöglichen, das infrarote Licht der Sterne in der Umlaufbahn von Sagittarius A* einzufangen. Effektiv wurde GRAVITY zusätzlich durch die Kombination von vier 8-Meter-Teleskopen der ESO auf einem 2.635 Meter hohen Berg in den Anden, am Paranal in Chile, zu einem einzigen großen Teleskop, das damit eine enorme Auflösung erreicht. "Wir haben mit diesen beiden Spektrometern ein Herzstück für das GRAVITY- Instrument geliefert", sagt Eckart. Mit den neuen Geräten verbessert sich die sogenannte Winkelauflösung der Teleskope. "Man kann besser als eine Millibogensekunde genau messen", so der Physiker. Zum Vergleich: "Wenn man eine Zehntel Millibogensekunde Auflösung hat, dann kann man zwei Tischtennisbälle auf der Oberfläche des Mondes auseinanderhalten."
Krümmung der Raumzeit bremst Licht
2017 gelang es, einen ersten Hinweis auf die sogenannte Apsiden-Drehung des Orbits des Sternes S2 zu finden: Während ein normaler Orbit einer Ellipse gleicht, verschiebt sich unter dem Einfluss des Schwarzen Lochs die Umlaufbahn des Sterns, sodass sie eher wie eine Rosette aussieht. Diese Drehung ist ein Anzeichen für eine Hochkonzentration von Masse und wird von der Relativitätstheorie vorhergesagt. Schließlich konnten die Kölner Astrophysiker nun mit GRAVITY eine noch genauere Messung des Orbits durchführen und die Daten dann mit Spektroskopie-Messungen kombinieren. Dabei stellten sie einen Rotverschiebungsanteil im Licht des Sterns fest. "Im Prinzip läuft es darauf hinaus, dass diese enorme Masse die Raumzeit beeinflusst. Die Wegstrecke und das Spektrum des Lichts werden von dieser Raumkrümmung verändert. Die Differenzen im Weg und in der Zeit werden durch die schwere Masse hervorgerufen", erklärt Eckart. Erstmals konnten die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen damit experimentell nachweisen, dass sich das Lichtspektrum eines Sterns im starken Gravitationsfeld eines Schwarzen Lochs in charakteristischer Weise verändert. Mit dem ersten Erfolg haben sie nun eindrucksvoll bewiesen, wie gut ihre Instrumente sind. "Wir haben jetzt zwei sehr gute Hinweise darauf, dass sich der Stern S2 auf einem relativistischen Orbit um die zentrale Masse bewegt", sagt Eckart. "Das ist ein sehr schöner Nachweis dafür, dass die Masse im Zentrum der Milchstraße sehr groß und kompakt ist. Das stimmt mit der Annahme überein, dass es sich um ein super-massereiches Schwarzes Loch handelt." In Zukunft wollen die Forscherinnen und Forscher die Umlaufbahnen weiterer Sterne um Sagittarius A* herum messen.
Die Messungen können auch auf andere super-massereiche Schwarze Löcher in weit entfernten Galaxien ausgedehnt werden, allerdings nicht mit der Präzision wie für Sagittarius A*. Das Schwarze Loch in der Mitte der Milchstraße ist nur 25.640 Lichtjahre entfernt und liegt damit quasi in kosmischer Nachbarschaft. "Wir bekommen die Daten und sind dabei, die Informationen zu verarbeiten und mit dem Konsortium zusammen in Publikationen zu veröffentlichen", verspricht Eckart. Wesentliches Anliegen der Kölner Forscher und Forscherinnen bleibt aber das dunkle Herz der Milchstraße, so Eckart: "Man kann sagen: Das Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße liegt uns sehr am Herzen."