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"Comics sind viel mehr als nur Zeichnungen"

Ein Workshop mit Comiczeichnerin Barbara Yelin

Wie lassen sich Comics im Schulunterricht einsetzen? Kölner Lehramtsstudierende lerntendas in einem Workshop mit der preisgekröntenComiczeichnerin Barbara Yelin. Die Studierendender Fächer Geschichte, Kunst undGeographie entwickelten in dem Workshopeigene Comics als Lehrmaterial zum ThemaSklaverei in der Geschichte und heute.

Frau Yelin, was hat Sie für einen Tag andie Uni Köln gebracht?

Ich bin gefragt worden, ob ich beratend fürein Seminar an die Uni kommen möchte,was ich sehr gerne gemacht habe. Besondersinteressant war es, Studierende zu beraten,die mit ihrer Fachrichtung beruflicheigentlich etwas ganz anderes als Zeichnenansteuern. Comics sind schließlich viel mehrals nur Zeichnungen. Das Erzählen undSchreiben fließt dabei ebenso ein wie eineausführliche Recherche. Es kommt nichtnur darauf an, welche Bilder ich produziere, sondern auch auf die Geschichte, die ich erzählen möchte.

Welche Chance bietet das Medium Comic für Forschung und Lehre?

Von der Recherche bis zur fertigen Bildgeschichte stößt man bei der Comicproduktionimmer auch einen Forschungs- und Denkprozess an. Unabhängig davon wie gut wir zeichnen können, fördern wir damit also unser forschendes und kreatives Denken. Der didaktische Nutzen ergibt sich ausder Möglichkeit, durch die verschränkten Erzählmedien komplizierte Sachverhalte ausverschiedenen Perspektiven zu betrachtenund zu diskutieren – beim Zeichnen und beim Lesen. Ich würde übrigens nie sagen,dass ich Comics mache, um jüngere Menschenbesser zu erreichen. Mit allein diesem Motiv würde man sowohl die jungen Leute als auch Comics unterschätzen.

Was konnten die Studierenden an einem Tag mitnehmen?

Ich habe in dem Workshop gezeigt, wie man Zeichnen als einen Denk- und Erkenntnisprozess begreifen kann. Durch das Zeichnen kann ich hinter die Dinge schauen, indem ich etwas gestalte, nachvollzieheund rekonstruiere. Dabei stelle ich mir oft Fragen, von denen ich noch gar nicht wusste, dass ich die Antworten darauf gar nicht kenne. Das konnte ich den Studierendenaus meinen eignen Erfahrungen berichten. Außerdem habe ich sie dabei unterstütztherauszufinden, wie ihre Bilder zu den Erzählungen passen. Im Laufe des Seminars sind in den Wochen zuvor schon spannende Konzepte entstanden. Was mich zum Beispiel sehr beeindruckt hat, war eine Weltkarte zum Kreislauf der Sklaverei. In dieser Karte konnte man ganz haptisch noch zusätzliche Geschichten auffalten und dort noch einmal schauen, wie die einzelnen Orte damit zusammenhängen. Man kommt dadurch visuell in die Geschichte rein. Ich habe jetzt vor allem bei der Umsetzung geholfen. Wichtige Fragen sind dabei: Was kann man aus den einzelnen Bildern machen. Versteht man die Geschichte schon? Welche Möglichkeiten gibt es noch zur Gestaltung? Ab wann ist denn eigentlich ein Comic ein Comic und keine Infografik mehr? Da gibt es tatsächlich Überschneidungen und die Grenzen sind nicht immer deutlich. Die beiden Medien spielen schließlich mit denselben Mitteln. Der wesentliche Teil beim Comic ist eine Narration, was in der Infografik nicht immer der Fall ist.

Gibt es bei Comics Grenzen des Erzählbaren?

Ich denke, dass jedes Thema unabhängigvon der Komplexität erzählt werden kann – ähnlich wie bei Film und Literatur. Es gibt natürlich Begrenzungen, zum Beispiel weil ich in einem Comic mehr Seiten benötige als in einem Roman. Mein letztes Buch hatte etwa 300 Seiten, trotzdem liest man esin drei Stunden durch. Bilder sehe ich dabeiaber gerade als Chance. Sie transportieren ganz andere Informationen und Emotionenals Text. Ich zeichne Vieles, um Sachen zusagen, die man mit Text nicht sagen kann, weil es die Sprache dafür nicht gibt. Außerdem können wir für uns selbst entscheiden,wie lange und intensiv wir uns die Bilderangucken.

Haben Sie noch einen Tipp für alle, die nicht an Ihrem Workshop teilgenommenhaben, sich aber trotzdem mit dem Medium Comic beschäftigen wollen?

Was wirklich Spaß macht, ist eines der Standardwerke:Comics richtig lesen von Scott McCloud. Das ist ein amerikanischer Zeichner,der sich sehr intensiv damit beschäftigt hat, was Comics können. Er erzählt das Ganze entsprechend auch als Comic. Ansonsten sollte man einfach mal in die nächste Buchhandlung gehen und in den mittlerweile sehr umfangreichen Abteilungen für Comics und Graphic Novels stöbern.