Wissenschaftler*innen der Kölner Uni erforschen, erkunden und erleben Köln. Sie beschäftigen sich mit Flora, Fauna und nicht zuletzt den Bewohner*innen der Stadt gestern und heute. Über Interessantes, Skurriles, Typisches oder auch weniger Bekanntes berichten sie in dieser Rubrik. Dr. Letha Böhringer, Historisches Institut, über Beginengemeinschaften, die für ihre Zeit erstaunlich viel Autonomie besaßen.
Beginen sind fromme Frauen, die außerhalb der Klöster ein eheloses Leben in Gebet und Kontemplation führten. Seit dem frühen 13. Jahrhundert lebten sie in zahlreichen Städten des deutschen Sprachgebiets und in Flandern. In Köln lebte die wohl größte »Beginenkolonie « Europas, verteilt über die ganze Stadt mit Schwerpunkten zum Beispiel um den Konvent der Dominikaner an der Marzellenstraße.
Erkennbar waren Beginen an einem einfachen Habit mit einem Schleier, ähnlich dem der Nonnen. Die Frauen wählten in großer Zahl diese fromme Lebensweise, die ihnen eine echte Alternative zur Ehe und zum Klosterleben bot, denn wenn sie durch Eigenbesitz (in der Regel Erbschaft) wirtschaftlich abgesichert waren, genossen Beginen weitreichende soziale und wirtschaftliche Autonomie. Sie konnten allein oder mit Freundinnen oder Verwandten in eigenen Häusern leben, oder einen Platz in einem der zahlreichen Konvente finden. So erschlossen sie sich Freiräume in einer streng hierarchischen und patriarchalen mittelalterlichen Gesellschaft.
Ihre Geschichte lässt sich in Köln nicht nur aufgrund der großen Gemeinschaft gut erforschen, sondern auch, weil hier besondere Quellen erhalten sind: sogenannte Schreinsbücher, in denen vor allem Immobiliengeschäfte festgehalten wurden. Dort findet man Stiftungseinträge von Beginenkonventen, vor allem aber Verkäufe durch Erbengemeinschaften, zu denen auch Beginen gehörten. Dass Frauen in Köln erbberechtigt und geschäftsfähig waren, ist keine Selbstverständlichkeit für diese Zeit.
Mit Hilfe der Schreinsbücher sowie zahlreicher Urkunden und Testamente war es möglich, über 2100 namentlich bekannte Beginen zu ermitteln, die zwischen 1223 und ca. 1400 in Köln lebten. Diese Daten bilden die Grundlage einer Sozialgeschichte der Kölner Beginen – eine Untersuchung, die in keiner anderen Stadt auf einer so breiten Datenbasis möglich ist. Die Quellen beleuchten umfassend und detailreich die Rolle der Beginen in der urbanen Wirtschaft, ihre Beteiligung am Immobilien- und Rentenmarkt, ihr Verhältnis zu Welt- und Ordensklerus, ihre Rolle im Totengedenken und ihre Anbindungen an die Institutionen der städtischen Fürsorge.
Die Forschungsstelle Geschichte Kölns führt seit März 2022 in Kooperation mit dem Cologne Center for eHumanities das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Projekt »Beginen in Köln: Sozialgeschichte urbaner Frömmigkeit vom 13. bis zum 15. Jahrhundert« durch. Die Ergebnisse werden voraussichtlich 2025 in einer Monographie und einer digitalen Datenbank veröffentlicht.