Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Kölner Uni erforschen, erkunden und erleben Köln. Ihre Forschungen beschäftigen sich mit Flora, Fauna und nicht zuletzt den Bewohnerinnen und Bewohnern der Stadt gestern und heute. Über Interessantes, Skurriles, Typisches oder auch weniger Bekanntes berichten sie in dieser Rubrik. Der Historiker Dr. Michael Kleu und Anneliese Odenthal erinnern an den »Deutschen Herbst« 1977.
Am Montag, dem 5. September 1977, ging um 17:33 Uhr der Notruf bei der Polizei in Köln ein. Minuten später waren die ersten Streifenwagen am Tatort. Terroristen der Roten Armee Fraktion (RAF) hatten in Köln-Braunsfeld Hanns Martin Schleyer, den Präsidenten des Bundesverbandes der Deutschen Arbeitgeberverbände und ehemaligen SS-Offizier, auf dem Nachhauseweg entführt. Sein Wagen sowie ein Begleitfahrzeug, in dem drei Sicherheitsbeamte saßen, waren auf der Vincenz-Statz- Straße gestoppt worden. Die Terroristen eröffnen sofort das Feuer, töten den Fahrer Schleyers, Heinz Marcisz, sowie seine zum Personenschutz abgeordneten Begleiter Brändle, Ulmer und Pieler, und verschleppten Schleyer. Einige Minuten später leitete die Polizei eine Großfahndung ein.
Vierzig Jahre später produzieren Studierende im Rahmen eines von Dr. Michael Kleu vom Historischen Institut angebotenen Radioseminars eine Reportage zum Deutschen Herbst im Kölner Raum. Von einem Fernsehteam von Planet Wissen begleitet, suchten die Studierenden die Kölner Schauplätze der Entführung auf. Zunächst folgten sie Schleyers Route von der Friedrich-Schmidt- Straße in die Vincenz-Statz-Straße, wo die Terroristen ihm und seinen Begleitern den Weg versperrten und das Feuer eröffneten.
Danach besuchten sie das Uni-Center an der Luxemburger Straße, wo die RAF eine Wohnung angemietet hatte, um Vorbereitungen für die Aktion zu treffen. Die Terroristen waren über eine Telefonkette genau über Schleyers Vorankommen auf seinem Weg von seinem Arbeitsplatz in Richtung seiner Wohnung informiert. Das Uni-Center entsprach aufgrund seiner zahlreichen, Anonymität gewährenden Wohneinheiten exakt den Kriterien, nach denen die RAF die von ihr angemieteten Wohnungen auswählte. Da es nicht gelang, Schleyer gegen die in Stuttgart-Stammheim inhaftierten Gründungsmitglieder der RAF einzutauschen, erschossen die Terroristen ihn schließlich nach 45-tägiger Geiselhaft. Die Entführung und spätere Ermordung des Arbeitgeberpräsidenten zählen zu den traurigen Tiefpunkten des Deutschen Herbst. Ein wesentlicher Teil dieses Geschehens ereignete sich in Köln.
Heute erinnert ein unscheinbares Kreuz an der Ecke Friedrich-Schmidt-Straße/Vincenz- Statz-Straße an die blutigen Ereignisse. Wer nicht weiß, was sich dort am 5. September 1977 abgespielt hat, kann es leicht übersehen.