Es antwortet Universitätsprofessor Dr. Uwe Fuhr, Klinische Pharmakologie der Uniklinik Köln
Alle Suchtmittel haben Wirkungen, die von den Konsument*innen als angenehm empfunden werden, und aktivieren das Belohnungssystem. Das führt zum Wunsch nach einer Wiederholung der Anwendung und unter Umständen zur Abhängigkeit. Auch Koffein ist demnach ein Suchtmittel – aber ein harmloses. Die Wirkungen von Koffein sind überschaubar und führen typischerweise nicht zu akut gefährlichen Symptomen oder zu dauerhaften und relevanten gesundheitlichen oder sozialen Folgen für den Einzelnen oder für die Gesellschaft. Zudem kann eine Koffeinabhängigkeit ohne Beschaffungskriminalität überall unschwer befriedigt werden.
Alkohol, korrekt als Ethylalkohol oder Ethanol bezeichnet, und Cannabis mit dem Hauptwirkstoff Tetrahydrocannabinol haben jedoch neben der von den Konsument*innen erwünschten Rauschwirkung auch wesentliche unerwünschte und sogar gefährliche Wirkungen.
Die weit überwiegende Mehrheit der Menschen in Deutschland konsumiert völlig legal Alkohol, 10 Prozent davon in einem gesundheitsschädlichen Umfang. Bei 2 Prozent ist von einer Alkoholabhängigkeit zu reden. Der Cannabiskonsum zu Genusszwecken ist aktuell noch nicht erlaubt. Dennoch haben 2 Prozent der Menschen in Deutschland im letzten Monat Cannabis konsumiert, und knapp 1 Prozent weist einen problematischen Konsum auf. Während das neue »Cannabisgesetz« mit seiner beschränkten Legalisierung auf eine Entkriminalisierung und auf eine Verbesserung der Sicherheit des Konsums abzielt, bestehen auch Befürchtungen, dass die Legalisierung zu einem vermehrten Konsum mit vermehrter Abhängigkeit führt.
Die Gefahren eines Suchtmittels hängen natürlich nicht nur von der eingenommenen Substanz ab, sondern auch von Art, Umfang und Bedingungen des Konsums. Zumindest im Falle der »westlichen Länder« scheint aktuell klar, dass Alkohol wesentlich gefährlicher als Cannabis ist. Untersuchungen aus Ländern wie dem Vereinigten Königreich und Neuseeland haben Schadensskalen für Suchtdrogen verwendet, die unter anderem Todesfälle, Gesundheitsschäden, Funktionseinschränkungen, Abhängigkeit, Unfälle, Verbrechen, soziale Schäden und finanzielle Schäden durch den Konsum berücksichtigen. Die Skalenwerte durch Alkohol sind etwa dreifach höher als durch Cannabis.
Fraglos ist das Risiko für eine akute Überdosierung mit direkter oder indirekter Todesfolge bei Alkohol sehr viel höher als bei Cannabis, auch wenn das nicht das wesentliche Risiko eines Konsums darstellt. Bei Alkohol führen der Kontrollverlust und die mit dem Suchtcharakter des Konsums sowie der Schädigung des Gehirns verbundenen Verhaltensänderungen vor allem bei höherem Konsum oft zu schweren Beeinträchtigungen des sozialen Umfelds. Bei Cannabiskonsument*innen stehen ebenfalls Verhaltensänderungen im Vordergrund, die aber eher sie selbst beeinträchtigen und im Extremfall mit Psychosen verbunden sind, die vor allem bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen auftreten.
Pharmakologisch ist ein wesentlicher Unterschied, dass Alkohol neben den spezifischen Wirkungen im Zentralnervensystem giftig für Zellen ist. Alkohol und sein Hauptabbauprodukt Acetaldehyd schädigen vor allem das Gehirn, die Leber, die Bauchspeicheldrüse und das Herz direkt. Daneben erhöht Alkoholkonsum das Risiko für verschiedene Krebserkrankungen. Auch Tetrahydrocannabinol kann irreversible Schäden im Zentralnervensystem verursachen, vor allem bei längerem Gebrauch. Im Vergleich zu Alkohol besteht eine unspezifische giftige Wirkung bei Cannabiskonsum jedoch allenfalls durch das Einatmen von Verbrennungsprodukten beim Rauchen von Joints, was im Vergleich zur unspezifischen Giftwirkung von Alkohol eine untergeordnete Rolle spielt.
Alkohol und Cannabis sind demnach beides gefährliche Suchtmittel, die eine wohl überlegte Handhabung durch den Einzelnen und durch die Gesellschaft brauchen. Wenn man alle Faktoren abwägt, ist Alkohol jedoch gefährlicher.