Die akademischen Studien des späteren Literaturnobelpreisträgers waren allerdings durch die Zeitläufte und seine persönliche Entwicklung recht kurz. Mehr Licht auf die bisher obskure Episode im Leben des Kölner Schriftsteller s wirft jetzt eine Studie des Universitätsarchivars Dr. Andreas Freitäger.
Heinrich Böll an der Universität? An der Universität zu Köln? Bei der Betrachtung von Heinrich Bölls Biographie gerät die Universität zu Köln »sicher nicht als erstes in den Blick«, formuliert es Andreas Freitäger vorsichtig. Und doch hat der international bekannte deutsche Schriftsteller, der durch sein Werk als moralisches Gewis- sen der Nachkriegszeit galt, hier studiert – allerdings nur für drei Semester: Über die kurze Studienzeit des Schriftstellers war bis jetzt wenig bekannt. Freitäger hat deswegen den ersten Band der Reihe »Sedes Sapientiae« – Beiträge zur Kölner Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte – dem Studium Bölls gewidmet.
Lateinische Stilübungen und Goethe
Im Sommer 1939 immatrikuliert sich der Abiturient Böll für das Studium der Alt-Philologie und der Germanistik, im Herbst wird er zur Wehrmacht einberufen. Sechs harte, prägende Kriegsjahre folgen. Erst im Mai 1946 kann Böll sich erneut immatrikulieren und sein Studium fortsetzen – bis er sich 1947 nach zwei weiteren Semestern exmatrikuliert.
Das von Böll geführte Studienbuch gelangte im Februar 2009 mit weiteren Nachlassunterlagen in das Historische Archiv der Stadt Köln und befand sich dort, als am 9. März 2009 das Magazingebäude einstürzte. Es gilt derzeit als vermisst. Im Archiv der Universität liegen jedoch seit Jahrzehnten die Matrikelkarte des Nobelpreisträgers und die von 1926/27 bis 1952 lückenlos erhaltenen Kolleggeldrechnungen der Universitätskasse. Aus ihnen lässt sich der Studienverlauf Heinrich Bölls lückenlos rekonstruieren. Zum Vergleich zog Archivar Freitäger Unterlagen von Kommilitonen und akademischen Lehrern des Schriftstellers heran.
Böll besuchte vor wie nach dem Krieg Vorlesungen Ernst Bertrams über Goethe – Reminiszenzen daran finden sich später in seinen Werken. Daneben belegte Böll 1939 Veranstaltungen von Gottfried Weber über die Geschichte der Deutschen Dichtung im Spätmittelalter, griechische und lateinische Stilübungen bei Wolfgang Schmid und zusätzlich Veranstaltungen in Philosophie. Einen Berufswunsch für die Zeit nach seinem Studium hatte er damals offengelassen. »Bölls Studien lassen aber am ehesten den Schluss zu, dass er eine Lehrerkarriere ins Auge gefasst hatte«, so Freitäger. Sein Studium dauerte nicht lange. Anfang September wurde Böll zur Wehrmacht einberufen und von der Uni »als Wehrmachtsangehöriger ohne Gebühr beurlaubt«.
Neustart nach dem Krieg
Im Mai 1946, wenige Monate nach seiner Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft, immatrikulierte sich Böll erneut an der Uni. Im Wintersemester 1946/47 belegte er noch Veranstaltungen zur Philosophie, dem jungen Schiller und zur Deutschen Dichtung der jüngeren Zeit. Zu dieser Zeit waren schriftstellerische Arbeiten bereits in den Vordergrund getreten. Im August 1946 hatte er die Beurlaubung für das Wintersemester beantragt, um sich ganz seinen freien schriftstellerischen Arbeiten widmen zu können. Dies wurde nicht bewilligt. Am 21. April 1947 exmatrikuliert sich B ren schriftstellerische Arbeiten bereits in den Vordergrund getreten. Im August 1946 hatte er die Beurlaubung für das Wintersemester beantragt, um sich ganz seinen freien schriftstellerischen Arbeiten widmen zu können. Dies wurde nicht bewilligt. Am 21. April 1947 exmatrikuliert sich Böll schließlich. Grund: Aufgabe des Studiums.
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Andreas Freitäger: Stud. Phil. Heinrich Böll. Die Kölner Studiensemester des Nobelpreisträgers: Chronologie, Kommentar und literarische Reflexe. (Sedes Sapientiae – Beiträge zur Kölner Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte; 1). Universität zu Köln, Historisches Archiv, 2017 (ISBN: 978-3-7450-0162-4).