Die Universität zu Köln distanziert sich entschieden von allen zwischen 1933 und 1945 durch die Universität zu Köln verliehenen Ehrungen. Zudem distanziert sie sich von der Praxis der Ehrungen auch nach 1945, soweit diese etwaige NS-Belastungen von Geehrten nicht hinreichend berücksichtigt haben. Dies unterstrichen Rektor Prof. Dr. Axel Freimuth und Kanzler Dr. Michael Stückradt bei einer presseöffentlichen Stellungnahme anlässlich der Ergebnisse eines externen Gutachtens zu NS-Belastungen institutioneller Einheiten, Förderungen und Ehrungen an der Universität zu Köln.
„Die durch die Universität während der NS-Zeit ausgesprochenen Ehrungen erfolgten nicht oder nicht primär aus wissenschaftlichen Gründen, sondern dienten der regimekonformen Beziehungspflege – im innerstädtischen und regionalen Bereich ebenso wie zu außenpolitischen Bündnispartnern. Die vergebenen Ehrungen sind mit den heute geltenden Kriterien in keiner Weise vereinbar“, so Rektor Freimuth. „Ehrungen von Personen, bei denen aus heutiger Sicht eine NS-Belastung besteht, waren zudem weit über das Ende des Nationalsozialismus hinaus ein fester Bestandteil in der Reputationskultur der Universität zu Köln. Auch diese Ehrungen würden nach heutigen Maßstäben nicht mehr ausgesprochen werden.“
Eingebettet in eine geschichtliche Gesamtbefassung zum Jubiläum ihrer Neugründung von 1919 hatte die Universität vor zwei Jahren einen hochkarätigen externen Wissenschaftlichen Beirat berufen, dem die Historikerinnen und Historiker Prof. Dr. Mitchell G. Ash (Vorsitzender, Universität Wien), Prof. Dr. Christof Dipper (TU Darmstadt), Prof. Dr. Mary Fulbrook (University College London), Prof. Dr. Michael Grüttner (TU Berlin) und Prof. Dr. Tatjana Tönsmeyer (Bergische Universität Wuppertal) angehören. Der Beirat beaufsichtigte die von ihm im Rahmen eines Ausschreibungsverfahrens ausgewählte Geschichtsagentur „Facts & Files“ (Berlin), die NS-Belastungen institutioneller Einheiten, Förderungen und Ehrungen zu recherchieren. Explizit nicht Gegenstand waren Professoren und Verwaltungsmitarbeiter an der Universität Köln.
Für die genannten Bereiche institutionelle Einheiten, Förderungen und Ehrungen wurden von der Geschichtsagentur 332 Personen erfasst, die als Stifterinnen oder Stifter, als leitende Mitarbeiter von An-Instituten, Mitglieder von Fördervereinen oder als Geehrte in Bezug zur Universität zu Köln standen. Für insgesamt 219 Personen wurden auf Basis von Archiv- und Literaturrecherchen Biogramme erstellt. Zudem wurden Daten zur Gründung und Finanzierung von 36 Stiftungen und 14 An-Instituten sowie zu einzelnen Zuwendungen erhoben.
Zur Feststellung einer NS-Belastung legte der Wissenschaftliche Beirat folgende Kriterien zugrunde: (i) aktive politische, kulturelle oder wirtschaftliche Unterstützung des NS-Herrschaftssystems, insbesondere durch die Übernahme von Ämtern und Aufgaben, Mitgliedschaften in NS-Organisationen, berufliche und nicht berufliche Tätigkeiten; (ii) weitreichende Übereinstimmung mit der Weltanschauung bzw. Mitarbeit an politischen Projekten des NS-Regimes, insbesondere durch schriftliche Äußerungen, öffentliche Bekundungen, Forschungs- oder Beratungsleistungen; (iii) Erträge aus materiellen Vorteilsnahmen oder Erwerbungen und Übernahmen im Zuge von Verfolgungsmaßnahmen, insbesondere „Arisierungen“ oder Dotationen (finanzielle Zuwendungen, Geldgeschenke).
Im Ergebnis wurden 48 von der Universität zu Köln geehrte Personen mit „eindeutigem Befund“ als NS-belastet eingestuft, darunter sechs Ehrenpromotionen bis 1945 und 16 Ehrenpromotionen an eindeutig NS-Belastete nach 1945. Von den 36 Stiftungen wurden sieben, von den 14 An-Instituten fünf als eindeutig belastetet bewertet, wenngleich die Informationslage bei den institutionellen Einheiten begrenzt war und die Bewertung provisorischen Charakter trägt.
Neben der eindeutig nachweisbaren Belastung gab es weitere 75 Personen-Fälle, in denen die Quellenlage nicht ausreichte, um sie als eindeutig belastet oder eindeutig unbelastet zu bezeichnen. Hier gebe es Klärungsbedarf, so Kanzler Stückradt: „Wir wollen uns verstärkt noch einmal denjenigen bislang uneindeutigen Fällen zuwenden, bei denen die Person noch heute in der Öffentlichkeit präsent ist.“
Freimuth und Stückradt machten in diesem Zuge deutlich, dass die in Auftrag gegebene Recherche eingebettet sei in eine schon länger laufende, systematische Untersuchung der Geschichte der Universität zu Köln im und nach dem Nationalsozialismus. So hatte die Hochschulleitung bereits vor einigen Jahren die zur Zeit des Nationalsozialismus erfolgte Aberkennung von Doktorgraden für nichtig erklärt. Darüber hinaus ist in diesem Jahr ein Rechercheprojekt zu den Rektoren der Universität in und nach der NS-Zeit hinsichtlich ihrer NS-Belastung angelaufen. 2019 erschien außerdem die erste umfassende Chronik „Die Neue Universität zu Köln. Ihre Geschichte seit 1919“, herausgegeben im Geschichtsprojekt unter Leitung der Historiker Prof. Dr. Habbo Knoch, Prof. Dr. Hans-Peter Ullmann und Prof. Dr. Ralph Jessen.
Die Hochschulleitung begrüßte die abschließenden Empfehlungen des Wissenschaftlichen Beirats, sich tiefergehend mit den Personen-Netzwerken der Universität zu Köln und in der Stadt während und nach der NS-Zeit zu befassen, eine Gesamtdarstellung zur Geschichte der Universität im NS zu erstellen und die Provenienzen der Sammlungen der Universität zu untersuchen. Rektor und Kanzler teilen zudem ausdrücklich die Empfehlung des Beirats, eine angemessene Form der Erinnerung an die im Nationalsozialismus verfolgten Angehörigen der Universität zu entwickeln.
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