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Worte im Wandel

Vom Comic bis zur Oper – Marcel Beyer widmet sich als erster TransLit-Professor an der Uni Köln den verschiedenen Formen adaptierter Literatur

Frank Höhler auf einem Stuhl

Madame Bovary, Don Quijote und Gregor Samsa haben eines gemeinsam. Alle drei wurden in den letzten Jahren zur Comicfigur. Sie sind damit Teil eines Trends, der in den 1980ern begann und mit Graphic Novels wie Marjane Satrapis „Persepolis“ oder Art Spiegelmans „Maus“ für Furore sorgte. Viele Graphic Novels bedienen sich dabei bereits etablierter Vorlagen. Zusammen mit Hörspielen, Opern, Musicals und Übersetzungen gehören sie zu denjenigen Medien, in die Literatur am häufigsten übertragen wird.

Der Effekt ist vielfältig, eines jedoch ist sicher: Adaptionen literarischer Stoffe schaffen nicht nur neue Lesarten, sondern erschließen Publikumskreise, die das Ursprungswerk womöglich nicht erreicht hätte. Mit jenen vielfältigen Formen und Phänomenen von Literatur im medialen Wandel beschäftigt sich die neu an der Uni Köln eingerichtete Poetik-Dozentur TransLit. Den Anfang machte zu Beginn des Wintersemesters der mit seinem Roman „Flughunde“ weltweit bekannt gewordene Schriftsteller Marcel Beyer. 

ANDERE MEDIEN – NEUE DIMENSIONEN 

ANDERE MEDIEN – NEUE DIMENSIONEN „Mit Marcel Beyer konnten wir eine Persönlichkeit für die TransLit gewinnen, die sich durch einen offenen und experimentellen Umgang mit Literatur auszeichnet und keine Berührungsängste mit anderen Medien hat“, erklärt Professor Christof Hamann, der die Gast-Professur im Auftrag des Instituts für deutsche Sprache und Literatur I organisiert.

Dass sich der Schriftsteller Beyer gerne in unbekannte Gefilde begibt, zeigt seine eigene, vielseitige Erfahrung mit Literatur in neuer Gestalt: Immer wieder wurden seine Texte in andere Medien übertragen, auch er selbst hat direkt an medialen Transfers mitgewirkt – sei es für die Vertonung von Libretti mit dem Komponisten Enno Poppe, sei es für neue Hörspielkonzepte mit der Regisseurin Iris Drögekamp. Besonders Beyers Roman „Flughunde“ wurde mehrfach aufgegriffen und neu interpretiert, zuletzt in der vielbeachteten gleichnamigen Graphic Novel der renommierten Wiener Comic-Zeichnerin Ulli Lust. Die bereits im Roman thematisierte Wechselwirkung von Ton und Text erhält darin durch die Übertragung ins Bild nochmals eine weitere Dimension.
 

POETIK-VORLESUNG MIT INNOVATIVEM KONZEPT

An der Uni Köln eröffnete Beyer die TransLit Ende Oktober mit dem Poetik-Vortrag „Die Sprache, die Fremde“, mit dem er Einblick in die Entstehungsweisen vor allem seiner Gedichte gab. In vier kostenfreien, öffentlich zugänglichen Veranstaltungen diskutierte der Literaturwissenschaftler, der seinen Magistergrad mit einer Arbeit über Friederike Mayröcker erwarb, außerdem mit seinen Gästen Poppe, Drögekamp und Lust die verschiedenen Methoden und Effekte transferierter Literatur.

„Indem wir das Verhältnis von Literatur und anderen Medien konsequent in den Vordergrund stellen, unterscheiden wir uns wesentlich von bereits bestehenden Poetik-Vorlesungen im Bundesgebiet“, erklärt Hamann. „Durch die Öffnung gegenüber anderen Medien haben wir die Chance, mediengeschichtliche wie medientheoretische Debatten in die Gesellschaft hinein zutragen.“
 

EIGENES LITERARISCHE POTENTIAL ENTDECKEN

Langfristiges Ziel des Instituts ist es, die Veranstaltung einmal im Jahr ausrichten zu können. Dem jeweiligen TransLit-Professor kommt dabei die Aufgabe eines Kurators zu. Welche Themen er wählt und mit welchen Gästen er spricht, bleibt seine freie Entscheidung. Ergänzt wird das Programm mit einem Angebot für Studierende, die ihre eigene literarische Kreativität erproben wollen. Auf Grundlage einer vom Gast-Professor gestellten Schreibaufgabe verfassen die Teilnehmenden Texte, die sie in dessen Anwesenheit diskutieren können.

„Die starke Trennung, die in Deutschland traditionell zwischen Literaturwissenschaft und kreativem Schreiben besteht, halten viele junge Literaturwissenschaftler zu Recht für nicht mehr zeitgemäß“, so Hamann. „Indem wir mit der TransLit die Schriftsteller selbst in unsere Hörsäle holen und von ihnen lernen, werden wir diesem Wandel gerecht.“

Marcel Beyers Schreibwerkstatt jedenfalls war innerhalb kürzester Zeit ausgebucht. Nun darf man gespannt sein, in welcher medial gewandelten Gestalt uns Literatur im kommenden Jahr begegnen wird. Die nächste TransLit-Professorin Felicitas Hoppe, Trägerin des Georg-Büchner-Preises 2012, arbeitet bereits am Programm.