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»Was jetzt schon in der Umwelt ist, ist schwierig zu entfernen«

Dr. Alexander Kunz , Alumnus der Geologie, über Mikroplastik

Dr. Alexander Kunz ist ein Wissenschaftler am Research Center of Environmental Changes der Academia Sinica in Taiwan. Nach seinem Studium der Geologie an der Universität zu Köln promovierte er an der Leuphana Universität Lüneburg. Im Jahr 2011 zog er nach Taiwan und war als Postdoktorand und Laborleiter am Institut für Geowissenschaften an der National Taiwan University tätig.

Als Geologe denkt Dr. Alexander Kunz in großen Zeitspannen. Während seines Studiums an der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät befasste er sich mit den letzten zwei Millionen Jahren Erdgeschichte. Dann packte ihn ein Thema, das mindestens genauso weit in die Zukunft reicht: Mikroplastik. Die immer kleiner werdenden Plastikpartikel sind auf der ganzen Welt verteilt – mit ungewissen Auswirkungen auf Mensch, Tier und Ökosysteme.

Das Gespräch führte Eva Schissler
 

 

Herr Dr. Kunz, nach dem Studium in Köln sind Sie zur Promotion nach Lüneburg und Hannover gegangen. Brauchten Sie einen Tapetenwechsel?

Der Wechsel dorthin war eher ein Zufall. Nach dem Diplom habe ich zunächst bei einem kleinen Start-up gearbeitet, bin dann aber für meine Doktorarbeit wieder an die Uni zurückgekehrt. Ich kam ans Leibniz-Institut für Angewandte Geophysik in Hannover und an die Leuphana Universität Lüneburg, weil dort das Forschungsprojekt angesiedelt war. Wir haben untersucht, ob man im Indischen Ozean historische Tsunamiablagerungen finden kann. Das war nach dem starken Tsunami im Indischen Ozean an Weihnachten 2004. Danach gab es zahlreiche Forschungsprojekte zu Tsunamis. Meine Promotion war ein Teil davon.
Während meines Studiums in Köln hatte ich mich mehr mit der Quartärgeologie befasst, also der Erdgeschichte der vergangenen zwei Millionen Jahre. Wir waren am Institut für Geologie und Mineralogie eine kleine, eingeschworene Gruppe mit viel direktem Kontakt zu den Professorinnen und Professoren. Das hat mir gut gefallen.


Heute arbeiten Sie an der Academia Sinica, der Akademie der Wissenschaften Taiwans. Wie kamen Sie zu Ihrem aktuellen Forschungsbereich, dem Mikroplastik?

Ich habe im Rahmen meiner Arbeit als Laborleiter Sedimente datiert. Dabei ist man relativ viel in Küstenbereichen unterwegs. Hier in Taiwan ist mir dann aufgefallen, wie unglaublich viel Plastikmüll an den Stränden liegt, darunter auch viele kleine Partikel, also Mikroplastik. Damals wusste ich nichts darüber und mich hat interessiert, wo das alles herkommt. In Europa und Amerika gab es recht viele Daten und Forschungen zu dem Thema, aber in Asien, und gerade in Taiwan, gab es nichts. Nur einige NGOs haben sich damit befasst.
Ich habe dann aus Interesse selber angefangen, an den Stränden zu gucken und zu zählen. Danach entwickelte es sich langsam, andere Kollegen wurden auf das Problem aufmerksam und viele Studierende fingen an, sich dafür zu interessieren. Mit der Zeit ist das dann zu meinem Hauptthema geworden.


Was sind die Hauptquellen von Mikroplastik in der Umwelt?

Sicher ist, dass Mikroplastik größtenteils aus industriellen Bereichen und privaten Haushalten kommt. Also da, wo Menschen mit Plastik hantieren. Man kann sagen: »Wo gehobelt wird, da fallen Späne.« Wir schneiden Plastik oder reißen es auf. So bilden sich kleine Partikel, die ins Abwasser kommen, sich dort anreichern und irgendwann in Flüsse oder ins Meer gelangen. Das Mikroplastik ist also an menschliche Aktivitäten, an Städte und Industriezentren gebunden. Viel Mikroplastik wird allerdings auch durch die Luft transportiert, etwa Plastikfasern von synthetischer Kleidung. Die Partikel sind sehr leicht und schweben.


Dass wir Plastik in Zukunft vermeiden müssen, liegt auf der Hand. Aber gibt es Ansätze, das vorhandene Mikroplastik aus dem Abwasser, aus den Ozeanen und der Luft zu holen?

Es gibt Versuche, es aus dem Abwasser zu bekommen. Etwa durch Bakterien, die PET fressen, oder mechanische Versuche mit Sieben. Aber soweit ich weiß, funktioniert das noch nicht in großem Maßstab in Kläranlagen. Es kann sein, dass in ein paar Jahren Technologien entwickelt werden, um das Abwasser von Plastik zu befreien. Bis dahin gilt: Was jetzt schon in der Umwelt ist, ist wahnsinnig schwierig zu entfernen. Die großen Stücke können wir noch einsammeln, wenn sie an Land sind. Im Ozean ist es aber wegen der schieren Größe extrem mühselig. Sinkt Plastik auf den Meeresgrund, ist es quasi weg. Das kriegen wir nie wieder da raus, der Aufwand wäre viel zu groß und teuer. Es sei denn, wir züchten irgendwelche Superbakterien oder Mikroorganismen, die es fressen. Das einzige, was wir neben dem Einsammeln großer Stücke machen können, ist den Plastikverbrauch zu reduzieren, damit nicht noch mehr in die Umwelt kommt.


Bekommt das Thema weltweit genug Aufmerksamkeit?

In Europa und Nordamerika ist das Bewusstsein schon sehr groß. In Asien noch nicht so sehr. Hier in Taiwan ist es in den letzten Jahren aber gestiegen – zumindest für das große Plastik. Das Problem mit Mikroplastik ist den meisten Menschen gar nicht so bewusst. Das hat vielleicht damit zu tun, dass man es nicht sieht. Probleme und Risiken durch Mikroplastik sind vielen Menschen einfach nicht bekannt. Aber gerade der jungen Generation ist klar, wie problematisch Plastik ist.


Mikroplastik lagert sich auch in unseren Körpern ab. Wie wirkt sich das gesundheitlich aus?

Es ist schwierig, mit Menschen Versuche zu machen. Deswegen wissen wir es noch nicht genau. Bei Fischen und anderen Tieren ist allerdings bekannt, dass Mikroplastik durch den Körper wandert, ins Gewebe eindringen und Entzündungen verursachen kann. Ich habe hier bei einem Projekt von Greenpeace mitgearbeitet, in dem wir Tierkot auf Mikroplastik untersucht haben. Unsere Ergebnisse zeigen, dass auch Wildtiere, die fernab von Städten leben, Mikroplastik fressen und es ausscheiden. Auch in menschlichem Stuhl wurden schon Plastikpartikel gefunden. Plastik enthält zudem Giftstoffe, die in den Körper gelangen. Mit mehr Plastik im Körper steigt daher das Risiko, Giftstoffe aufzunehmen – selbst, wenn das Plastik an sich wieder ausgeschieden wird.


Von Ihrer Forschung zu Ihrem Leben in Taiwan: Ist die Bedrohung durch China dort sehr präsent? Oder ist das eher ein Thema, das hierzulande als besorgniserregend dargestellt wird?

Es ist auch hier ein Thema, es wird allerdings nicht so akut empfunden wie in deutschen oder generell westlichen Medien. Diese Bedrohung ist nicht permanent im Alltag präsent. Man liest in den Nachrichten, dass wieder chinesische Flugzeuge oder Kriegsschiffe vor der Küste unterwegs waren, sieht aber nichts davon. Auch die Kriegsvorbereitungen Taiwans bekommt man nicht direkt mit. Es ist kein Militär unterwegs und es gibt keine Werbung auf den Straßen, die um Rekruten wirbt. Außerdem sind die Leute hier mit dieser Bedrohungslage aufgewachsen, man ist also daran gewöhnt. Es gilt auch zu unterscheiden zwischen verschiedenen Ebenen. Politisch sind die Beziehungen vielleicht schlecht, aber wirtschaftlich sind sie es nicht.


Was würden Sie zum Abschluss den Studierenden der Uni Köln für ihren Berufsweg an die Hand geben?

Gewissen Chancen, auch wenn sie ein bisschen kurios oder wild erscheinen, sollte man nachgehen. Manchmal erlebt man Überraschungen und beschreitet interessante Pfade. Außerdem empfehle ich jedem Studierenden einen Auslandsaufenthalt. Es muss nicht so lang sein wie bei mir, aber man gewinnt eine ganz neue Perspektive auf viele Dinge und auch auf das eigene Land, auf Deutschland. Dabei lohnt es auch, kein europäisches oder nordamerikanisches Land zu wählen, sondern wirklich etwas komplett anderes zu machen. Ich bin 2011 nach Taiwan gekommen mit der Absicht, nur ein bis zwei Jahre zu bleiben. Nun bin ich schon über zehn Jahre hier. Meinen Horizont hat das total erweitert. Ich habe jetzt ein ganz anderes Verständnis von vielen Dingen, das ich wahrscheinlich nie gehabt hätte, wäre ich in Deutschland geblieben.