skip to content

„Ring frei“ für Peter Müller genannt „de Aap“

Erinnerung an ein kölsches Original

"Ring frei jetzt komme ich" hat er gesungen und im Ring auch schon einmal Mundharmonika gespielt. Der Boxer Peter Müller war für viele Kölner damals der der "Weltmeister vum Rhing". Publikumsliebling nicht nur in Deutschland sondern auch in den USA.

Der am 24. Februar 1927 in Köln geborene Müller begann seine Karriere 1946 als Amateur. Seinen ersten Profikampf 1947 im Mittelgewicht gewann er gegen Walter Trittschak durch k.o. in der zweiten Runde. In seiner 20jährigen Karriere boxte er gegen alle, die Rang und Namen hatten, nicht nur in Deutschland, auch in Europa und den USA. Er bestritt 176 Kämpfe und gewann davon 132. Fünfmal wurde er Deutscher Meister im Mittelgewicht.  

Er galt als liebenswürdig und großmütig, konnte seine Argumente aber wenn nötig auch "schlagkräftig" verstärken. So am 7. Juni 1952 im ausverkauften Kölner Eisstadion als er den Ringrichter Max Pippow k.o. schlug, weil der ihn nach mehrfacher Ermahnung wegen Klammerns nach eigener Aussage als „Zigeuner“ bezeichnet habe. Es folgte eine lebenslange Boxsperre. Sein Manager und Schwiegervater Jupp Thelen konnte nach einem Jahr die Aufhebung der Sperre erreichen.

Vor 25 Jahren ist das Kölner Boxidol gestorben. Zeit für einen Besuch an seinem Grab auf dem Südfriedhof, das den Besucher darauf aufmerksam macht, dass hier ein Boxchampion zusammen mit seiner Frau Greta, mit der er 43 Jahre verheiratet war, seine letzte Ruhestätte hat.

Der Kölner Medizinprofessor Dr. Gerhard Uhlenbruck hat der "Aap" im Ring gegenübergestanden und erinnert sich.

"Der Original-Kölner gilt nicht nur als originell, sondern ist auch durch besonders witzige Originale bekannt geworden, als klassisches Beispiel seien nur die Figuren Tünnes und Schäl erwähnt. In diesen kölschen Adelsstand wird man meist nur erhoben, wenn man auch mit einem besonderen Adelstitel bedacht wird, der den Betreffenden im Volksmund unsterblich macht (z.B. "die Nas").

So war es auch mit Peter Müller, dem berühmten und äußerst beliebten Kölner Boxer: Man nannte ihn liebevoll "de Aap", also den Affen. Das bezog sich weniger auf sein Äußeres, als vielmehr auf seine Art zu gehen: Etwas breitbeinig und die Arme ein wenig abgewinkelt. Ich lernte ihn in den fünfziger Jahren kennen, als ich mich beim Sülzer Boxclub BC Heros angemeldet hatte. Da nicht damit zu rechnen war, schon in der ersten Stunde mit Boxhandschuhen trainieren zu dürfen, war ich völlig verblüfft, als ein freundlicher junger Mann mich ansprach (alles op Kölsch!) und fragte, ob ich mit ihm trainieren wolle. Hocherfreut nahm ich das Angebot an. Kurze Zeit später merkte ich recht spürbar, auf was und mit wem ich mich da eingelassen hatte: Es war Peter Müller, mit dem keiner gerne trainieren wollte, weil er weder stilgerecht noch taktisch boxen konnte, sondern einfach kräftig drauf los schlug, was ihm ein gewisses Vergnügen bereitete, indem er den Gegner in der Defensive zum Rückzug zwang. Mit "the noble art of self-defense" hatte das nicht viel zu tun! Leider sah ich nach wenigen Tagen des Sparrings (Trainingsboxen) so verblöscht aus, dass ich den Verein auf Anraten meiner Freunde wechselte und in Ehrenfeld beim heutigen BC Westen mit dieser in der Nachkriegszeit sehr beliebten Sportart anfing.

Dennoch blieb ich dem Sülzer Verein verbunden, und war nicht wenig erstaunt, als Peter Müller verkündete, ins Profi-Lager zu wechseln. Seine wilde, unorthodoxe Art zu fighten hatte die Box-Manager und Promoter mobilisiert. Es war purer Zufall, dass ich anlässlich einer Tagung seinen ersten Kampf als Profi in Hamburg miterleben konnte in  Planten und Blomen. Seinen Gegner Trittschak schlug er schon in der zweiten Rund  k. o.!.

Es war der Beginn einer spektakulären Karriere, welche den Sportteil der Kölner Presse über Jahrzehnte beschäftigen sollte, weil Peter Müller auch durch viele Anekdoten und legendäre Auftritte (z.B. in USA) immer wieder von sich reden machte. Er wurde zum kölschen Original!

Der Zufall wollte es, dass mein Verein gegen den von Peter Müller, als er noch Amateur war, boxen musste. Wir beide waren damals in der gleichen Gewichtsklasse. Natürlich stand der Sieger schon vorher fest, und mein Trainer, Herr Engels, flüsterte mir in der Ring-Ecke zu: "Spätestens zweite Runde schlafen legen!", was ich dann schon in der ersten tat: Nach einem  harmlosen linken Haken ging ich zu Boden und ließ mich auszählen. Gegen Peter Müller hatte ich keine Chance.

Die Aap, über deren Kämpfe und Karriere man heute überall nachlesen kann, habe ich viel später erneut wieder gesehen, als er in Deckstein einen Schrebergarten hatte. Ich joggte oft vorbei und machte, wenn er da war, an seinem Gartenzaun immer ein Päuschen, um mit ihm über Sport und die Welt zu quatschen. Er behauptete dann immer: Durch dat Laufen lebst Du auch nicht länger! Fatalerweise hatte er sich aber das Rauchen angewöhnt, ließ sich  jedoch von der Schädlichkeit dieses Genusses nicht überzeugen: Die Angst vor Übergewicht war stärker! Auf dem alljährlichen Fest seines Kleingärtner-Vereins gab er seine bekannten Gesangseinlagen zum besten, da war er wieder der King! Wo er auch auftrat: Er wurde gefeiert und freute sich darüber. Etwas pikiert war er nur, wenn einer ihn nicht kannte oder nichts mit seinem Namen anzufangen wusste. Und anreden musste man ihn mit "Pitter": Auf seine Familie war er stolz: So was wie mich, also  Akademiker, gäbe es jetzt da auch!

Ach, man musste ihn einfach gern haben diese kölsche Aap! Mir gab er immer den Rat: Maach dich nit kapott! Und: Loss dich nit kapott maache!  Sinngemäß lautete seine Boxerweisheit: Sieh zu, dass Du gut über die Runden kommst ohne die Bretter aufsuchen zu müssen oder in den Seilen zu hängen. Ihm selbst fehlte am Ende ein guter Coach: Dann hätte er sich nicht selbst ausgeknockt. Denn es wären noch einige Runden drin gewesen. Ring frei für die Legende: Die bleibt er ohnehin!"

Professor Dr. Gerhard Uhlenbruck ist am 4. September mit dem Lehrer-Welsch-Sprachpreis des Vereins Deutsche Sprache e.V. ausgezeichnet worden.