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Ist Gebärdensprache weltweit einheitlich?

Es antwortet Liona Paulus, Studiengang »Dolmetschen für Deutsche Gebärdensprache«

Eine Frau zeigt mit dem Finger auf ihren Oberkörper

Beispiel von Gebärden unterschiedlicher Gebärdensprachen. Die Bedeutung »ICH« in deutscher, amerikanischer, britischer und brasilianischer Gebärdensprache.

Eine Frau zeigt mit dem Finger auf ihr Gesicht.

Die Bedeutung »ICH« in japanischer Gebärdensprache.

Diese Frage wird tauben oder hörenden Menschen, die gebärden können, sehr oft gestellt. Zumeist sind die Fragenden Menschen, die die spannende Erfahrung gemacht haben, mit »Händen und Füßen« mit anderen Menschen zu kommunizieren, die nicht dieselbe Sprache beherrschen. So ziehen sie eine Analogie zu Gebärdensprachen.

Diese visuell unterstützende Kommunikation mit unseren Extremitäten ist als Gestik bekannt. Gesten werden in der gesprochenen Sprache oft simultan verwendet, wie das Zeigen auf ein Objekt mit dem Zeigefinger. Die Gestik ist die Schnittstelle zwischen gesprochener und gebärdeter Sprache, denn gestische Elemente finden sich als etablierte Gebärden in den Gebärdensprachen wieder. In vielen Gebärdensprachen, so auch in der DGS (Deutsche Gebärdensprache), werden mit dem Zeigefinger unter anderem Personalpronomina angezeigt. Den Zeigefinger auf die eigene Brust zu richten, bedeutet ICH – 1. Person Singular.

Hinter solchen Gesten steckt eine ikonische (bildhafte) Abbildung, deren Inhalt man schnell erfassen kann. Die Gesten beruhen auf gemeinsamen Erfahrungen. Viele ikonische Gebärden sind sich deshalb auch in den unterschiedlichen Gebärdensprachen ähnlich. Zum Beispiel kommt der Zeigefinger auf der Brust als linguistisches Symbol für ICH auch in der ASL (American Sign Language), BSL (British Sign Language) und Libras (brasilianische Gebärdensprache) vor.

Gebärdensprachen entwickeln sich innerhalb von Sprachgemeinschaften ganz natürlich. So gibt es auch kulturell bedingte Unterschiede. In der JSL (Japanese Sign Language) steht die Ausrichtung des Zeigefingers auf der Nase für ICH. Das Gesicht ist das linguistische Symbol für die eigene Person. Westliche Gebärdensprachler und -sprachlerinnen können so die japanische Gebärdensprache nicht auf Anhieb verstehen. Gestische und ikonische Elemente besitzen allerdings nur einen kleinen Anteil im Vokabular in den jeweiligen Gebärdensprachen, sodass ganz klar gesagt werden kann: Gebärdensprachen sind nicht einheitlich. Zur Differenzierung sind sie daher nach dem Land ihres Vorkommens und dem dazugehörigen Akronym benannt.